Eine Stadt in Flammen

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Der Nachthimmel nahm nach und nach ein helleres Blau an. Das Dunkel der Nacht, das nur von Fackeln erhellt wurde, wurde zu einem hellen Grau. Im Osten wurde das Blau des Himmels schließlich zu einem zarten Rosa und einem kräftigen Orange. Langsam schoben sich die ersten Sonnenstrahlen über die Berge und krochen ins Tal hinab.

Die Menschen von Fornost hielten den Atem an, als die Sonne ihre Stadt und die Ebene davor beleuchtete. Die Felder, die vor der Stadt lagen, waren nicht mehr zu erkennen. Wohin das Auge blickte, sah man die Heerscharen Angmars, die bis an die Stadtmauern heran gekommen waren.

Auf der Mauerkrone am Stadttor standen noch immer Firiel und Arvedui. Die ganze Nacht hatten sie hier schweigend Wache gehalten. Das unablässige Donnern der Trommeln erinnerte sie ständig an die Schlacht, die dieser Stadt bevor stand. Firiels Auge glitt zu den bewaldeten Bergkuppen hinter dem Heer. Nach und nach erstrahlten diese im Licht der aufgehenden Sonne. Es war ein wunderschöner Anblick, den sie in sich aufsog.

Bumm, bumm, bumm... bumm... Stille drückte auf ihre Ohren. Es dauerte einen Moment, bis Firiel verstand. Langsam löste sie den Blick von dem Panorama vor ihr und drehte sich ihrem Mann zu. Arvedui hatte sich aufgerichtet und sah angespannt auf ihre Belagerer. Die Trommeln waren verstummt.

Da erscholl tief unter ihnen der misstönende Klang eines Hornes, das zum Angriff blies. Und im nächsten Moment stürmten ganze Rotten von Orks auf die Mauern zu.

„Soldaten von Arthedain!", brüllte Arvedui mit einem Mal, „Verteidigt diese Mauern!" Vielstimmiges Rufen wurde laut und mischte sich unter die Hörner von Fornost, die zur Verteidigung riefen. Sofort wurden Pfeile auf die Angreifer geschossen, siedend heißes Öl floß die Mauern herunter. Auch die Orks schoßen Pfeile ab und ringsherum gingen Soldaten schreiend zu Boden.

Firiel stand wie angewurzelt da. Der Lärm, der Geruch von heißem Öl und Blut, die plötzliche Angst, all das lähmte sie. „Komm mit mir!", sagte Arvedui scharf und packte sie an der Schulter. Stolpernd folgte sie ihm die Treppe hinab. Dort unten erwartete ein Soldat sie, der ihre beiden Pferde bereit hielt. Sie saßen beide auf und preschten in Richtung Zitadelle los.

Auf den Straßen herrschte heilloses Durcheinander. Menschen rannten schreiend durch die Gegend, Kinder weinten, manche sammelten ihr Hab und Gut zusammen und suchten verzweifelt nach einem Ausweg aus der Stadt.

Am Marktplatz angekommen, zügelte Arvedui sein Pferd. Auch hier war nur noch Chaos. Man hatte die Türen zum Lagerhaus aufgebrochen und offenbar wurden gerade die Vorräte geplündert. Die Heiler kamen aus dem Hospital heraus, sie trugen und stützten ihre Patienten. Hilflos sahen sie sich nach einer Fluchtmöglichkeit um.

„Ihr Menschen von Fornost!" Mit einer Lautstärke, die Firiel ihrem Mann nicht zugetraut hätte, machte sich Arvedui bemerkbar. In den Steigbügeln seines Pferdes aufgerichtet, sah er über den Platz. Sofort kehrte Ruhe ein. Nur der Lärm der Schlacht, die bereits an den Mauern tobte, war noch zu hören. „Angmar greift an! Was wir all die Jahre zu verhindern gesucht haben, geschieht nun doch. Ich kann und will euch nichts verheimlichen. Fornost wie wir es kennen, wird es an diesem Abend nicht mehr geben.", rief Arvedui laut, sodass jeder ihn hören konnte. Voller Schrecken tauschten die Menschen um sie herum Blicke aus.

„Doch unser Volk, das Volk der nördlichen Dunedain, soll weiter bestehen! Königin Firiel kennt einen Weg aus dieser Stadt heraus, er führt in die Berge. Von dort aus wird sie euch in Sicherheit führen. Ich, das Heer und jeder, der sich uns anschließen will, werden vor die Stadt reiten und dem Feind dort begegnen. Wir werden nicht siegen können, aber mit jedem Schwert, das sich den Orks entgegen stellt, hat unser Volk mehr Zeit, zu entkommen!"

Er hielt inne und sah sich um. „Ich verlange viel von euch, das ist mir bewusst. Es erwartet uns kein Sieg in dieser Schlacht, aber wir werden in Liedern und Geschichten weiter leben! Deswegen sage ich, jeder, der willens ist, für sein Volk zu kämpfen, soll sich bewaffnen und am Tor einfinden, wo wir dem Feind begegnen werden!"

Die letzte KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt