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Wortfetzen drangen an mein Ohr, die keinen Sinn ergaben.

Klär' das mit Nele, ich bin im Urlaub. - Ja, ist ok.

Ich drehte mich um und blinzelte verschlafen in das Sonnenlicht. Wie spät war es?
Till schritt am Balkon auf und ab, Handy in der einen, Zigarette in der anderen Hand und schien mit irgendwem zu diskutieren. Ich streckte mich, rieb mir den Schlaf aus den Augen und begutachtete meine Uhr - 08:23 Uhr.
Mein Handy, das ich aus der Tasche kramte, zeigte einen Anruf in Abwesenheit und eine neue Nachricht an. Offenbar hatte meine Oma vor einer halben Stunde versucht, mich zu erreichen, und als das nicht geklappt hatte, mir folgenden Text geschrieben: Bin mit Peter & Michaela zum Tegernsee gefahren. Sind am Nachmittag retour.
Tja, so schnell wurde ich ersetzt – ich legte das Telefon beiseite und beobachtete Till, der nach wie vor telefonierte. Verstehen konnte ich allerdings nichts, weil er jetzt mit dem Rücken zu mir an der Brüstung lehnte und leise sprach.
Am liebsten wäre ich noch im Bett geblieben, wo es so schön warm und kuschelig war, aber das Bedürfnis nach einer Toilette machte dem ganzen einen Strich durch die Rechnung – so raffte ich mich auf und verschwand im Badezimmer. Während des Händewaschens fiel mein Blick zufällig in den Papierkorb, in dem neben der leeren Vodkaflasche ein benutztes Kondom lag und schlagartig wurde mir heiß: hatten wir das letzte Mal verhütet? Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, Panik stieg in mir hoch und ich rannte aus dem Badezimmer, um den Mistkübel im Zimmer zu untersuchen: Nichts.

Verdammte scheiße! Ok, jetzt bloß nicht durchdrehen. Ganz ruhig bleiben!
Was mache ich jetzt??

„Wie bescheuert kann man eigentlich sein?", schimpfte ich mit mir selbst, marschierte zurück ins Badezimmer und schloss mich ein. Ich starrte in den Spiegel.
„Weil du Idiotin so notgeil bist! Unglaublich, wie kann man darauf bitte vergessen??", knurrte ich meinem Spiegelbild entgegen.
Ich atmete ein paar Mal tief durch und entschloss mich, erst mal eine heiße Dusche zu nehmen. Über alles Weitere wollte ich mir später Gedanken machen – oder im besten Fall nie.

Gerade, als ich unter der Dusche stand und mir das heiße Wasser über Kopf und Körper rinnen ließ, klopfte es an der Tür.

„Guten Morgen, darf ich reinkommen?", vernahm ich Tills sanfte Stimme.

„Tut mir leid, ist abgesperrt und ich steh unter der Dusche. Gib' mir zehn Minuten", rief ich hinaus.

Aus den zehn Minuten wurde dann doch fast eine halbe Stunde. Dampfend wickelte ich mich in ein Handtuch und verließ das Badezimmer - Till lag im Bett und sah fern. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, als er mich bemerkte. Ich setzte mich neben ihn, er legte seinen Arm um mich.

„Na, schon fertig?", lachte er.

„Mhm". Ich musste schmunzeln. „Wie geht's deinem Rücken?"

„Keine Sorge, alles ok!" Er zog mich zu sich, so dass ich neben ihm am Polster lehnte.
„Verschwindest du heute wieder so schnell wie gestern?", brummte er in mein Ohr, und begann, meinen Hals zu küssen.

„Sie spielen extrem unfair, Hr. Lindemann!", hauchte ich und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen.
„Aber nein, meine Oma hat mich quasi „ersetzt", sie ist mit ihrem Neffen zum Tegernsee gefahren, also bin ich gerade etwas planlos, was den heutigen Tag betrifft. Mal schauen, vielleicht fahre ich nach und treffe mich dort mit ihnen."

„So, so - planlos also," er zwinkerte mir zu, „was hältst du dann erst mal von Frühstück? Meine Mutter ist schon unten."

Etwas verdutzt schaute ich ihn an.
„Hm, ja, warum nicht. Klingt gut. Weiß deine Mutter, dass ich hier bin?"

„Sie weiß nur, dass jemand hier bei mir ist. Wird sie dann gleich sehen."

„Oh je, den Blick kann ich mir schon vorstellen", ich lachte auf.

Till musste jetzt auch lachen.
„Und, ist das so schlimm?"

„Nein, aber etwas peinlich. Sie kann ja eins und eins zusammenzählen, und dass wir wahrscheinlich nicht die ganze Nacht geredet haben, wird ihr auch klar sein". Ich musste mir das gerade bildlich vorstellen und konnte mich kaum noch halten vor Lachen.

„Was hast du denn deiner Großmutter erzählt?", wollte Till wissen.

„Puh, naja...ich muss gestehen, dass ich ihr gestern eine kleine Notlüge aufgetischt habe. Ich habe ihr erzählt, dass ich viel zu viel getrunken habe und dann in der Früh auf deiner Couch wach geworden bin", ich grinste.

„Und das hat sie dir geglaubt?"

„Zumindest hat sie es nicht weiter kommentiert. Heute werde ich damit wohl nicht mehr davonkommen", erwiderte ich feixend.

Lachend schüttelte er den Kopf – ich klopfte ihm auf den Oberschenkel und sprang aus dem Bett.

„Na dann los, ich ziehe mir schnell meine Sachen an, dann können wir frühstücken gehen."

Till versuchte, mein Handtuch zu fassen zu kriegen.

„Untersteh dich!", kicherte ich und klaubte mein Gewand zusammen, dann verschwand ich nochmal im Badezimmer, um mich fertig zu machen.
Wieder starrte ich mein Spiegelbild an - sollte ich die Sache mit dem nicht verwendeten Gummi erwähnen und die Stimmung ruinieren? Oder abwarten und hoffen, dass nichts passieren würde?

Mist!

Gestresst fuhr ich mir mit der Hand über das Gesicht und durch meine Haare – sie waren schon fast trocken. Keine Ahnung, wie lange ich so vor dem Spiegel stand und meinen Gedanken nachhing, doch irgendwann entdecke ich Till im Türrahmen lehnend. Ich erschrak.

„Alles in Ordnung?", er klang besorgt.

„Ja, nein, ach, ich weiß nicht!", stammelte ich vor mich hin.
Er musterte mich stumm mit hochgezogenen Augenbrauen. Ich betrachtete ihn durch den Spiegel und senkte beschämt den Blick. Mehr als ein Flüstern brachte ich nicht zustande.
„Ich...wir...haben vorhin keinen Gummi benutzt."
Ich starrte nach wie vor in das Waschbecken und wartete auf eine Reaktion. Einige Momente verstrichen und ich sah ihn an.

„Nimmst du die Pille?", sein Tonfall nun merklich kühler. Sein Blick war kalt und verlieh seiner gesamten Ausstrahlung etwas Bedrohliches.

„Wenn ich die Pille nehmen würde, würden wir diese Unterhaltung jetzt wohl kaum führen," entgegnete ich nun etwas lauter.

Till baute sich vor mir auf.
„Ist das dein Ernst?!"

„Hey, es gehören immer zwei dazu und es tut mir leid, dass ich abgelenkt war! Als ob ich das absichtlich gemacht hätte! Scheiße nochmal!", fauchte ich zurück und schlug mit der flachen Hand auf das Waschbecken.

Ich muss hier raus, sofort!

Till betrachtete mich mit einem Blick, dass mir ein Schauer den Rücken hinunter lief – aber nicht im positiven Sinn.
Ich ließ das Handtuch fallen, schlüpfte schnell in meine Hose und BH, warf mir die Bluse über und drängte mich an ihm vorbei ins Zimmer. Meine Schuhe nahm ich einfach in die Hand, schnappte mir Handtasche, Jacke und mein Handy und wollte zur Tür hinaus - doch Till versperrte mir den Weg.

„Was glaubst du eigentlich, wohin du jetzt gehst? Du kannst mir das nicht so einfach an den Kopf werfen und dann verschwinden!"

Jetzt erst bemerkte ich, wie sauer er wirklich war und es machte mir Angst.

„Lass mich raus."

„Nein!"

„Verdammt nochmal, Till! Es war ein Fehler, den wir beide gemacht haben, nicht nur ich! Aber du brauchst dir keine Sorgen machen, ich mag keine Kinder, ich will keine Kinder also wird das auch nicht passieren!", schrie ich ihm ins Gesicht.
Ich merkte, wie mir Tränen in die Augen schossen, weil ich so wütend war. Er stand vor mir und sagte kein Wort mehr – wir starrten uns an.
Die Tränen liefen mir über das Gesicht und ich ließ mich an der Wand entlang zu Boden sinken.

„Fuck!", stieß ich hervor und wischte mir über die Wangen. Wie ich mich in diesem Moment hasste!

DahoamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt