Ildion zügelte sein Pferd. Das Tier kam auf einem Hügel zum Stehen. Er wandte sich im Sattel um. Hinter ihm wälzte sich Arveduis kleines Heer über die kargen Hügel des Hochlandes. Ein rauer Wind pfiff und ließ die Fahnen mit dem Stern Arthedains knattern. An der Spitze erkannte Ildion den König, neben ihm ritt sein Sohn. Arvedui führte sie nun schon mehrere Tage Richtung Nordost. Dort wollte er die Grenze zu Angmar verstärken und weiter ins Feindesgebiet treiben. In den letzten Monaten hatte Angmar verstärkt Territorien Arthedains in Besitz genommen.
Während er wartete, dass ihn das Heer eingeholt hatte, sah Ildion wieder nach vorne. Vor ihnen am Horizont lag eine dunkel Bergkette. Sie hatte früher die Grenze zu Angmar gebildet. Niemand wusste, was sich dahinter verbarg. Doch irgendwo dort musste der geheimnisvolle Hexenkönig seinen Sitz haben. Ildion schauderte, während er daran dachte. Über den Bergen schien der Himmel dunkler zu sein. Es sah aus, als würde die Sonne das Land dort nicht so hell erleuchten, wie hier. Ildion spürte, wie eine merkwürdige Art von Faszination ihn ergriff. Neugier ergriff ihn, zu sehen, was sich hinter diesen Bergen verbarg.
Hufschläge waren zu hören. Er wandte den Kopf und der Bann brach. Neben ihm erschien Arvedui, den jungen Aranarth an seiner Seite. Arvedui sah Ildion an. „Ja, da vorne liegt es, Angmar...", sagte er mit dunkler Stimme. Einen Moment lang sahen die drei Männer schweigend auf das vor ihnen liegende Land. Arvedui knurrte leise. „Dort ist all der Ursprung für das Übel, das unser Volk in der letzten Zeit erfuhr.", sagte er.
Dann trieb er sein Pferd weiter. „Kommt,", sagte er, „laut den Berichten gibt es hier in der Nähe einen Hof, der noch nicht verlassen ist. Dort können wir neues erfahren und über Nacht bleiben." Ildion folgte dem König und auch der Prinz trieb sein Pferd an. Die Soldaten folgten ihnen. Mittlerweile dämmerte es und bald würde es dunkel werden. Freudig dachte Ildion an die Aussicht, ein Dach über dem Kopf zu haben und im Warmen zu schlafen.
Seit einiger Zeit durchquerten sie größtenteils verlassene Landstriche. Die meisten Menschen waren in die Städte oder ganz nach Fornost geflohen. War in Fornost außer den Berichten und der verschärften Wehrpflicht noch nicht viel vom Krieg zu spüren gewesen, so waren hier draußen die Folgen des Krieges deutlich zu sehen. Ganze Dörfer und Höfe waren verlassen. Sie waren an verfallenden Häusern und unbestellten Feldern vorbei gekommen. Jedes leere Dorf, durch das sie ritten, ließ Ildions Herz sich ein bischen mehr zusammen ziehen. Es tat ihm weh, sein Land derartig unter Angmar leiden zu sehen. Dass sie auf Menschen stießen, die trotz allem noch immer hier waren und sich weigerten, ihre Heimat aufzugeben, hatte Seltenheitswert. So war Ildion jetzt noch gespannter auf das, was sie nun antreffen würden.
Nur kurze Zeit später erreichten sie tatsächlich einen Bauernhof, aus dessem Schornstein Rauch drang. Außer dem Haupthaus existierte eine kleine Ansammlung weiterer Hütten, die sich um das Gebäude drängten. Hundegebell erklang, als sie sich näherten. Ildion ritt nun hinter Arvedui und Aranarth. Auch wenn er kein Soldat war, hatte er sich offiziell den beiden unterzuordnen. Er konnte sehen, wie sich eine Tür öffnete und eine Gruppe Menschen aus dem Haus kamen. Sie trugen Fackeln und sahen sich wachsam um. Schließlich erblickten sie das sich nähernde Heer.
Arvedui ritt direkt auf den Hof zu. Vor den Häusern bedeutete er den Soldaten, zurück zu bleiben. Gemeinsam mit seinem Sohn und Ildion ritt er weiter, bis sie vor den wartenden Bauern angekommen waren. Die Menschen verneigten sich vor ihnen, als sie ihre Pferde anhielten. Doch Ildion fiel ihr wachsamer Blick auf. Er musterte jeden einzelnen von ihnen. Vielleicht zwei Dutzend Menschen standen vor ihnen. Sogar ein paar Kinder waren unter ihnen. Der König stieg ab. Sein Blick schweifte über die versammelten Menschen, dann sagte er: „Wir werden hier über Nacht rasten."
Einige Zeit später wurden Ildion, Arvedui und Aranarth im Haupthaus bewirtet. Die Soldaten hatten auf den Wiesen vor dem Hof ihr Lager aufgeschlagen und kochten von ihren eigenen Vorräten. Das erleichterte die Bauern ungemein, die nun nur noch die drei Männer zu verpflegen hatten. Ildion sah sich in dem Raum um, in den man sie gebracht hatte. Es war ein recht kleiner, einfacher Raum. Sie saßen an einem großen, einfachen Holztisch. Felle und Stroh lagen auf dem Boden, um die Wärme zu halten. Ein Durchbruch in die benachbarte Küche sorgte dafür, dass das Herdfeuer auch die Stube wärmte. Ein paar wenige Talgkerzen sorgten für mattes Licht. Obwohl im Nebenraum gekocht wurde, schien auch hier Rauch in der Luft zu liegen.
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Die letzte Königin
FanfictionAls Prinzessin Gondors genießt Firiel ein privilegiertes, wohl behütetes Leben. Doch als sie an den König des nördlichen Königreiches Arthedain verheiratet wird, ändert sich dies schlagartig. An der Seite eines ihr fremden Mannes reist sie in ein fe...