Unter Freunden

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Frühjahr 1937 D.Z.

Gut gelaunt stand Firiel am Fenster ihres Schlafraumes und genoss die frische Frühlingsluft, die herein wehte. Schweigend wartete sie ab, bis ihre beiden Dienerinnen Irvi und Arva, beides Schwestern, ihre besten Kleider auf dem Bett ausgebreitet hatten. Freudig erregt ließ sie ihren Blick über die Kleider gleiten. Welches sollte sie für die heutige Feier nur anziehen?

Ihre beste Freundin Tarlina wurde heute vermählt. Seit Monaten wurde die Vermählung bereits vorbereitet. Und in den letzten Wochen waren die beiden jungen Frauen ganz hibbelig vor Vorfreude gewesen. Tarlina sollte einem jungen Edelmann Gondors gegeben werden. Sie hatte ihn bisher nur wenige Male gesehen, war aber ganz entzückt über seine feine Art und die Komplimente, die er ihr gemacht hatte.

Die Dienerinnen traten respektvoll zurück und Firiel ging an ihr Bett, um sich ihre Auswahl anzuschauen. Nach einigem Überlegen wählte sie ein hellgelbes Kleid mit grünen Stickereien. Sie ließ sich von den Dienerinnen in das Kleid hinein helfen und setzte sich dann an ihren Frisiertisch, um sich die Haare machen zu lassen. Nur schwer konnte sie ihre Ungeduld unter Kontrolle halten. Unruhig schlug sie die Beine übereinander und krallte die Finger in den feinen Stoff ihres Kleides. Ohne ein Wort zu sagen, begannen die zwei Frauen, ihr Haar zu kämmen. Firiel reckte den Hals, um nach draußen sehen zu können. Es war ein wunderschöner Frühlingstag. Draußen schien die Sonne, der Himmel strahlte in hellem Blau. Helles Licht flutete durch die großen Fenster in Firiels Zimmer. Der Duft der Blumen in den Gärten wehte herein und Firiel konnte die Vögel singen hören. Wie würde ihre Freundin wohl aussehen? Und wie der Bräutigam? Welche Speisen würde es geben? Firiels Kopf explodierte schier vor Fragen und Neugier.

Endlich waren die Dienerinnen mit den Haaren fertig. Während eine der beiden schnell den Schmuckkasten holen ging, holte die andere einen zweiten Spiegel, damit Firiel sich betrachten konnte. Langsam hob die Prinzessin den Blick. Ihr sah eine junge Frau mit schmalem, blassen Gesicht entgegen. Lange gerade Nase, Wangengrübchen und hohe Wangenknochen, alles in allem mochte Firiel ihr Gesicht. Ihre grauen Augen strahlten voller Vorfreude, als sie sich musterte. Das hüftlange schwarze Haar der jungen Frau hatten die Dienerinnen in geflochtenen Zöpfen um ihren Kopf gelegt. Erfreut stellte Firiel fest, dass sie passend zum Kleid gelbe Blumen hinein geflochten hatten.

Aus dem Schmuck, den Irvi ihr hinhielt, wählte sie eine schlichte Goldkette. Sie wollte nicht ihre Freundin überbieten. Mit einem dankbaren Nicken an ihre Dienerinnen erhob sie sich. Tarlina hatte ihr und ihren Brüdern eine Sänfte schicken wollen. Es musste mittlerweile Zeit sein. Mit einem Wink entließ sie die zwei Schwestern und ging in den Flur hinaus. Fröhlich vor sich hin summend, schritt sie den Korridor entlang. Sie wollte sich mit ihren Brüdern im Eingangssaal treffen. Nach kurzer Zeit näherte sie sich dem verabredeten Treffpunkt. Eben bog sie um eine Ecke und sah dort ihren Vater stehen. Neben ihm standen zwei Männer, die ihrem Aussehen nach zu urteilen, eben zu Pferde angekommen waren.

„Vater!", rief Firiel erfreut. König Ondoher drehte sich um und ein breites Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Firiel mein Schatz!", rief er und streckte die Hände nach ihr aus. Firiel eilte auf ihren Vater zu. Das einst volle braune Haar des Königs zog sich mittlerweile an den Schläfen zurück. Liebevoll musterte er seine Tochter aus grünen Augen. Mit einem Lächeln umfasste er ihre Hände. „Hast du dich also schon fertig gemacht?", fragte er und besah sie sich von oben nach unten. Firiel grinste breit. „Unsere Sänfte wird bald kommen.", erwiderte sie.

„Du weißt, dass Tarlina und ihr Mann sich sehr geehrt fühlen würden, wenn du dich auf ihrer Feier sehen lassen würdest und ihnen deinen Segen gibst?", fuhr sie mit vorwurfsvollen Blick fort. Ondoher seufzte. „Ich weiß Firiel. Aber ich habe keine Zeit dafür. Du weißt, dass wir in der letzten Zeit an unseren Grenzen vermehrt angegriffen werden. Ich muss mich darum kümmern und habe keine Zeit für Hochzeiten.", wehrte er ab. Firiel brummte missmutig etwas. Politik hatte sie noch nie interessiert. Sie war froh, dass sie nicht wie ihr Vater und ihr ältester Bruder stundenlang sich mit der Regierung dieses Reiches herum schlagen musste. „Diese beiden Herren hier bringen Neuigkeiten von unseren eigenen Grenzen und auch von Arthedain, unserem Verbündeten im Norden. Ich werde meinen Tag wohl mit ihnen verbringen.", sagte der König. Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Es tut mir Leid, Firiel. Ich hätte gerne Zeit mit dir heute verbracht.", fuhr er leise fort. Firiel nickte nur. „Dann wünsche ich dir nicht zu langweilige Stunden.", meinte sie. Ondoher fuhr kurz mit seiner Hand über ihr Gesicht. „Ich hoffe, du amüsierst dich schön.", sagte er.

Die letzte KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt