Arvedui

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Frühjahr 1940 D.Z.

Zusammen mit Vater und Brüdern stand Firiel vor dem Eingang zum Palast. Ihre Augen waren auf eine Staubwolke gerichtet, die sich vor der Stadt erhob. Arvedui und sein Gefolge waren eingetroffen. Am frühen Morgen hatte ein Bote König Ondoher über die nahende Ankunft des Königs aus dem Norden unterrichtet. Seit dem herrschte im Palast rege Betriebsamkeit. Zwar bereitete man schon seit Wochen die Ankunft des Königs und die Hochzeit vor, aber nun kam die Dienerschaft nicht mehr zur Ruhe.

Firiel atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen. Sie hatte schon vor einigen Wochen ihr Schicksal akzeptiert. Das änderte nun jedoch nichts an ihrer Angst und Aufregung. In ein kostbares Kleid aus rotem Stoff gehüllt, mit Schmuck behängt und das schwarze Haar über ihren Rücken fließend, stand sie da und bemühte sich um einen stolzen Gesichtsausdruck. Arveduis Kolonne musste bald das Stadttor erreicht haben.

Sie ließ ihren Blick über den Vorplatz schweifen. Ondoher hatte nicht nur eine große Gruppe Soldaten antreten lassen, um Macht zu demonstrieren. Auch viele Edelleute aus Minas Anor waren gekommen, um Arvedui zu sehen. Hinter ihnen stand die Dienerschaft, die Blicke gesenkt und auf Befehle wartend. Einige wenige von ihnen scharrten mit den Füßen oder streckten sich ein wenig, müde von der langen Arbeit. Leises Getuschel war zu hören. Firiel konnte sehen, wie manche der adeligen Gäste die Köpfe zusammen steckten. Der ein oder andere Blick schoss zu ihr hinüber. Ihr war klar, was die Leute dachten. Sie alle wussten von dem Preis, den Arvedui gefordert hatte. Da erblickte Firiel Tarlina in der Menge, ihre kleine Tochter auf dem Arm. Tarlina winkte ihr fröhlich zu. Mühevoll brachte Firiel ein Lächeln zustande.

Da erklang von der Flussebene herauf Hörnerklang. Dunkel und voll tönte die Fanfare bis zu ihnen. Da antworteten die Trompeten vom Stadttor. Hell und klar erwiderten sie den Gruß der Neuankömmlinge. Vor ihrem inneren Auge stellte sich Firiel vor, wie die Stadttore aufgezogen wurden und Arvedui in die Stadt ritt. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, bis er vor sie treten würde.

Sie konnte spüren, wie ihre Hände anfingen, zu zittern. Nervös schloss sie die Augen. Da legte sich sanft eine Hand in ihren Rücken. Die Prinzessin öffnete die Augen und drehte den Kopf zur Seite. Artamir stand neben ihr und lächelte sie aufmunternd an. Ich bin bei dir, sagte sein Blick. Dankbar erwiderte sie das Lächeln und sah wieder geradeaus. Artamir ließ seine Hand an ihrem Rücken und aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, wie Faramir an ihrer anderen Seite ein wenig näher an sie heran trat.

Das Geräusch von unzähligen Pferdehufen drang zu ihnen. Die Gesandtschaft aus dem Norden näherte sich. Lauter und lauter wurde es. Arvedui musste ein gewaltiges Gefolge mitgenommen haben. Firiels Blick glitt zu dem Ausgang des Tunnels, der die erste Ebene vom Palast trennte. Ein einzelner Reiter bog um die Ecke und erschien in dem Durchgang. Erst war Firiel verwundert, dann erschienen weitere Reiter. Klappernd schlugen die Pferdehufe auf den Boden, als die Reiter auf den Platz hinaus ritten. Vorne weg ritt ein hoch gewachsener Mann auf einem schwarzen Pferd. Hinter ihm kamen Standartenträger und unzählige schwer bewaffnete Soldaten. Der Mann an der Spitze zügelte sein Pferd vor Ondoher und stieg ab. Firiels Augen blieben an dem Mann hängen. Das musste er sein...

Arvedui war riesig. Selbst den hoch gewachsenen Ondoher überragte er mühelos. Und Firiel war sich sicher, dass sie ihm noch nicht einmal bis zur Schulter reichen würde. Der König Arthedains trug im Gegensatz zu seinen schwer gepanzerten Soldaten kaum Rüstung. Sein einziger Schutz war ein auf Hochglanz poliertes Kettenhemd. Darunter trug er dunkle, widerstandsfähige Kleidung aus dickem Stoff. Über seine Schultern hing ein Mantel aus weißem Wolfsfell, das in starkem Kontrast zum schwarzen Fell seines Pferdes stand.

Langsam wanderte Firiels Blick zu Arveduis Gesicht hoch. Ein Großteil des Gesichtes war von einem wilden, blonden Bart bedeckt. Die Prinzessin presste die Lippen zusammen. Hier in Gondor rasierten die Männer ihre Gesichter. Da fiel der Blick Arveduis auf sie. Stechend blaugraue Augen unter buschigen blonden Augenbrauen musterten sie forschend. Mit heftig pochendem Herzen richtete Firiel sich noch ein wenig auf und betrachtete ihrerseits den Mann vor ihr. Arvedui hatte ein kantiges Gesicht, das von einer geraden und langen Nase dominiert wurde. An seinem rechten Mundwinkel war eine Narbe zu sehen. Blondes, lockiges Haar bedeckte den Kopf des Königs. Alles in allem machte er mehr den Eindruck eines grimmigen Kriegers als den eines Edelmannes.

Die letzte KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt