Kapitel 59

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Harry

Nachdem ich Draco Zimmer verlassen hatte, ging ich in den Hof und setzte mich auf die Bank. Es war ein schöner, aber kalter Wintertag. Die Sonne schien und die weißen Wolken flogen über den blauen Himmel.
Nachdenklich sah ich auf das Buch in meiner Hand. Ich hatte es mir für meinen Aufsatz in Wahrsagen ausgeliehen. Es handelte von Sternen-Konstellationen. Als Draco mir das Buch gab, konnte ich sehen, dass er meinen Ring noch immer trug. Die Augen leuchteten weiß.
Seufzend legte ich das Buch neben mich auf die Bank und sah zum See runter. Überrascht stellte ich fest, dass Draco dort war. Ich hatte nicht gemerkt, dass er den Weg runter gegangen war.
Immer wieder lief er am Ufer entlang. An einem Gewissen Punkt drehte er dann um und lief zurück.
Sagte er wirklich die Wahrheit? Erinnerte er sich an nichts? War es nur eine blöde Aktion von der eifersüchtigen Pansy? Noch nie war ich mir so unsicher was ich glauben sollte. Sonst konnte ich mir bei allem eine Meinung bilden und die Menschen einschätzen.
Draco konnte ich auch einschätzen. Und er würde so etwas nicht machen. Der neue Draco zumindest nicht. Aber er war auch die einzige Person, die mir so weh tun konnte. Vielleicht fiel es mir deshalb so schwer zu glauben, dass es stimmte. Es hatte mich verletzt dieses Bild zu sehen. Aber er würde mich nicht anlügen.
In den letzten Monaten hatte ich starke Gefühle für ihn entwickelt. Ich malte mir eine gemeinsame Zukunft aus. Ein halbes Jahr durch ganz Europa reisen. Erfahrungen und Erinnerungen sammeln. Sollte das jetzt vorbei sein?
Er vermisste mich. Und ich ihn erst. Ihn die ganze Woche zu ignorieren war nicht leicht, aber ich war wütend. Wütend auf alles und jeden. Wütend, dass es jemanden gab, der mich so verletzten konnte. Aber wenn man jemanden so liebte, wie ich ihn liebte, dann konnte man auch so verletzt werden.
Ich sah Draco zu wie er verschiedene Übungen am See machte. Normalerweise trainierten wir zusammen.
Meistens trug er seine schwarze Hose und sein grünes Shirt. So wie jetzt. Es stand ihm unglaublich gut. Nach dem Sport standen seine Haare wirr vom Kopf und die Wangen waren rot. Jedesmal wenn ich ihn ansah, lächelte er. Auch wenn ich ihn zum Sport überreden musste, kam er immer mit. Er ließ es sich niemals nehmen mir vor dem Unterricht noch einen schnellen Kuss zu geben. Auch wenn er zum Unterricht rennen musste. Wenn wir uns mal nicht so oft sahen, hinterließ er mir immer auf irgendeine Weise eine Nachricht. Jeden Tag fragte er Anna, wie es mir ging. Wahrscheinlich dachte er ich würde es nicht merken, aber ich tat es.
Seufzend senkte ich den Blick. Er würde diese solche Sachen nicht machen, wenn er mich nicht lieben würde. Und wenn er mich so liebte, hatte er vertrauen verdient. Er hatte mich noch nie angelogen. Warum sollte er es jetzt tun? Er würde unsere Beziehung nicht aufs Spiel setzen, um mit Pansy zu knutschen. Er stand ja nichtmal auf Frauen. Es machte einfach keinen Sinn.
Mein Herz fühlte sich schwer an. Die Leichtigkeit war verschwunden. Dieses Gefühl, dass ich jedesmal hatte, wenn ich bei ihm war. Ich vermisste es. Ich vermisste ihn.
Entschlossen stand ich auf und ging rein.
Nachdem ich etliche Stufen hochgerannt war, kam ich endlich am Ravenclaw-Gemeinschaftsraum an. Durch Zufall kam gerade ein kleiner Junge raus. Ein Zweitklässler. Er wollte nachsehen, ob Anna im Gemeinschaftsraum war.
Erschöpft ließ ich mich gegen das Geländer der Treppe fallen.
„Harry."
„Hey.", gab ich zurück und nahm sie in den Arm. Meinen Kopf vergrub ich in ihrem Hals.
„Was ist los?", fragte sie besorgt und strich mir über den Rücken.
„Ich muss mit dir sprechen...."
„Okay.", flüsterte sie.
Nachdem sie sich von mir löste gingen wir schweigend zum Astronomieturm rauf. Lange war ich nicht mehr dort. Draco wollte ich es nicht antun hier wieder her zu kommen. Schließlich war es der Ort seiner Alpträume. Dennoch war es wunderschön hier oben. Man hatte das Gefühl in die ganze Welt sehen zu können.
Anna setzte sich an die Wand und deutete mit der linken Hand an, dass ich mich zu ihr setzen sollte.
„Also. Was gibts?", fragte sie schließlich.
„Ich war bei Draco."
„Echt?"
Sie sah mich überrascht an, aber ich starrte nur weiter in den blauen Himmel.
„Was hat er dir über den Abend gesagt?"
Bis jetzt hatte ich mit Anna noch nicht darüber gesprochen. Ich wusste, dass sie trotzdem noch Zeit mit Draco verbrachte. Anfangs war ich wütend, aber die beiden waren immerhin befreundet. Deshalb konnte ich nicht wütend auf sie sein. Das wäre ihr gegenüber nicht fair.
„Er kam zu mir am Sonntag und hat mir erzählt, dass er keine Ahnung hat was passiert ist. Er wollte zurück zur Schule und danach war wohl alles weg....", erklärte sie ruhig.
Genau das selbe hatte er mir auch erzählt.
„Er war am Sonntag noch bei Madame Pomfrey und hat sich untersuchen lassen."
„Was?". Das wusste ich noch nicht.
„Ja. Er hat gefragt, ob man Flüche oder Zaubertränke feststellen kann. Aber konnte sie nicht. Sie hat aber auch gesagt, dass man es nicht mehr unbedingt nachweisen kann nach so langer Zeit.... Und er hat mit Pansy gesprochen. Sie behauptet immer noch, dass er angefangen hätte..."
Er hatte sich untersuchen lassen, um zu beweisen, dass er es nicht war....
„Was denkst du darüber?", fragte ich schließlich.
„Ist das wichtig? Harry, er liebt dich und du liebst ihn.... Er hat jeden Tag nach dir gefragt. Ob es dir gut geht. Den Umständen entsprechend. Ob du auch wirklich zu Dr. Maynard gehst. Ob deine Depressionen wieder schlimmer werden. Ob du genug isst. Er macht sich Sorgen."
Sie sah mir ernst in die Augen.
„Menschen machen auch Fehler, obwohl sie lieben.", sagte ich bitter.
„Denkst du wirklich, dass er mit IHR rum machen wollte? Seit Anfang des Jahren verbringt er schon kaum Zeit mit ihr und dann würde er dich so betrügen?", sagte sie schon fast aufgebracht. Sie hatte recht. Er würde es nicht tun.
Seufzend stand Anna auf und lehnte sich an das Geländer.
„Harry, was fühlst du?", fragte sie mit dem Blick auf den See.
„Ich habe keine Ahnung."
„Falsche Antwort. Nochmal. Was fühlst du, wenn du an ihn denkst?"
Ohne darüber nachzudenken sprach ich es aus.
„Glück. Leichtigkeit. Freude....".
„Na siehst du.", bemerkte Anna.
„Was soll ich denn machen?", fragte ich verzweifelt und stand auf.
„Du kommst da schon selbst drauf."
Ich lehnte mich zu ihr ans Geländer und folgte ihrem Blick. Draco. Er saß unten am See. Vielleicht stand er auch. Das konnte ich nicht so genau erkennen, von hier oben. Jedenfalls bewegte er sich nicht.
Ich musste zu ihm. Ich musste ihm sagen, dass ich ihn liebte. Ich musste ihm vertrauen, dass er die Wahrheit sagte.
Ruckartig nahm ich Anna in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
„Danke!"
Ohne auf eine Antwort zu warten lief ich die Treppen runter. Es dauerte, bis ich endlich auf dem Hof ankam und den Weg runter rennen konnte. Von weitem konnte ich erkennen, dass er noch immer alleine am Ufer saß. Wie immer standen seine Haare wirr vom Kopf ab.
Ich verlangsamte meinen Schritt, jedoch wurde mein Herz immer schneller. Meine Wangen glühten und der Atem ging schnell.
Als der Kies unter meinen Füßen knirschte, drehte sich Draco erschrocken um. Schnell stand er auf und sah mir verwundert an. Seine grauen Augen strahlten Unsicherheit aus. Mein Blick fiel kurz auf seinen Ring, der mittlerweile wieder grün leuchtete.
Ohne etwas zu sagen, nahm ich sein Gesicht in die Hände und küsste ihn. Dieses vertraute warme Gefühl breitete sich augenblicklich in mir aus. Für einen Moment zögerte er, bis er schließlich seine Arme um meine Hüfte legte und den Kuss erwiderte.
Langsam ging ich einen Schritt zurück und sah ihm wieder in die Augen.
„Es tut mir leid.", sagte ich leise.
„Was?", fragte er verwirrt.
„Ich hätte mit dir reden sollen. Dir glauben sollen.", erklärte ich. Im Nachhinein schämte ich mich für meine Reaktion beim Frühstück.
„Du brauchst dich für nichts zu entschuldigen, Harry. Wer weiß wie ich in so einer Situation reagiert hätte..."
Ich nahm seine rechte Hand und hob sie hoch. Mit einem Blick deutete ich an, dass er ihn sich ansehen sollte. Nachdenklich sah er auf seine Hand.
„Ich liebe dich auch.", sagte er schließlich und nahm mich nochmal in den Arm. „Ich bin froh, dich wieder umarmen zu können."
„Dray...", sagte ich leise und löste mich von ihm.
„Was?", fragte er besorgt. Ich drehte mich zum See und ließ mich auf den kalten Kies fallen. Draco direkt neben mich.
„Mir ist etwas klar geworden.", begann ich und sah zu ihm rüber. „Du bist die einzige Person auf dieser Welt, die mich so verletzen kann... Weil ich dich liebe."
Einen Moment dachte er über meine Worte nach, bis er antwortete.
„Niemals...."
„Versprochen?"
„Versprochen!", gab er mit einem leichten grinsen zurück.

After war of WizardsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt