Arion

145 17 22
                                    

Mit einem Mal riss Firiel die Augen auf. Etwas hatte sie aus dem Schlaf gerissen. Einen Lidschlag lang starrte sie an die dunkle Steindecke über ihr und lauschte den tiefen Atemzügen ihres Mannes neben sich. Dann zog sich ihr Magen heftig zusammen und sie musste würgen.

Sofort setzte sie sich auf, strich sich das Haar aus dem Gesicht und legte eine Hand auf ihren Bauch. Sie ermahnte sich, ruhig zu atmen und hoffte, dass die Übelkeit von selbst verschwinden würde. Doch es half nichts. Erneut zog sich ihr Inneres zusammen und sie eilte so schnell sie konnte in den Nebenraum, der als Waschraum diente. Würgend beugte sie sich über den Badezuber und hielt verkrampft ihre Haare zurück.

Als es endlich vorbei war, sackte sie auf die Knie. Erst jetzt spürte sie, dass sie zitterte. „Meine Königin?" Eine fragende Stimme erklang von der Tür her. Sie drehte den Kopf und sah Arvedui vor ihr stehen. Er musterte sie aufmerksam und sie erkannte Besorgnis in seinem Blick. Mit weichen Knien mühte sich Firiel auf die Beine. Sie hatte einen üblen Geschmack im Mund und ihr Nachthemd war verschwitzt.

„Ist euch nicht wohl?", fragte Arvedui nun. „Jetzt ist es besser.", murmelte Firiel abwesend. Sie goß sich etwas Wasser in einen Becher und trank einen kleinen Schluck. „Ihr solltet nach Sahil schicken lassen.", sagte ihr Mann. Firiel nickte nur. Langsam tappte sie an ihm vorbei und ging zurück zum Bett, auf dem sie sich nieder ließ.

Nachdenklich legte sie eine Hand auf ihren Bauch. Die Übelkeit war fort. Arvedui zog sich bereits an. „Wie spät ist es?", fragte sie ihn leise und wickelte die Decke um sich. „Es dämmert gerade.", erwiderte Arvedui mit einem kurzem Blick aus dem Fenster. Sein Blick fiel wieder auf sie. „Ich muss gehen. Aber ich werde Orla zu euch schicken. Sie soll sich um euch kümmern.", verkündete er. Abwesend nickte Firiel. Arvedui warf ihr noch ein knappes Nicken zu und verließ den Raum.

Stille umfing Firiel. Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. Heute Abend war das Fest für ihren Sohn, der vor 20 Jahren geboren wurde. Es sollte ein großes Festmahl geben, mit Musik und Tanz. Für den Ehrentag Aranarths musste sie wieder zu Kräften kommen. Langsam kehrte die Kraft wieder in ihre Gliedmaßen zurück. Ihre Gedanken wandten sich den vergangenen Tagen zu. Es waren erst wenige Monate seit Arveduis Heimkehr vergangen. Das alltägliche Leben hatte sich schnell wieder eingestellt. Arvedui und Aranarth regierten nun gemeinsam das Reich. Der Prinz hatte seinem Vater gleich nach dessen Ankunft von seinem Verdacht erzählt, dass es in Fornost einen Verräter gab. Soweit Firiel wusste, arbeiteten beide Männer an einem Plan, wie sie den Verräter stellen konnten. Unter dessen ging der Krieg an der Grenze weiter. Firiel hörte nicht viel von den Scharmützeln, die sich die königlichen Truppen regelmäßig mit den Orks lieferten. Doch eines schwang immer mit, wenn davon berichtet wurde: Es sah nicht gut aus. Angmars Truppen gewannen an Boden, langsam und stetig. Zwar errang ihre Seite hin und wieder einen Sieg, doch ihre Vorhaben wurden immer wieder durchkreuzt. Ein Zeichen dafür, dass der Verräter noch immer sein Werk fortsetzte.

Der Krieg war Firiel immer im Gedächtnis. Doch noch hatte sie keine Furcht. Ihr Leben drehte sich nach wie vor um ihre heimliche Liebe. Sie sah Ildion noch immer oft, aber meist nun in Gesellschaft anderer, wo sie einander nicht nahe sein konnten. Sich alleine zu treffen war schwierig geworden. Noch immer half Saela ihnen, doch Firiel konnte nicht zu oft zu ihrer Freundin reiten. Das hätte bei ihrem Mann Verdacht erregt. Und so trafen sie sich heimlich in abgelegenen Kammern in der Zitadelle, wenn Firiels Mann und Sohn beschäftigt waren und Ildion nicht benötigt wurde. Das kam leider nur selten vor. Doch wenn sie sich sehen konnten, waren dies Momente voll Glück. Sie sprachen miteinander, vermieden es, über den Krieg zu sprechen, da sie bei diesem Thema meist in Streit gerieten. Oft genossen sie auch einfach nur schweigend die Nähe des anderen oder sie liebten sich, heimlich und leise.

Jemand klopfte und Firiel setzte sich auf. „Herein!", rief sie. Die Tür wurde geöffnet und Orla trat ein, gefolgt von einem alten und gebeugten Sahil. Firiel lächelte beim Anblick der beiden. Orla machte sich sofort daran, im Nebenraum aufzuräumen und zu putzen, während Sahil an sie heran trat. „Der König traf mich eben und bat mich, nach euch zu sehen. Er sagte, euch wäre nicht gut.", sagte er.

Die letzte KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt