Sommer 1959 D.Z.
„Liebste Schwester! Endlich komme ich dazu, dir diese Zeilen zu schreiben. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen, dass du so lange keinen Brief mehr von mir erhalten hast. Aber in den letzten Wochen gab es einfach zu viel, dem ich mich widmen musste.
Wie geht es dir, Schwester? Bist du gesund? Ich hoffe, du hast den Rest des Winters, von dem du in deinem letzten Brief berichtet hast, gut überstanden. Aber vermutlich ist es jetzt schon wieder Winter bei euch, mein Brief wird ja mehrere Monate auf Reisen gewesen sein.
Hast du deinen Sohn wieder sehen können? Wie geht es meinem Neffen? Sicher ist er mittlerweile zu einem stattlichen jungen Mann heran gewachsen und versteht das Schwert gut zu führen. Arvedui wird ohne Zweifel stolz auf ihn sein.
Ich erzähle dir nur ungern, Firiel, warum ich momentan in solcher Sorge bin, dass ich dir nicht früher auf deinen Brief antworten konnte. Eigentlich wollte ich dich nicht mit solchen Dingen belasten. Die Wagenfahrer, die wir so viele Jahre zurück halten konnten, werden wieder mutiger. Sie bedrängen uns jetzt äußerst hartnäckig. Vater ist jeden Tag von morgens bis abends nur mit der Verteidigung unseres Landes beschäftigt. Und so bleiben die täglichen Aufgaben des Königs bei mir. Wir planen einen Gegenschlag, denn wir müssen uns wehren. Sonst wird Minas Anor eines Tages noch überrannt. Könntest du deinen Mann bitten, uns weitere Soldaten zu schicken? Es würde unseren Angriff um einiges leichter machen. Bitte, sprich mit Arvedui, wir brauchen dringend seine Hilfe. Ich hasse es, dich darum bitten zu müssen. Für deinen Mann habe ich ebenfalls einen kleinen Brief beigelegt, kannst du diesen mit deiner Bitte unterstützen?
Nun will ich aber von schöneren Dingen schreiben. Erst vor kurzem war ich mit Artamir in einer Hafenstadt im Westen Gondors. Diese Stadt hätte dir gefallen. Lass mich dir davon erzählen...."
Firiel ließ den Brief wieder auf ihren Schoß sinken und sah aus dem Fenster. Wehmütig dachte sie an ihre beiden Brüder, die sie nun schon seit so vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte. Sie vermisste die beiden so sehr.
Sie warf einen kurzen Blick auf das Datum am Kopf des Briefes, er war im Herbst des letzten Jahres geschrieben worden. Mittlerweile schrieben sie das Jahr 1959 des dritten Zeitalters. Firiel sah nachdenklich in die Ferne. In den letzten Jahren hatte sich nur wenig im Alltag der Königin geändert. Ihr Sohn Aranarth lebte noch immer in der Kaserne. Sie hatte ihn bisher immer nur durch Zufall aus der Entfernung zu Gesicht bekommen. Gesprochen hatten sie aber seit Jahren nicht mehr miteinander. Ihre Traurigkeit, dass er nicht mehr bei ihr war, war zwar immer noch da, aber der Schmerz war abgestumpft.
Auch ihre Angst und Unsicherheit hatte sie in den letzten Jahren ein wenig verlassen. Vor Arvedui fürchtete sie sich nur noch selten. Zwar herrschte nach wie vor keine Liebe zwischen ihnen, sondern allerhöchstens eine gegenseitige Duldung, aber sie konnte ihm mittlerweile ohne Panik in die Augen sehen. Endlich fing Firiel an, sich hier in Fornost ein wenig heimisch zu fühlen. Doch sie würde immer das warme Gondor ihrer Kindheit vermissen.
Firiels Blick fiel wieder auf den Brief in ihren Händen. Der Brief war vor fünf Tagen hier eingetroffen. Bisher hatte sie keine Gelegenheit gehabt, mit Faramirs Bitte zu Arvedui zu gehen. Der König war erst heute von einer langen Reise an die Grenzen und Festungen seines Reiches zurück gekehrt.
Seit dem Angriff auf ihre Stadt, der nun bereits wieder einige Jahre zurück lag, war der König fast ständig unterwegs. Die Soldatenanzahl war noch drastischer verstärkt worden und nur mithilfe unzähliger Patrouillen schaffte Arvedui es, einen zerbrechliche Ruhe im Land aufrecht zu halten, zumindest hier im Zentrum von Arthedain. Man hörte immer wieder von Kämpfen an den Grenzen mit erstarkenden Orktruppen. Angeblich schlichen Orks regelmäßig über die Grenzen und wurden von den Soldaten wieder aus dem Land gejagt. Die Bevölkerung war aus den Landstrichen an der Grenze geflohen und drängten in die Städte. Noch waren es nicht zu viele, aber Firiel fürchtete, dass es noch mehr werden könnten. Sie war nach wie vor voller Abneigung, wenn sie durch die Armenviertel der Stadt durchqueren musste. Aber mittlerweile mischte sich auch Mitleid in ihre Gefühle. Diese Menschen hatten kaum mehr als das nackte Leben. Bei einem erneuten Angriff auf Fornost würden sie am meisten leiden. Aber glücklicherweise war es nun schon seit Jahren zu keinem Angriff mehr gekommen. Dafür sorgten Arveduis Soldaten, mit denen er im Land umher zog.
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Die letzte Königin
FanficAls Prinzessin Gondors genießt Firiel ein privilegiertes, wohl behütetes Leben. Doch als sie an den König des nördlichen Königreiches Arthedain verheiratet wird, ändert sich dies schlagartig. An der Seite eines ihr fremden Mannes reist sie in ein fe...