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• Jungkook PoV •
„Ugh!",entkam es mir erneut voller Druck in der Brust, als ich bereits das hundertste Mal gegen den Boxsack einschlug. Meine Bandagen rissen mir mittlerweile an den Knöcheln meiner Fäuste ein, die sowieso voller Narben versehrt waren.

Ohne lange darauf zu warten, verpasste ich dem schweren Gewicht erneut mehrere Schläge, wobei ich meine Last etwas abarbeitete. Schließlich würde man nicht jeden Tag mal so erfahren, dass die eigene Mutter dich zurückgelassen hatte, als sie bemerkte, ihren Sohn nicht mehr retten zu können.

„Das ist doch verrückt.",raunte ich leise zu mir selber, was sich wahrscheinlich eher zu einer Konversation mit meinen Gedankenzügen entwickelte. Ob ich das nun realisieren konnte, was Taehyung mir erzählte, wusste ich auch nach Wochen des Gespräches noch nicht. Dennoch schien ich wie auf den Boden der Tatsachen zurückgezogen, sobald ich mich im Spiegel erblickte und die saphirblaue Kette meiner Mutter an mir sah.

Das Bild von ihr hing an meiner Wand, wo ich ab und zu hinschielte, um mir selber weiß zu machen, dass ich das alles nicht träumte. Es fühlte sich in letzter Instanz einfach nur ätzend an.

Auch mit meinem Vater sprach ich noch nicht darüber. Er würde sowieso alles verneinen. Fragen, woher ich diese Informationen alle her habe und mich anschließend bei sich einsperren, damit ich nicht auf die Idee käme, meine Mutter kennenzulernen.

Das Thema mit der Abschließung meines Kriminellseins würde ich erst garantiert nicht ansprechen. Es würde alles den Bach runtergehen, und dann würde man Taehyung erstmal schlachten und anschließend mich.

Ich war mir aber selber noch gar nicht sicher, ob es eine gute Idee war mit dem Ganzen aufzuhören. Schließlich tat ich dies jetzt nun seit vielen Jahren, womit es zugleich zu einer Angewohnheit aber auch teilweise Leidenschaft wurde. Ich mochte das Adrenalin, welches durch meinen Körper strömte, wenn ich auf der Flucht war. Diese Unabhängigkeit und das Leben für mich allein.

Taehyung war letztendlich derjenige, der mir zeigte, wie einsam und abgeschotten ich lebte. Durch seine unerwartete Nähe über die Monaten merkte ich erst, dass das Alleinleben auf dem Weg, wie ich es tat, nicht gesund für mich war.
Sei es die körperliche oder emotionale Zuneigung, die er mir so problemlos schenkte: Beides hatte extreme Auswirkungen auf das Bild meiner eigenen Lebensweise & mich generell gehabt.

Es fühlte sich beinahe so an, als hätte ich vieles „realisiert", was ich ohne Taehyungs Präsenz wohl nie herausgefunden hätte, weil ich eigentlich nie jemanden an mich ranließ.

Seufzend hockte ich mich vor meinen Boxsack hin, während ich mir mit den zittrigen Händen über das Gesicht strich. Irgendwie wurde das alles etwas viel aufeinmal, weshalb ich mich erstmals unwohl fühlte.

Der Gedanke, dass ich morgen mit Taehyung auch noch nach Busan fahren würde, um meine Mutter und Schwestern zu treffen, machte mich ziemlich verrückt. Ich konnte einfach nicht still bleiben, weshalb ich seit Stunden schon trainierte. Dementsprechend taten mir meine Fäuste mit der Zeit etwas weh.

Als ich meinen erschöpften Blick an die leere Wand richtete, überkamen mich die ganzen Erinnerungen an meiner Kindheit. Die Zeit, wo ich noch eine ganz „normale" Familie hatte. Zwei Eltern, die sich liebten. Zwei Schwestern, die mich immer nervten, aber für denen ich immer der große und starke Bruder war.

Wenn sie mir bei all meinen Wettkämpfen zuschauten und mich am lautesten anfeuerten oder wenn wir nachmittags zusammen ein Eis essen waren. Es waren so simple Erinnerungen, die letztendlich das unkontrollierte Beben meiner Brust verursachten, als ich die Tränen wieder hochkommen spürte.

Würde ich sie morgen alle wirklich wieder sehen? Und was würde ich denn sagen, wenn wir uns wieder gegenüber voneinander stehen?

Forbidden Soulmates • TaeKookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt