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,,Was?" ich traute mich fast gar nicht nachzufragen.
,,Ich habe Blaise gestern Abend gehört. Er wollte mit dir prahlen, dass er dich rumgekriegt hätte. Sich dafür feiern lassen." antwortete er.
Meine Atmung fiel mir immer schwerer. Mein Herz sprang beinah aus meiner Brust heraus.
,,Ich wollte dich keine Schlampe nennen. Auch wenn du mit ihm geschlafen hättest." er kam ein Schritt näher. ,,Ich hatte kein Recht dazu dich so zu nennen."
Ich sah ihn an. Tränen in meinen Augen, eine leichte Röte im Gesicht.
,,Danke." hauchte ich kaum hörbar. ,,Jetzt sag mir den wahren Grund, warum du hier bist. Bei mir. Wieso nicht bei Pansy? Mein Zimmer ist doch frei." sprach ich ironisch und nahm wieder auf der Bank platz.

,,Wir streiten." er setzte sich zu mir. ,,Immer und überall. Wenn wir uns in euer Zimmer verziehen, dann um zu streiten. Ich schlafe nicht mit ihr, der Schein trügt."
,,Was? Wirklich?" Ich war erstaunt, erschrocken. Erleichtert?
,,Ja."
,,Das tut mir leid."
Er sah mir in meine Augen. Wie sehr hatte ich diese Blicke vermisst.
,,Ich habe mich von ihr getrennt. Vor zwei Stunden. Ich brauche jemanden der mich unterstützt und für mich da ist. So wie du es warst." sprach er.
Ich errötete, bekam einen schnellen Herzschlag.

,,Wieso sagst du das, Draco? Du hast mich wie das Letzte behandelt. Mich beleidigt, mich gedemütigt. Wieso-"
,,Weil ich Angst hatte!" unterbrach er mich wütend. Ich erschrak. Verwundert über seine Worte. Verletzt über seine Emotionen.
,,Wovor?"
,,Diese Gespräche zwischen uns, diese Blicke." er zögerte kurz. ,,Ich war über ein Jahr mit Pansy zusammen. Doch noch nie hatte ich solche Gefühle für jemanden, wie für dich. Du bist die erste Person, der ich vertrauen kann. Die erste Person, die mich nicht angesehen hat, als wäre ich ein Monster. Du bist einfach die einzige Person, die in mir einen guten Menschen sieht."
,,Draco-"
,,Ich hatte noch nie solche Gefühle für Jemanden. Und genau das macht mir Angst." Er stand auf, ging ein wenig aufgebracht hin und her.
,,Aber wieso-"
,,Weil du mich nicht kennst. Ich bin kein guter Mensch. Ich bin gebrochen. Würde dir mehr Schmerz als Freude zufügen. So wie auch in den letzten Wochen."

,,Mein Vater hat mich jahrelang versteckt gehalten, mich verleugnet. Er schlug mich, in seinen Augen war ich eine Schande. Vor 3 Jahren ermordete er meine Mutter, meine Tante und ihren Mann. Vor meinen Augen. Ich war 12. Er verschwand, ich sah Ihn nie wieder."
Draco sah erschrocken zu mir, setzte sich schließlich neben mich.
,,Menschen sind gebrochen, Draco. Jeder hat eine Last, ein Geheimnis mit sich zu tragen. Du, ebenso wie ich. Doch stoß die Menschen nicht von dir ab, die gut für dich sind. Die dir helfen, dich trösten, sich Sorgen um dich machen."
Ich stand auf. ,,Denk über meine Worte nach, Draco." Ich ging.

Hatte Draco etwa die selben Gefühle wie ich? Auch er sah da etwas. Diese Blicke, dieses Kribbeln. Ich mag ihn nicht und dennoch kann ich nicht aufhören an ihn zu denken. Er ist ein Arschloch und trotzdem hat er mein Interesse geweckt. Es ergibt alles keinen Sinn.
Seit unserem Gespräch waren bereits vier Stunden vergangen. Zum Abendessen ging ich nicht, mir war nicht danach. Ich genoss die Ruhe. Ein Zimmer für mich. Ohne Pansy.
Es klopfte an der Tür. Es war nur noch eine Stunde bis zur Nachtruhe.

Ich öffnete.
,,Darf ich rein kommen?"
Draco stand vor mir. Niedergeschlagen. Betrübt.
,,Natürlich." hauchte ich und ließ ihn eintreten. Ich schloss die Tür.
,,Ich habe über deine Worte nachgedacht." flüsterte er und sah nervös zu mir.
,,Und?"
,,Ich mag es, dass du gebrochen bist. Genau so wie ich. Vielleicht macht mich das zu einem Arsch, doch ich mag es, dass du einsam bist. So einsam wie ich..." er kam näher. ,,Wir könnten ja vielleicht gemeinsam einsam sein. Irgendwie."
,,Und genau jetzt, bist du du, Draco." lächelte ich ein wenig. Er erwiderte es. Es war der erste schöne Moment seit langem.

,,Kriegsbeil begraben?"
,,Ja." hauchte ich. Ich ging auf Ihn zu, nahm ihn in den Arm. Das erste Mal. Es fühlte sich richtig an, ich hörte auf mein Bauchgefühl. Auf mein Herz.
Er hingegen blieb regungslos. Ich sah zu Ihm hoch.
,,Ist alles in Ordnung, entschuldige wenn ich dich überrumpelt ha-"
,,Ich wurde noch nie umarmt." unterbrach er mich.
,,Was? Wie-"
,,Noch nie von meinen Eltern. Noch nie von Pansy." unterbrach er mich erneut.

Wie viel Leid kann ein Mensch ertragen bevor er daran kaputt gehen wird? Ohne jegliche Liebe aufwachsen. Ohne jemals Liebe zu erfahren. Er war eine gebrochene Seele. Er wusste nicht was falsch war. Was richtig. Er kannte es nicht anders.
Fassunglos über diese Aussage, nahm ich Ihn umso mehr in den Arm.

,,Leg deine Arme um mich Draco und schließ deine Augen." flüsterte ich.
Er folgte meinen Worten. Vorsichtig umschlossen seine Arme meinen Körper. Ich lehnte mich an seine Brust an. Es war still. Sein Herzschlag war das einzige was ich wahrnehmen konnte.
,,Wie fühlt es sich an?"
,,Als wäre ich sicher." antwortete er leise.
Ich sah zu Ihm hoch, er zu mir runter.
,,Du bist bei mir sicher, Draco. Du kannst mir vertrauen."
Er lächelte. Wir ließen langsam wieder voneinander ab, setzten uns auf mein Bett und redeten. Wir redeten einfach nur.

,,Und keiner weiß über deine Familie Bescheid?"
,,Nein. Ich habe es nie jemanden gesagt. Professor Dumbledore und Professor Snape sind die einzigen Personen die es wissen. Und jetzt auch du." antwortete ich.
,,Wieso genau die Beiden?" hakte er erstaunt nach.
,,Naja, Professor Dumbledore lehrte meine Eltern, kannte sie bereits seit ihrer Schulzeit. Er hat mich nach Hogwarts geholt, er zahlt die Gebühren." ich lächelte. ,,Er ist wirklich unglaublich, ich werde für immer in seiner Schuld stehen."
,,Und wieso Snape?"
,,Er war der beste Freund meines Vaters. Sie lernten sich in der Schulzeit kenne, waren beide in Slytherin. Mein Vater machte ihn zu meinem Paten."
Erschrocken sah er mich an. Irgendwie irritiert.
,,Snape ist dein Pate?"
,,Ja. Ich habe nicht sonderlich viel mit ihm zu tun, aber-"
,,Er ist auch mein Pate." antwortete er ein wenig ungläubig.
Wir sahen uns beide irritiert an.
,,Und schon haben wir eine Gemeinsamkeit gefunden" lachte ich.

,,Bevor ich gehe, möchte ich dir noch etwas schenken." sagte er nervös. Es war kurz vor der Nachtruhe, wir standen bereits an der Tür. Aus der Innenseite seiner Robe zog er ein kleines, gebundenes Buch hervor. Er überreichte es mir.
,,Was ist das?" Ich sah es mir genauer an. Es war ein Buch aus braunem Leder, einige Gebrauchsspuren waren zu erkennen.
,,Das ist das Buch, das meine Geschichte erzählt. Meine wahre Geschichte. Jedes Mal, wenn ich nachdenklich, traurig oder gebrochen war, habe ich meine Gefühle, Ängste und Emotionen dort niedergeschrieben, denn offen zeigen durfte ich sie nicht. Ich möchte, dass du es bekommst."

Fear of LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt