42|Er ist wieder da

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𝙴 𝙽 𝙴 𝚂

Ich wusste etwas stimmte nicht mit ihr. Ich hatte es sofort an ihrem Verhalten gemerkt. Ich rannte so schnell ich konnte aus dem Haus und stieg in mein Auto ein. Damla gab Mert bescheid, er sollte mich dort treffen. Ich brodelte vor Wut. Hunderte Möglichkeiten, etliche Szenarien durchquerten meine Gedanke. Eine schlimmer als die andere.

Wahrscheinlich verstieß ich gerade gerade gegen jede einzelne Verkehrsregel die es gibt, aber es war mir vollkommen egal. Ich fuhr so schnell ich konnte zu Caners Haus und war wutgeladen. Dort angekommen ließ ich das Auto in zweiter Spur stehen. Keine Zeit einen Parkplatz zu suchen. Ich sah schon Mert angerannt kommen. Er rannte zur Tür und klopfte wie verrückt dagegen. Ich lief einmal ums Haus um zu schauen, ob man vielleicht was sehen oder hören konnte.

,,Mach die Tür auf du Bastard!", schrie Mert und klopfte wie Wild gegen die Tür.

,,Geh zur Seite!" Ich verlor die Geduld.
Wir konnten keine Zeit verlieren. Keiner wusste, was da drin vor sich ging. Ich trat gegen die Tür. Mehrere male, so doll ich konnte. Mert kam dazu und half mir. Nach ein paar mal, war die Tür eingetreten und wir rannten sofort ins Haus. Mert nach links , ich nach rechts. Ich schlug jede Zimmertür auf, an der ich vorbei lief. ,,Liya", rief ich nach ihr.

,,Enes! Hier!", hörte ich ihre ängstliche Stimme und stürmte in das Zimmer. Sie war alleine. Gefesselt an einen Stuhl. Ich war überaus schockiert sie so zu sehen.
Schnell lief ich zu ihr und machte sie los. ,,Mert! Ich hab sie!", rief ich.

Ich zog schnell meine Jacke aus und legte sie um sie, bevor er reinkam. Sie war ausgezogen. Nur in Unterwäsche. Ich machte den Reisverschluss schnell zu, damit sie sich nicht noch mehr unwohl fühlen musste. Die Jacke war groß genug, um sie warm zu halten.
,,Bruder keiner ist im Haus", teilte Mert mir aufgewühlt mit, als er das Zimmer betrat. ,,Ach du Scheiße!", kam es aus ihm heraus, als er den Stuhl und die Fesseln bemerkte. ,,Liya, was ist passiert ? Wo ist Caner?", fragte ich sie ernst, doch sie brach in Tränen aus und fiel mir um den Hals. Ich umarmte sie und versuchte sie zu beruhigen, aber sie weinte unkontrollierbar. Ihr Schluchzen wurde immer stärker.

,,Sie.. sie sind... sie sind durch d- die Terassentür raus", schluchzte sie kaum verständlich. Ich sah Mert sofort an und er rannte schon los. ,,Sie?.. Wer sind sie ?", war ich verwirrt. ,,E- Er ist wied- wieder da. M- Momo ist wieder da" Sie weinte immer stärker und umarmte mich immer fester.
Mert kam wieder und schüttelte verzweifelt den Kopf. ,,Keiner da, er ist weg", teilte er uns mit. ,,Enes, können wir bitte gehen. Ich will weg von hier", flehte sie mich schon fast an. Ich sah mich um, fand aber nur ihre Tasche. Ihre Kleidung war nicht aufzufinden. Mert nahm ihre Tasche und ich griff ihr mit einem Arm unter die Beine und mit meinem anderen unter ihren Rücken und hob sie an. Sie krallte sich um meinen Hals und wollte ihr verweintes Gesicht verstecken. Mert sah mich besorgt und verwirrt an und ich schüttelte bloß den Kopf. Wir wussten beide nicht, was hier gerade passiert war. Sie dort so angefesselt zu sehen war  unfassbar schmerzhaft anzusehen. Ich mochte Caner nie, aber so etwas krankes hätte ich noch nicht einmal ihm zugetraut.

,,Bruder, sollten wir nicht lieber die Polizei rufen? Das war ja nicht normal, was da passiert ist..", fragte Mert vorsichtig und hatte auch eigentlich recht. ,,Nein!", rief sie sofort. ,,Vertraut mir, das macht alles schlimmer! Momo ist krank! Ich hab das schonmal versucht und es ist nach hinten losgegangen"
,,Wer ist Momo?", fragte Mert leise. Ich schüttelte einfach leicht den Kopf um ihm zu vermitteln, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, ihm zu erklären wer das ist.

Ich legte Liya im Auto ab und verabschiedete mich von Mert. ,,Danke Bruder, wir reden nochmal" Wir verabschiedeten uns mit einem Handschlag und er nickte verständnisvoll.
,,Danke Mert..", rief Liya schüchtern aus dem Auto und er drehte sich noch kurz um ,,Sag bescheid wenn du was brauchst.. und mach dir keine Sorgen, wie kriegen die beiden!", versicherte er ihr und winkte noch kurz.
Ich stieg zu ihr ins Auto und wusste nicht ganz was ich sagen sollte, weswegen ich einfach meine Klappe hielt. Sie machte sich ganz klein, versteckte sich in meiner großen Jacke und drehte ihren Kopf vor Scham weg von mir.
Ich nahm ihre Füße und legte sie auf mich.
So wie immer. Sie lächelte ganz leicht, war aber immer noch still. Die gesamte Fahrt über kam kein Ton aus ihr.

Angekommen, parkte ich das Auto, suchte die Schlüssel für ihre Haustür aus ihrer Tasche und wir liefen gemeinsam rein. In der Sekunde, in der die Tür hinter uns zu fiel, klammerte sie sich um meinen Hals und fing an schluchzend zu weinen. Ich hätte nie gedacht, dass ich sie jemals weinen sehen würde. Ich umarmte sie fest und versuchte sie zu beruhigen.
Ich war so wütend, dass ich mich sofort los machen und Caner und diesen vollkommen psychopathischen Momo finden wollte, aber sie hielt mich auf

,,Kannst du nicht bitte hier bleiben? Ich will nicht alleine sein..", fragte sie schüchtern und ich konnte es natürlich nicht verneinen. Ich nickte verständnisvoll und sie bedankte sich bestimmt zum fünfzehnten mal bei mir. ,,Die sind bestimmt schon über alle Berge abgehauen", fügte sie hinzu.

Wir liefen gemeinsam zum Sofa. ,,Wir sollten die Polizei verständigen, Aliya"
,,Enes, bitte. Ich bin nicht bereit dafür"
Seufzend setzte ich mich auf das Sofa. Sie legte Kommentarlos ihren Kopf an meine Schulter und wir verweilten für die nächste Zeit in dieser Position. Still schlief sie irgendwann so ein. Mir brannten die Gedanken im Kopf. Noch immer konnte ich nicht fassen, welch grausame Dinge sie erleben musste.
Nach einiger Zeit öffnete sie langsam ihre Augen und richtete sich wieder auf.

Mehrmals versuchte ich das Gespräch über den Vorfall zu suchen.
,,Weisst du was ? Ich hab lust auf einen unserer Dach-Abende .. was sagst du?", versuchte ich sie aufzumuntern, als ich bemerkte, dass es ihr langsam unangenehm wurde darüber zu reden. Sie schaffte es einfach nicht über ihre Gefühle zu reden. Nicht einmal jetzt. Ich glaube die beste Möglichkeit für sie da zu sein, ist es sie abzulenken... solange, bis sie bereit war zu reden.
,,Ist es ok, wenn ich dich kurz alleine lasse? Ich komm mir so ekelhaft vor und würde gerne duschen.. wenn das ok ist", fragte sie vorsichtig.
Ich konnte nicht glauben, dass sie jetzt noch an ihre Gastfreundlichkeit dachte.
,,Geh ruhig, ich schau in der Küche nach Snacks und sowas", teilte ich ihr mit. Besorgt sah ich ihrem noch immer zittrigen Körper hinterher, wie er mühsam versuchte die Treppen hochzulaufen. Die Vorstellung, was alles in ihrem Kopf gerade abgehen musste, war unbegreiflich für mich. Mein schlechtes Gewissen holte mich ein... Ob ich sie hätte schützen können, wenn ich ihr von der Wette erzählt hätte und sie somit von Caner hätte fern halten können?

Ego vs. EgoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt