69| Weil unser Hoch so hoch war, war unser Tief umso tiefer

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,,Ich hab' eine Frage", fing Amir an.

Wir saßen hier schon eine Weile und hatten eine Menge geredet.

,,Alles in diesem Haus und sogar auf diesem Dach ist farblich aufeinander abgestimmt. Alles ist weiß, gold oder Schwarz", fuhr er fort und ich sah ihn irritiert an, da ich nicht so ganz wusste, worauf er hinaus wollte.

,,Außer dieses grüne, unförmige Kissen, worauf du sitzt"
,,Oh", kam es aus mir heraus und ich lachte hell auf. ,,Ja.. das .. war ein Geschenk", teilte ich ihm mit, als ich einen Moment auf das Kissen sah. ,,Es soll einen Popel darstellen"
Er sah mich verdutzt an. ,,Einen Popel?"
,,Ja.. Es gab mal jemanden, der mich immer so genannt hat und dann.. hat er mir dieses Kissen geschenkt" ein leichtes, angestrengtes Lächeln  bildete sich auf meinen Lippen.

,,Der Typ aus dem Café? Wie war gleich sein Name ?" Sofort wusste er, wer gemeint war.
Ich atmete schwer auf, bevor ich mit dem selben Lächeln ,,Enes" antwortete.

,,Ich hoffe, dir ist klar, dass der voll auf dich abfährt" Ich gab ihm einen kleinen Schlag mit meinem Ellenbogen und lachte belustigt auf.
Kopfschüttelnd verniente ich seine sinnlose Aussage. ,,Und ich hoffe, dir ist auch klar, dass du voll auf ihn stehst"

Schlagartig drehte ich meinen Kopf, mit einem entsetzten, beinahe angewiderten Blick in seine Richtung. ,,Brauchst gar nicht so zu gucken", lachte er auf. ,, Ich hab' eure Blicke im Café gesehen. Ich weiß nicht, aber.. ihr habt ne krasse Spannung zwischen euch. Wart ihr mal zusammen oder so?"

Er stellte die abscheulichste Frage.

,,Natürlich nicht", kam es aus mir rausgeschossen. ,,Was dann?"
,,Wir waren...", ich pausierte und seufzte ,,Sagen wir einfach.... Beste Freunde...oder so"

Ich sah sofort wieder Bilder aus der Kammer vor meinen Augen, als ich das sagte und konnte mir mein Schmunzeln nicht unterdrücken.

,,Und wieso seid ihr es jetzt nicht mehr ?"
,,Ehm..." ich überlegte, obwohl ich den Grund ganz genau wusste. ,,Ich hab unnötig rumgezickt und dann haben wir uns gestritten und seit dem gehen wir getrennte Wege", log ich.

Ich war sauer auf Enes. Unfassbar sauer und unfassbar verletzt darüber, dass ich eine Wette für ihn war. Als ich das rausgefunden hatte, kam mir jede einzelne Erinnerung und jeder einzelne Moment, den wir geteilt hatten in meine Gedanken und ich wusste nicht, wo er aufgehört hatte ehrlich zu sein und angefangen hatte, mich als eine Wette zu sehen. Ich könnte nie wissen, welche Worte wahr waren und welche nur dahin gerotzt, um eine bescheuerte Wette gewinnen zu können.
Auch wenn er sagt, er hätte sie abgeblasen, wusste er die ganzen Zeit über, was Caners Intentionen waren und hat nicht einmal mit der Wahrheit rausgerückt.

Ich hatte noch nie so eine große Enttäuschung gespürt wie bei ihm. Weil unser Hoch so hoch war, war unser Tief umso tiefer. Doch ich war sauer. Ich war wütend. Ich war verletzt.
Das hatte nichts mit jemand anderem zutun. Ich könnte es nicht übers Herz bringen, seine Fehler jemand anderem offen zu legen. Ich könnte es nicht ertragen und auch nicht zulassen, dass jemand danach sich das Recht nimmt über ihn zu urteilen oder sogar schlecht über ihn zu reden. Er hat einen Fehler gemacht, aber dafür werde ich ihn nicht vor anderen Menschen klein machen. Den Fehler hat er bei mir gemacht. Deswegen geht der auch nur mich etwas an und hat keinen Einfluss auf jemand anderen. Es war alles andere als richtig von mir... aber ich brachte es einfach nicht anders übers Herz.

Deswegen log ich Amir an und nahm die Schuld eher auf mich.

,,Ich sollte langsam los, Popel."
Bitte nicht noch so jemand.

Wir standen auf und gingen gemeinsam runter, als ich ihn zur Tür begleiten wollte. ,,Bevor ich losgehe...Wo ist eure Toilette ?", fragte er mich und ich zeigte sie ihm.

Ego vs. EgoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt