94| Eine Sternschnuppe, zwei Wünsche

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𝙻 𝙸 𝚈 𝙰

,,Die komische Ex von Enes?" Ihr angewidertes Gesicht verriet mir, wie wenig sie von diesem Angebot überzeugt war. ,,Ich weiß nicht Liya.. Ich kenn die noch von Früher und die war mir nie sympathisch. Außerdem ändert ihre Entschuldigung doch nichts daran, dass sie dir absichtlich heißen Kaffee über den Rücken verschüttet hat", versuchte sie eine gute, beschützerische Freundin zu sein und es mir auszureden.

,,Glaub mir, ich bin auch nicht so der größte Fan von ihr. Es ändert für mich auch nichts, aber für sie. Die Entschuldigung ist nur für ihr Gewissen und wenn ich ihr damit ein wenig mehr Seelenfrieden bieten kann, dann halte ich das auch ein paar Stunden mit ihr aus. Ich hab noch kein Wort wirklich mit der gesprochen, aber sie weiß, dass ich ne Menge schon über sie gehört haben muss. Sie versucht einfach die Kontrolle über ihr eigenes Bild, welches sich durch den Einfluss von anderen in meinem Kopf gebildet hat, zu bekommen. Nichts weiter" So wenig ich mich auch mit dem Gedanken anfreunden konnte mit Leyla irgendwo alleine zu sitzen und zu quatschen so, als wären wir Freunde, wollte ich ihr nicht im Weg  stehen, wenn sie versuchte ihr Gewissen zu bereinigen.

,,Weißt du, du hättest auch einfach sagen können ,ich gebe ihr eine Chance' aber dann wärst du nicht Liya", lachte sie laut auf. ,,Aber jetzt kommen wir mal aber zum Wichtigen", fuhr sie fort und ich konnte schon ahnen in welche Richtung sich dieses Gespräch bewegen würde. ,,Wie bist du in seinem Zimmer gelandet und was lief da?" Breit über ihr rundes Gesicht strahlte sie, während ihre Augen neugierig in mir herum stocherten.

,,Du hattest beide Schlüssel. Ich hab mich ausgesperrt und hatte keine andere Wahl, als zu ihm zu gehen. Einschlafen war nicht geplant... Das war aus Versehen", umging ich alles, was man nur umgehen konnte.

,,Aha", kam es noch immer grinsend von ihr ,,Und deine Klamotten hast du dann in seinem Zimmer, oder auf dem Weg dahin verloren?"

Mein Mund blieb mir weit offen, bis wir beide in ein lautes Gelächter brachen und sie sich dramatisch von links nach rechts warf.
,,Die wurden nass ok? Er hat mir Wechselklamotten gegeben", versuchte ich mich noch immer lachend rauszureden.
,,Nass? Ich bin ein Mädchen. Du kannst mich nicht verarschen. Ich sehe, dass du nicht mal einen BH an hast. Also was hat dich so nass gemacht? Ein Regensturm im Hotel oder was?", spöttelnd zeigte sie mit dem Finger auf mich. Wie hab ich auch gedacht, dass ich damit durchkommen würde?

,,Vielleicht, aber auch nur vielleicht, sind wir ganz kurz, unerlaubt, Nachts in den Pool getaucht", verriet ich ihr und verpackte meine Schüchternheit mit einem albernen Lachen. ,,Du kleines Luder!", schrie sie spöttisch auf und warf mir ein Kissen hinterher, als ich schnell im Badezimmer verschwand, um ein Bad zu nehmen.

,,Aliya?", kroch ihre Stimme zarghaft durch die Stille, nachdem ich wieder aus dem Badezimmer rauskam und meine Haare abgetrocknet hatte. ,,Ja?", fragte ich nichtsahnend. Ich setzte mich vor dem Spiegel hin und holte meine Schminke aus dem kleinen hellblauen Täschchen , in der sie verstaut war, raus.
,,Das mit der Wette hat dich ganz schön verletzt, oder?", sprach sie zurückhaltend. Sie legte sich mit dem Bauch aufs Bett und sah mir durch den Spiegel ins Gesicht. Für einen Moment zögerte meine Hand, bevor ich mit dem Kopf schüttelte und sie wieder zusammen mit dem Puderpinsel im Griff, zu meinen Wangen führte. Mit jedem Härrchen, das über meine Haut streifte, hoffte ich, ein kleines bisschen mehr die Illusion von ebenmäßigerer Haut zu erzeugen, so, wie diese ganzen perfekten Mädchen, mit denen Enes immer rumhängt. ,,Weißt du, dass du ein richtig schwerer Mensch bist?", ertönte ihre ruhige Stimme wieder im stillen Raum.

,,Du bist der tollste Mensch, dem ich begegnet bin und ich bin froh dich mittlerweile meine Beste Freundin nennen zu könne, aber irgendwie ist es unmöglich zu dir hindurch zu dringen. Ich habe das Gefühl, du weisst alles über mich, aber ich absolut nichts über dich. Ich hab' noch nie von dir gehört traurig, verletzt oder bedrückt zu sein und um ehrlich zu sein, habe ich dich in vielen Situationen erlebt, in denen du das hättest sein können. Ich meine.. die gesamte Schule hat dich Tag für Tag runtergemacht und du hast auch nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Stattdessen bist du auf einen Tisch gesprungen und hast dich gegen mehrere hundert Schüler gestellt. Du hast mir nie erzählt was mit deinem Vater ist und jedesmal wimmelst du das Thema gekonnt ab. Diese ganze Sache, mit diesem komischen Stalker Typen, die ich nur durch Mert so flüchtig mitbekommen habe.. die wimmelst du ebenso jedesmal ab. Ich glaube, du hast ein paar mehr Narben, als du es zugeben möchtest.. und das ist auch ok. Du kannst dir ruhig Zeit lassen, wenn du dich mir noch nicht öffnen möchtest, aber wenn es einen Moment gab, in dem ich gesehen hab', dass du verletzt und traurig und bedrückt warst, dann der, als die Bombe mit der Wette geplatzt ist.. und ich frage mich einfach, was es war, dass dieses Mädchen, welches zu unrecht hoch und runter beleidigt wurde und das Tag für Tag trocken hingenommen hat ohne auch nur ein mal die Miene zu verziehen, so sehr beeinflussen kann, dass genau dieses selbe Mädchen einen Stück ihrer Versehrtheit nicht geschafft hat zu verstecken und das wegen einer vergleichsweise viel kleineren Sache..?"

Ego vs. EgoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt