Der König von Gondor

141 19 6
                                    

An diesem Abend fiel es Arvedui schwer, einzuschlafen. Unruhig wälzte er sich in seinem Bett hin und her. Die Ereignisse des Tages zogen an seinem inneren Auge vorbei. Seine Abneigung gegenüber Belgon war im Verlaufe des Tages wenn überhaupt möglich noch größer geworden. Zorn erfüllte ihn bei dem Gedanken, dass der Truchseß ihn am Ende der Versammlung nicht einmal zu Wort hatte kommen lassen. Aber er musste auch eingestehen, dass Belgon seine Sache geschickt gemacht hatte. Er hatte abgewartet, bis die Männer überrascht von Arveduis Ankündigung gewesen waren, um sich dann als einzigen erfahrenen Kandidaten darzustellen. Außerdem hatte er sich mit seinem Geld die Unterstützung vieler Familien erkaufen können... Nein, niemals würde er zulassen, dass dieser arrogante Mensch sich auf dem Thron nieder ließ. Aber wie sollte er das anstellen?

Morgen würde er vor die Versammlung treten und ihnen seine Argumente darlegen. Er würde sie davon überzeugen, dass er die vernünftige Wahl war. Aranarth war bald alt genug, um Arthedain zu regieren. Auf ihn würde er sich verlassen können. Gemeinsam würden sie den Krieg beenden und beiden Ländern Frieden und Wohlstand sichern.

Dem jungen Elcamar traute er nicht so recht. Zwar mochte er jung und intelligent sein. Aber jung hieß auch noch leicht zu verführen und unerfahren. Er war sich nicht sicher, ob Elcamar wirklich eine gute Wahl für die Krone wäre.

Langsam driftete der König in den Schlaf hinab. Endlich wurde er ruhig...


Lautes Pochen riss ihn aus seinem Schlaf. Seine Hand fuhr an den Griff des Schwertes, das an sein Bett gelehnt stand. Er stand auf und hielt das Schwert fest in der Hand. „Arvedui! König Arvedui!", rief es von draußen herein. „Wer da?", fragte er scharf. Das hektische Pochen verstummte. Dann erklang eine Stimme. „Feldherr Earnil schickt mich. Ihr sollt so schnell wie möglich zu euch kommen."

„Kommt rein.", erwiderte Arvedui. Die Tür öffnete sich und ein blaßer Diener erschien unter dem Türsturz. „Ihr sollt schnellstmöglich kommen, Herr! Earnil will mit euch reden. Er ist in der Stadt.", sagte er leise. Arvedui zog die buschigen Augenbrauen zusammen. „Was ist denn passiert?", fragte er ein wenig ungehalten. „Jemand ist gestorben...", flüsterte der Diener.

Rasch eilte Arvedui dem Diener hinterher. Laut der Aussage des Mannes war der Ort, an dem Earnil ihn erwartete, nicht weit von dem Palast entfernt. Daher verzichtete er darauf, sein Pferd satteln zu lassen. Nur schnell etwas übergezogen hatte er sich und sein Schwert umgegürtet.

Der Diener führte ihn eilig aus dem Palast heraus und hinab in die Stadt. Es war dunkel. Nur die Sterne und einige Fackeln beleuchteten die Szenerie. Zwischen den Häusern war es still. Es musste mitten in der Nacht sein. Nur leise Geräusche dragen von den untersten Ebenen der Stadt zu ihnen nach oben.

Dort, wo Earnil auf sie wartete, war ein kleiner Auflauf an Menschen entstanden. Sie standen am Fuß einer Treppe. Es waren vor allem Soldaten anwesend, die mit ihren Fackeln die Straße taghell erleuchteten. Sie standen in einem Ring um eine am Boden liegende Gestalt herum, die mit einem Tuch bedeckt war. Als Arvedui auf sie zu kam, trat Earnil aus der Gruppe heraus, Belgon an seiner Seite.

Earnil nickte Arvedui grimmig zu. „Feldherr Earnil,", grüßte Arvedui, „Herr Belgon, was war so wichtig, dass ihr mich mitten in der Nacht aus dem Schlaf reißt?" Er keuchte ein wenig, von dem schnellen Marsch hierher. Der Diener, der ihn gebracht hatte, verzog sich. Belgon warf die Arme nach oben. „Etwas äußerst tragisches hat sich ereignet, König Arvedui. Elcamar ist gestürzt. Er wurde von einem der Anwohner hier gefunden, da war er bereits tot...", rief er aus und zeigte auf den Leichnam.

Geschockt sah Arvedui auf ihn hinab, dann suchte er Earnils Blick. Der Feldherr nickte zur Bestätigung. „Welch eine Tragödie!", jammerte Belgon, „Ich habe gehört, er wollte dieses Jahr noch heiraten..." Tief getroffen trat Arvedui vor und schlug das Tuch beiseite, das Elcamar bedeckte. Es gab keinen Zweifel. Der Tote war Elcamar. Neben ihm lag eine fast leere Weinflasche. Ein übler Geruch nach Alkohol ging von ihm aus. Arvedui ließ das Tuch sinken. Offenbar hatte Elcamar seine Ernennung zum Kandidaten für die Königswürde zu ausgiebig gefeiert.

Die letzte KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt