49| Sanft auf meiner Wange

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𝙴 𝙽 𝙴 𝚂

Ich ertrug Liyas miese Laune noch für eine gefühlte, halbe Ewigkeit. Ihre Distanz, ihr abweisendes Verhalten, ihr Gezicke, aber noch länger hielt ich es nicht mehr aus.

Komischerweise hatte ich in meinem Kopf nichts anderes mehr als ihren Namen. Nichts anderes mehr als letzte Nacht und nichts anderes, als irgendwelche vergeblichen Versuche, ihre Aufmerksamkeit wieder für mich zu gewinnen. ,,Guck mal Arda!", zeigte ich staunend auf ein Kinderlabyrinth.

Natürlich begeisterte er sich schnell dafür und wollte unbedingt rauf. Ich hatte nicht umsonst ihn ausgerechnet davon überzeugen wollen.
Es waren nur Kinder in dem Labyrinth erlaubt.. obwohl... wenn ich so drüber nachdenke, würde Popel auch noch als 10 durchkommen.

Er rannte freudig rein und wir warteten unten auf ihn. Einige Momente vergingen und keiner von uns verlor ein Wort. Sie blickte nicht in meine Richtung und hing schon fast gebannt an ihrem Handy.
Ich überlegte einen Moment, zog ihr dann aber einfach das Handy aus der Hand.

Endlich hatte ich ihre Aufmerksamkeit. Auch wenn sie gerade keinen Unterschied zu einem Feuerspeienden Drachen hatte.

,,Reicht für heute", gab ich trocken von mir und steckte ihr Handy in meine Hosentasche. ,,Mit wem schreibst du überhaupt die ganze Zeit ?", hakte ich nach. ,,Kann dir doch egal sein!", zickte sie mich an. Ich hatte nichts anderes erwartet.
Ich lachte kurz auf. Nicht weil ich es witzig fand, sondern vor meiner langsam aufkommenden Wut.

,,Komm mal her du kleine Hexe!", Ich zog sie zu mir und warf meinen Arm um sie.
Vergeblich versuchte sie sich eine Weile aus meinem Griff zu lösen, bis sie keine andere Wahl hatte als aufzugeben.

,,Lass mich los!" ,,Nö."
,,Kannst mit deiner Tara so kuscheln!", fauchte sie mich an und es bildete sich unkontrollierbar ein Grinsen in meinem Gesicht. ,,Ist mein Popel etwa eifersüchtig?", ich kniff ihr freudig in die Wangen und sie versuchte ihr Gesicht wegzuziehen.

,,Uff", ich verlor langsam die Geduld. ,,Ich mags nicht, wenn du nicht lächelst"
Sie wendete genervt ihren Blick von mir ab.
Leicht zog ich ihren Kopf, mit meinem Finger unter ihrem Kinn, wieder in meine Richtung.
,,Du bist richtig hässlich wenn du so guckst"

Unerwartet lachte sie auf einmal los.

,,Endlich. Genauso will ich dich sehen. Die ganze Zeit schon. Was ist los? Hab ich irgendwas falsch gemacht?", fragte ich ruhig.
Ein Schulterzucken war die einzige Antwort, die ich bekam.

,,Hmmm.. ok. Wenn du nicht reden willst, machen wir das so : ein Kuss auf die Wange heisst ja und zwei heissen nein, ok?"
Sie fing wieder an zu lachen. ,,Findest du mich geil?" ,,Ahhh", brach es aus mir heraus, als sie mir einen Schlag mit ihrem Ellenbogen in meinen Bauch verpasste.

,,Ich sagte ein Kuss auf die Wange und nicht ein Schlag in den Bauch, du Hexe... Ich lass' es aber trotzdem als ein ,Ja' gelten.  Ok nächstes Frage: Fandest du gestern Abend schön?" Ich sah grinsend nach vorne, war aber etwas aufgeregt darüber, wie ihre Antwort lauten würde... Außerdem hab ich Schiss um meine Weichteile neben dieser kranken.

Plötzlich spürte ich etwas ganz sanftes auf meiner Wange und mir wurde sofort warm ums Herz. Mein Grinsen wurde stärker, da ich sie noch nie so süß erlebt hatte.

,,Bist du jetzt gemein zu mir, weil ich etwas falsches gemacht habe?", lautete meine nächste Frage. Ich wusste, dass ihre Antwort nein heißen würde. Ich stellte ihr diese Frage nur, weil ich zwei Küsse auf die Wange wollte, anstatt einen... welche ich nach einem kurzen Moment auch bekam. Die zwei süßesten kleinen Küsse, die ich je bekommen hatte.

,,Warum bist du dann so eine Zicke?", schon wieder bekam ich nur ein Schulterzucken.
Ich konnte es ihr auch nicht verübeln.. immerhin war es keine Frage, auf die sie mit ja oder nein antworten konnte.

,,Ist es dir einfach unangenehm?"
Ich spürte noch ein letztes mal ihre weichen Lippen auf meiner Wange. Jedes mal musste sie dafür auf Zehenspitzen und weil das nicht genügte, musste ich mich immer zusätzlich etwas runter bücken.

Ich sah ihr in ihr rot angelaufenes Gesicht und konnte mein weites Lächeln nicht zurück halten.

,,Ok guck.. Du hörst auf so schlecht gelaunt zu sein und solange Arda da ist, darfst du so tun, als wenn nie was war.. als wäre gestern nie passiert ...und heute Abend reden wir über alles. Ok?", bat ich ihr an.

,,Hä? Wo bleibt mein Kuss auf die Wange? Was soll dieses Nicken?"

,,Ok Enes. Übertreibs nicht, bevor ich es mir anders überlege.", sagte sie schon wieder in einem zickigen Ton.. nur diesmal konnte ich ihr dafür nicht böse sein.

Arda kam fröhlich wieder und wir liefen alle gemeinsam weiter, während er uns aufgeregt erzählte, was es im Labyrinth alles zusehen gab. Der restliche Tag verlief zum Glück ohne viel Rumgezicke.

Ich holte beiden Zuckerwatte und hatte das Gefühl, dass Liya sich mehr drüber freute als Arda. Er freute sich viel mehr über den riesigen Fußball, den ich für ihn beim Dosenwerfen gewonnen hatte.

Da wir alle mittlerweile ziemlich erschöpft waren, machten wir eine kleine Pause und die beiden aßen friedlich ihre Zuckerwatte. Ich saß auf einer kleinen Bank, Arda hüpfte noch voller Energie rum und Liya stand vor mir.
Wenn ich nochmal drüber nachdenke.. bin ich glaube ich der Einzige, der erschöpft war.

,,Guck mal! Siehst du den dadrüben?",
nuschelte Liya, noch halb am Essen
und zeigte unauffällig auf einen Jungen, welcher etwas weiter von uns weg stand. Verwirrt sah ich erst ihn an und dann sie fragend. ,,Der ist voll heiß", sagte sie kichernd.

Genervt starrte ich in ihr schadenfrohes Geschicht. Ich griff  kopfschüttelnd in ihre hintere Hosentasche, zog sie zu mir auf meinen Schoß und schlang meinen Arm um sie, damit sie sich nicht lösen konnte. ,,Auuu..Dein Bart pikst!", beschwerte sie sich, weil ich meinen Kopf auf ihrer Schulter abgelegt hatte. Ich drehte mein Gesicht in ihre Richtung, noch immer auf ihr abgestützt und flüsterte ihr zu ,,Gestern hat er dich aber nicht gestört"

Sie blickte aus Verlegenheit still zur Seite. ,,Du hast Zuckerwatte an der Nase, du Popel. Wie kommt das dahin?", bemerkte ich lachend, entfernte die pinke Watte von ihrer Nase und betrachtete ihr schönes Gesicht dabei.

,,Weisst du, dass du dein Lächeln nie vor mir verbergen kannst? Dein Grübchen verrät dich jedes mal"

,,Hey ihr zwei Verliebten!" Riss uns Arda lachend aus unserem Moment und Liya sprang sofort runter von mir.

Kinder wissen echt nicht, wann sie ihre Klappe halten sollten. Ich hab den ganzen Tag versucht ihr Eis zu brechen und gerade wo ich es beinahe schaffte, Quasselt mir dieser kleine Fratz dazwischen.

Ich erkannte mich selbst nicht wieder. Die Aufmerksamkeit oder die Zuneigung einer Person war noch nie zuvor etwas, wonach ich strebte. Es hatte mich nie interessiert. Meine eigenen Gedanken, Gefühle und mein konstantes Verlangen nach ihrer Nähe waren mir mehr als Fremd. Am meisten machte mir zu schaffen, dass ich nicht wusste, was sie dachte.

In einem Moment, schien es mir offensichtlich, in dem anderen ergab plötzlich alles keinen Sinn mehr. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie nichts fühlte...

Ego vs. EgoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt