Es war kalt in dem Stollen. Ein winziges Feuer, das ständig kurz vorm Verlöschen war, erhellte die kargen, glatten Steinwände. Die Männer, dreißig an der Zahl, saßen schweigend um die Flammen herum. Ihre Blicke gingen ins Leere oder sie hatten die Augen geschlossen, um ein wenig zu ruhen.
Arvedui saß still unter ihnen. Gegen die beißende Kälte hatte er sich fest in seinen Pelzmantel gehüllt. Die steifen Hände umklammerten sein Schwert, das er quer über die Beine gelegt hatte. Langsam glitt sein Blick über die Männer. Ihnen allen war die Erschöpfung deutlich anzusehen. Auch er spürte die Müdigkeit im ganzen Leib. Fast noch schlimmer war allerdings mittlerweile der Hunger geworden. Er wusste, dass sie ihr sicheres Versteck bald würden verlassen müssen.
Gedankenverloren dachte Arvedui an die letzten vergangenen Tage. Ihre Flucht von der Schlacht um Fornost hatte sie tief in die nördlichen Höhen hinein geführt. Ewigkeiten, so war es ihnen allen erschienen, waren sie immer weiter in die Berge hinein geflohen. Durch hohen Schnee hatten sie sich die Abhänge hinauf und hinunter gewühlt, in großer Angst, verfolgt zu werden.
Arvedui hatte es kaum über sich gebracht, zurück zu sehen. Vor seinem inneren Auge sah er immer noch das brennende Fornost, konnte die riesigen Rauchwolken sehen und hörte das laute Tosen des Feuers.
Ihnen war bald klar geworden, dass sie von der Schlacht ausruhen mussten. Durch Zufall hatte einer der Männer unter der Schneedecke an einem Berghang den Eingang zu diesem alten Stollen gefunden. Da die Wände glatt und ebenmäßig bearbeitet waren, ging Arvedui davon aus, dass sie sich in einem alten Zwergenstollen befanden. Aus Angst, dass sie sich verirren könnten, hatte er den Männern verboten, die tiefer gelegenen Gebiete der alten Mine zu erkunden.
Seit drei Tagen saßen sie nun schon untätig in dem Stollen. Acht der Soldaten waren in dieser Zeit an ihren Verletzungen gestorben. Sie hatten sie notdürftig draußen und Schnee und Geröll begraben. Noch immer waren manche der Männer geschwächt und litten unter Fieber, eine der Folgen ihrer Wunden.
Doch nun machte sich ein neues Problem bemerkbar. Sie hatten keinerlei Vorräte. Anfangs hatte sich der Hunger aushalten lassen und sie hatten genug Schnee zum Schmelzen da, um etwas zu trinken. Aber mittlerweile... Arvedui erlaubte keine langen Ausflüge nach draußen, um zu jagen, aus Angst, Orks anzulocken. Doch nun wurde der Hunger überwältigend. Und die Lage der Kranken verbesserte sich nicht weiter, wenn sie nichts zu essen bekommen würden. Dann würden sie nicht am Fieber, sondern am Hunger sterben.
Mit einem Seufzen stand Arvedui auf. Die Männer blickten zu ihm auf, doch er bedeutete ihnen, sitzen zu bleiben und ging langsam in Richtung Stollenausgang zu.
Ein großer Stein verdeckte Teile des Ausgangs, sodass nur ein schmaler Spalt übrig blieb. Mühsam zwängte sich Arvedui hindurch und stand an einem kahlen, schneebedeckten Berghang. Zu seiner rechten lagen die aufgeschüttenen Grabhügel der Verstorbenen.
Arveduis Blick wanderte über die menschenleere Gegend. Kalt und ungnädig ragten die Berggipfel um ihn herum auf. Ihm war klar, dass sie etwas unternehmen mussten, sonst würden sie hier verhungern oder erfrieren. Und er war nicht der Schlacht entkommen, um in den Bergen einen elenden Tod zu sterben.
Es blieb ihm nur eine Wahl. Er musste seine Männer weiter führen. Nachdenklich sah er sich um. Wohin sollten sie sich wenden? Um eine Chance zu haben, mussten sie so schnell wie möglich die Berge verlassen. Zurück nach Süden war keine Option und auch der Osten war ihnen versperrt, da dort Angmar lag. Also blieb Arvedui nur der Westen oder der Norden, wohin er seine Männer führen konnte.
Langsam setzte sich Arvedui auf einen Stein und rieb die kalten Hände aneinander. Er fühlte sich alt und müde. Das Denken fiel ihm schwer. Es schien, als hätte der Krieg jegliche Kraft aus ihm heraus gesaugt. Die letzten Jahre hatten einen alten Mann aus ihm gemacht. Erschöpft stützte er den Kopf in die Hände und sah zu Boden.
DU LIEST GERADE
Die letzte Königin
FanfictionAls Prinzessin Gondors genießt Firiel ein privilegiertes, wohl behütetes Leben. Doch als sie an den König des nördlichen Königreiches Arthedain verheiratet wird, ändert sich dies schlagartig. An der Seite eines ihr fremden Mannes reist sie in ein fe...