Gemeinsam mit ihrem Mann saß Firiel im Hof der Zitadelle bei Tisch. Es war ein klarer Sommertag und Arvedui hatte angeordnet, dass die Dienerschaft ihnen draußen den Tisch deckte. Nun saßen sie unter dem Baum, der die Kräutergärten der Heiler beschattete, und genoßen das erste junge Sommergemüse.
Die Sonne wärmte sie angenehm und Firiel spürte, wie die Wärme und das Licht ihr gut bekamen. Es war eine gute Idee des Königs gewesen, hier draußen zu essen. Vorsichtig warf sie ihm einen Blick zu. Wie alle anderen hatte Arvedui natürlich gemerkt, dass es ihr schlecht ging. Er hatte kein Wort darüber verloren, aber er hatte sie des häufigeren unter einem Vorwand aus ihrem Gemach geschickt oder nahm mit ihr zusammen das Essen ein. Versuchte er vielleicht sogar, ihr zu helfen? Der König hob den Blick und sah sie fragend an. Firiel wich den blauen Augen aus und sah wieder auf ihren Teller.
Hufgetrappel erklang und ein berittener Bote erschien im Durchgang in der Mauer. Arvedui und Firiel sahen ihm entgegen. Er war nicht gekleidet wie einer der Boten Arthedains. Sein Pferd schnaubte unruhig, als er es anhielt. Der Mann stieg ab und verneigte sich tief vor ihnen. Dann kam er mit ernster Miene näher. Als er so vor ihnen stand, erkannte Firiel das Wappen auf seinem Wams, einen Baum gekrönt mit Sternen. „Du kommst aus Gondor!", rief sie erfreut aus.
Der Soldat nickte. Doch kein Lächeln lag auf seinen Lippen. „Ich trage zwei Briefe bei mir, einen für Arvedui, König Arthedains, und einen für Firiel, sein Weib. Mir wurde aufgetragen, ihnen diese Botschaften auszuhändigen.", erklärte er. „Dann gib sie uns, wir sind Arvedui und Firiel.", erwiderte der König und winkte mit seiner Hand, damit der Bote seinen Siegelring erkennen konnte. Der Mann griff unter sein Wams und zog ein Bündel hervor. Darin befanden sich zwei gefaltete Bögen Pergament. Firiel sah erstaunt darauf. Beide waren mit dem Siegel von Minas Anor verschlossen. Normalerweise fand sich auf einem Brief ihrer Familie das königliche Wappen und nicht das des Stadthalters.
Mit auf einem Mal leicht zittrigen Händen nahm sie ihren Brief entgegen. Sie bemerkte Arveduis forschenden Blick. Auch ihm war das fremde Siegel aufgefallen. Mit einem Mal erhob sie sich. „Verzeiht, mein König,", sagte sie, „ich möchte mich zum Lesen zurück ziehen." Der König nickte abwesend, er brach bereits das Siegel. Schnell durchschritt Firiel den Hof.
Dichter Nebel lag über Ithilien. Ondoher konnte die Kälte der Nacht noch deutlich spüren. Tautropfen hatten sich in seinem grauen Bart fest gesetzt. Er drehte sich in seinem Sattel um und sah zurück. Hinter ihm, zwischen Bäumen und hohen Sträuchern, halb verborgen von Zwielicht und Nebel, wartete das Heer Gondors. Er fing den Blick seines Vetters Earnil auf. Neben diesem saß sein ältester Sohn Faramir, dessen Blick nachdenklich über das versammelte Herr strich. Earnil nickte Ondoher ernst zu, dann richtete er den Blick wieder nach vorne. Auch der König sah wieder in diese Richtung. Sie warteten nun schon eine ganze Weile.
Jahrelang war es ihnen nicht gelungen, das Hauptheer der Wagenfahrer zu lokalisieren. Immer wieder hatten kleine, schnell und präzise geführte Attacken von kleinen Gruppen der Wagenfahrer Ondoher und seine Söhne Sorgen bereitet. Doch trotz unzähliger Spione hatten sie keinen Hinweis gehabt, von wo aus die Wagenfahrer vorstießen. Dazu kam, dass sich das Hauptheer immer wieder in Bewegung befand, um ein Aufspüren zu erschweren.
Doch vor einigen Tagen hatten sie es endlich ausfindig machen können. Und Ondoher hatte keine Zeit verstreichen lassen. Er würde nicht länger zusehen, wie sein Volk unter den Angriffen litt. Sofort hatte er Earnil das Heer zusammenziehen lassen. Innerhalb kürzester Zeit hatte sich ein eindrucksvolles Heer vor den Toren von Minas Anor versammelt. Ondoher wusste, dass sein Verbündeter im Norden, Arvedui, sich selbst im Kampf mit dem Feind befand und ihm deswegen nicht helfen konnte. Also hatte er auf eine Nachricht nach Fornost verzichtet. Die wäre sowieso monatelang unterwegs gewesen. Das hätte kostbare Zeit vergeudet. Der König hatte es vorgezogen, schnell zuzuschlagen.
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Die letzte Königin
FanfictionAls Prinzessin Gondors genießt Firiel ein privilegiertes, wohl behütetes Leben. Doch als sie an den König des nördlichen Königreiches Arthedain verheiratet wird, ändert sich dies schlagartig. An der Seite eines ihr fremden Mannes reist sie in ein fe...