59| Das Wort, wonach du suchst, nennt sich Sehensucht.

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𝙴 𝙽 𝙴 𝚂

,,Willst du ihr nicht Hallo sagen gehen?", riss mich Serkan aus meinen Gedanken. Ich entfernte nach langem starren meinen Blick von ihr, der wie fest geankert war.
Ich hatte absolut nicht erwartet sie hier zu sehen.
Ich hatte überhaupt nicht erwartet sie jemals wieder zu sehen.

,,Nein. Warum sollte ich ?", erwiderte ich und setzte mich wieder hin.
,,Also, sie sieht jetzt sogar noch heißer aus als damals", bemerkte Serkan.
,,Junge du bist so notgeil" Tolga gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf.
,,Guckt nicht so hin! Ich will nicht, dass sie uns bemerkt und her kommt.", fauchte ich die beiden an.
,,Zu spät", kam es aus Serkan.

,,Sie hat mich gesehen und ist hier in 3, 2, 1..."

Ich spürte eine Präsenz hinter mir aber wollte mich nicht umdrehen. Nach einem kurzen Moment erreichte auch schon ihr Duft meine Nase und ich erkannte ihn sofort wieder. Noch immer der selbe. Ich bereitete mich mental darauf vor, überrascht darüber zu sein, sie zu sehen, wenn ich mich umdrehe.

,,Eneees?", ertönte auch schon ihre Stimme und ich hatte keine andere Wahl mehr als mich umzudrehen.

Sofort fiel sie mir um den Hals und umarmte mich fest. Mehr als überrascht von dieser Reaktion, zögerte ich eine Weile.
Ich hatte mich schon gefragt, wie diese Begrüßung aussehen würde aber damit hab' ich ganz sicher nicht gerechnet. Ich brauchte einen kurzen Moment, bis ich es erwiderte. Nach einer für mich bereits zu langen Umarmung lösten wir uns voneinander und wir sahen uns für eine Weile einfach nur an. Sie strahlte über beiden Ohren.

Ich blickte ihr, nach so langer Zeit wieder ins Gesicht und sah in ihre großen, runden Augen.

Tolgas räuspern unterbrach den Moment der Stille und holte uns wieder zurück zur Realität. ,,Was machst du hier?", fragte ich, noch vollkommen verwundert über die gesamte Situation. ,,Können wir vielleicht woanders hin zum Reden?" Sie sah mich hoffnungsvoll an.

Ich hatte zwar eigentlich keine Lust aber wurde auch gleichzeitig neugierig darüber, was sie mir nach all dieser Zeit noch zu sagen hat. Ich sah die Jungs fragend an, da ich eigentlich mit ihnen hier bin. Serkan schüttelte nur genervt den Kopf aber Tolga gab mir ein Zeichen, dass es ok wäre, wenn ich mit ihr weggehe.

Wir liefen raus und ich hatte das Gefühl, man könnte die Spannung zwischen uns mit einer Schere durchschneiden. Wir hatten so lange kein einziges Wort mehr miteinander geredet und dann steht sie plötzlich vor mir.

,,Wollen wir im Park rumlaufen?", schlug sie leise vor und ich nickte.

,,Also, erzähl, Leyla! Was machst du hier ?"

,,Ich bleibe nur für einige Tage aber ... Ich bin wegen dir hier"
Die Sonne war schon längst untergegangen.
Mehr als die Laternenlichter im Park hatten wir nicht. Wir waren auch so ziemlich die einzigen hier.

,,Woher wusstest du, wo ich bin?" verwirrt sah ich sie an, während wir über eine Wiese schlenderten.
Ab und zu traf uns ein kühler Windstoß und ließ ihre dunkelbraunen Haare gegen meinen Körper wehen.

,,Ich hatte noch Merts Nummer und hab ihn gefragt"
Immer öfter benerkte ich ihre Blicke ganz leicht auf mir. Erwidern tat ich bisher keinen.
,,Und warum bist du wegen mir hier ?", stocherte ich nach. Die Atmosphäre im leeren Park war so ruhig, dass sich unsere Stimmen, der Umgebung anpassten und wir unsere Unterhaltung so leise führten, dass es beinahe geflüstert war.

,,Ich konnte mich nie richtig entschuldigen" Sie hielt mich am Arm fest und brachte mich damit zum stehen.
Amüsiert fing ich an leicht zu lachen und sah dabei auf den Boden.

,,Dafür bist du nicht hier" Ich sah sie noch immer nicht an.

Sie lief zu einer Bank, die genau hinter uns stand und setzte sich hin. ,,Wie früher, fehlt nur noch der Döner" Sie machte eine Geste, die darauf hindeutete, dass ich mich neben sie setzen sollte. Lachend pflanzte ich mich hin und streckte meinen Arm seufzend hinter ihr aus und legte ihn auf der Rückenlehne der Bank ab.

Für einen kurzen Moment sah sie mich schockiert an, da sie erwartet hatte, dass ich ihn auf ihrer Schulter ablassen würde.
Ich wusste natürlich, dass sie das erwarten würde, weswegen ich sie schief angrinste.

Es gibt einige Spielchen, mit denen ich nie aufhören kann.

,,Ich möchte mich wirklich bei dir entschuldigen Enes.", Sie sah mich ernst an und legte ihre Hand dabei auf mein Bein.
,,Es tut mir leid. Es tut mir wirklich sehr leid dir damals sowas furchtbares angetan zu haben und dich so verletzt zu haben"
,,Du hast mich nicht verletzt", unterbrach ich sie.

Skeptisch starrte sie mich an und fing dann kopfschüttelnd an zu lachen ,,Du hast dich kein Stück geändert, oder ?
Ich weiß, dass du nie deine Gefühle mir gegenüber äußern konntest. Wir hatten die ungewöhnlichste Beziehung Enes. Du hast mir ein Jahr lang nicht einmal gesagt, dass du mich liebst"

,,Weil es auch nicht so war." unterbrach ich sie wieder.

,,Ja. Streu noch mehr Salz in die Wunde" Sie brachte ein verletztes kleines Lachen raus.
,,Ich weiß, dass es nicht so war.. aber ich weiß auch, dass ich dir was bedeutet hab und du Gefühle für mich hattest. Bevor du mich jetzt wieder unterbrichst und mir erzählen willst, dass du keine gehabt hättest...Hör bitte einfach zu. Ich bin wirklich hier um mich bei dir ehrlich zu entschuldigen. Aber das ist nicht der einzige Grund.

Enes.. Ich kann gar nicht mehr aufhören, deinen Namen zu sagen.
ich krieg dich nicht aus meinem Kopf. Ich muss immerzu an dich denken. Ich vermisse dich wirklich sehr und ich weiß nicht, was ich mir damit erhofft habe, hierher zu kommen aber..Ich will einfach etwas Zeit mit dir verbringen..und vielleicht von vorne anfangen. Ich hab's nach dir noch mit einigen anderen Jungs versucht aber es wollte einfach nicht klappen. Egal wie perfekt sie waren, es gab immer etwas, was mich einfach so sehr gestört hat an ihnen. Die winzigsten Dinge haben mich einfach angeekelt und das, obwohl das mit uns schon so lange zurück liegt und ich schon so lange nicht mehr mit dir geredet hatte. Ich hab jeden mit dir verglichen Enes, jeden."

,,Warte mal..", unterbrach ich sie wieder, als es mich traf wie ein Stein. Ich bemerkte, dass sie genau das beschrieb, was ich seit Monaten fühlte. Zum ersten mal hatte ich nicht das Gefühl, dass etwas mit mir nicht stimmte.. zum ersten Mal fühlte ich mich verstanden.

,,Das ist wahrscheinlich der schlechteste Moment und du bist wahrscheinlich die ungünstigste Person, die ich jetzt gerade in diesem Moment, über dieses Thema, nach Rat fragen kann aber ... was heißt sowas? Wenn man immer nur an eine Person denkt, obwohl man das gar nicht will.. und wenn man alle anderen mit ihr vergleicht, obwohl man das gar nicht will.. und wenn man bei allen anderen Fehler findet, außer bei ihr...
Obwohl man eigentlich sauer auf diese Person ist und überhaupt nicht an diese Person denken will, weil man eigentlich schon längst keinen Kontakt mehr hat und abgeschlossen haben sollte... was heißt das?", fragte ich sie verzweifelt. Meine eigenen Gedanken haben mich noch nie so sehr verwirrt wie jetzt und ich weiß, dass ich sowas nicht Leyla fragen sollte.. aber sie ist ein Mädchen und Mädchen wissen immer über solche Dinge bescheid..
Abgesehen davon, hat sie vorhin genau das Beschrieben, was ich fühlte.

Sie sah mich mit funkelnden Augen an.
,,Du hattest seit dem auch keine richtige Beziehung mehr, oder ?"

Ich schüttelte den Kopf, war aber leicht verwirrt über ihre Frage...Was spielt das hier aber für eine Rolle?

Die Laterne, welche direkt über uns schien, gab gerade den Geist auf und ich sah nur noch ihre Umrisse. Hoffnungsvoll wartete ich auf eine Antwort von ihr, die mir helfen könnte, meinen Gedankensalat der letzten Monate zu verstehen. Ich muss zugeben, es war sehr egoistisch von mir, sie so etwas zu fragen, während sie eigentlich gerade von ihren Gefühlen, die sie noch für mich empfand, sprach aber ich wusste nicht, woher ich sonst Antworten kriegen könnte.

,,Das Wort, wonach du suchst, nennt sich Sehensucht"

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Wer kennt noch Leyla? (Kapitel 43)

Übrigens lag jeder von euch falsch hehehe

Ego vs. EgoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt