Der König kehrt heim

232 24 5
                                    

Frühling 1959 D.Z.

Mit einem leisen Stöhnen richtete Firiel sich auf. Mit einer Hand wischte sie sich über die Stirn. Die andere presste sie in ihr Kreuz. Steif lehnte sie sich nach hinten und streckte sich. Ihr geschwollener Bauch machte ihr mittlerweile durchaus zu schaffen. Zwar würde es noch einige Wochen dauern, bis ihre Zeit gekommen war, aber es stellten sich bereits die ersten Schmerzen und Unanehmlichkeiten ein.

Sie blickte auf den Mann herab, dessen Wickel sie eben gewechselt hatte. Er lächelte sie dankbar an. Mit einem freundlichen Nicken für ihn ging sie weiter. Nur für einen kurzen Moment wollte sie sich eine Pause gönnen und sich die Beine vertreten. Langsam schritt sie zwischen den Betten umher.

Der Winter war vor einigen Wochen zurück gewichen und hatte dem ersten, milden Frühlingswetter Platz gemacht. Es war auch höchste Zeit geworden. Während Firiel sich umsah, dachte sie an die Wintermonate zurück.

Als der Winter seine Faust um die Stadt zu schließen begonnen hatte, war die Zahl der Erkrankungen immer noch gestiegen. Es war still geworden und manche Viertel waren wie ausgestorben gewesen. Wer nicht krank und im Hospital war, verbarrikadierte sich in seinem Haus und legte Vorräte an. Der Schnee hatte oft kniehoch die Straßen bedeckt, da niemand mehr ihn fort geräumt hatte. Verzweiflung hatte geherrscht. Firiel, Sahil und seine Heiler hatten tagein, tagaus geschuftet. Auch Saela hatte sich ihnen angeschlossen, um die Trauer über den Tod ihrer Tochter besser zu verkraften. Mit schwindendem Mut hatten sie versucht, der Seuche Einhalt zu gebieten. Die Quarantäne wurde nicht aufgehoben und bald war es schwer geworden, die Stadt mit Lebensmitteln zu versorgen. Firiel hatte die Vorräte scharf rationieren müssen und hatte oft gezweifelt, ob sie es überhaupt schaffen würden. Auf dem Marktplatz, direkt vor dem Hospital, hatte sie ein großes Feuer entzünden lassen, damit die Leichen verbrannt werden konnten. Viele Tage hatte es gebrannt und jeden Reisenden gewarnt, die Stadt nicht zu betreten. Immer wieder waren Menschen an das Stadttor gekommen und hatten wieder abreisen müssen. Firiel war froh, dass Arvedui und Aranarth in Sicherheit waren. An ihre eigene Sicherheit dachte sie bald nur noch selten. Der Tod wurde allgegenwärtig.

Irgendwann, als alle Hoffnung verloren zu sein schien, hatte die Seuche nach gelassen. Es waren weniger Menschen krank geworden. Zwar gab es immer noch Kranke, aber langsam wagte die Stadt aufzuatmen. Die laue Frühlingsluft schien wie ein Versprechen auf neues Leben zu sein. Noch immer starben Menschen, aber es waren nur noch wenige.

Dankbar, dass sie den Winter überstanden hatten und mit der Hoffnung, dass sie bald wieder die Quarantäne aufheben konnte, lief Firiel durch den Saal. Ein Drittel der Bewohner Fornosts war der Seuche zum Opfer gefallen. Es sollten nicht noch mehr werden. Wenn sie an den Herbst zurück dachte, musste sie lächeln. Seit dem Ausbruch der Seuche war nicht sehr viel Zeit vergangen, nur einige Monate. Und dennoch, sie hatte sich sehr verändert.

Schon vor Wochen hatte sie im Hospital ihre feinen Kleider gegen einfache, grobe Arbeitskleidung getauscht. Auch wenn es sie Überwindung gekostet hatte, so fühlte sie sich mittlerweile doch fast wohl in dieser schlichten Kleidung. Ihre Hände waren flacher geworden von der vielen Arbeit. Das Haar war nicht mehr zu eleganten Frisuren aufgetürmt, stattdessen trug sie einen schlichten Zopf, den sie sich selbst flechtete.

Aus dem luxusverwöhnten, leichtgläubigen Mädchen war eine ernste Frau geworden. Mittlerweile war sie an die Arbeit im Hospital gewöhnt, auch wenn es sie viele Übelkeits- und Ohnmachtsanfälle, sowie einige Alpträume gekostet hatte. Auch an die Verantwortung, der sie sich als Königin ausgesetzt sah, hatte sie sich mit der Zeit gewöhnt. Anfangs war sie sehr unsicher gewesen und hatte an sich gezweifelt, doch sie war gewachsen und fühlte sich in ihrer Position als Königin schon wohler. Und auch etwas anderes hatte sie bemerkt. Die Menschen von Fornost verehrten sie. Alle sahen nun zu ihr auf als die Königin, die in der Stunde ihrer Not aus ihrem Palast gekommen war und ihnen geholfen hatte. Firiel war nun keine Fremde mehr, sie war wahrhaft die Königin ihres Volkes.

Die letzte KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt