Drei Worte

6.7K 345 35
                                    

Tief durchatmen. Ganz ruhig, Melanie. Okay, was mache ich mir hier eigentlich vor?
Ich bin NICHT ruhig.

"Verdammte Scheiße, Nick! Jetzt FAHR doch endlich!!!", kreische ich hysterisch.

"Melanie, ich fahr schon 30km/h zu schnell. Willst du, dass ich meinen Führerschein weggenommen krieg?!", gibt Nick genervt zurück. An uns rasen Bäume vorbei, aber wir sind nicht schnell genug. Wir werden ihn verpassen.

"Ich zahl dir jeden Strafzettel zurück!", entgegne ich schnippisch.

"Ach ja und machst du auch meinen Führerschein nochmal für mich?"

Ich rolle schnaubend mit den Augen. War ja klar, dass Nick sich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Es geht hier ja auch nicht um mein zukünftiges Glück oder so.
Nervös wippe ich mit meinem Fuß.

"Hör auf damit, K. Du machst mich auch noch ganz hektisch.", kommentiert Nick es ungerührt.

Ich seufze herzzereißend, aber der Geschwindigkeitszeiger bleibt, wo er ist.
Dann schließe ich die Augen und versuche, mich zu beruhigen. Ich weiß echt nicht, wann ich das letzte Mal so aufgeregt war.

Quietschend macht Nick eine 180-Grad Drehung und parkt ein.
"Na dann los!" Erwartungsvoll schaut er mich an.
Ich kann mich nicht rühren. Erstarrt klammere ich mich an meinem Sitz fest.

"K?" Nick wedelt vor meinem Gesicht herum. "Ist alles klar? Du bist ganz grün im Gesicht."

"Ich kann nicht.", murmele ich. Was mache ich hier überhaupt? Das komplette Klischee leben? Ich kann doch jetzt nicht im Ernst Alex eine Flughafenszene machen.

"Was redest du da?! Ich hab jetzt nicht umsonst meinen Führerschein riskiert! Du gehst da jetzt raus!"

"Lass uns bitte einfach umdrehen und alles vergessen.", flehe ich ihn an.

"Du wirst da jetzt rausgehen und dir dein verdammtes Happy End holen!"

"Das ist es ja! Wer sagt denn, dass das mein Happy End wird? Wer sagt denn, dass er mich nicht wieder betrügt oder dass es klappt?"

"Melanie DaKeinan! Du willst mir jetzt nicht erzählen, dass du feige kneifst anstatt es einfach durchzuziehen? So hätte ich dich wirklich nicht eingeschätzt! Du musst dich mal fallen lassen, jemandem vertrauen! Also los!"

Nick schubst mich schon fast aus dem Auto und ich laufe mechanisch los, renne schon fast. Nick hat recht. Wenn ich das jetzt nicht mache, werde ich es mein Leben lang bereuen.

Zum Glück kenne ich mich als viel Reisende gut am Heathrow Airport aus. Endlich zahlt sich das mal aus. Bemüht schlängele ich mich durch die dutzenden Personenreihen, die mir natürlich alle im Weg stehen. Der Personenschwarm lichtet sich etwas je näher ich zu der Anzeigetafel komme. Keuchend zwänge ich mich an einer jungen Familie vorbei und da ist sie:
Groß und unübersichtlich hängt sie mitten in dem riesigen Saal.

21:21 Manchester Airport ~ London Heathrow Airport ~ abgeflogen

blinkt es mir unerbittlich und stetig entgegen.
Das wars also. Jetzt erst merke ich, dass ich die Luft angehalten hatte, die jetzt mit einem Mal entweicht, sodass ich zusammensacke.
Ich setze mich auf die Bank vor der Anzeigetafel und vergrabe meinen Kopf in meinen Händen. Ich habs also doch verbockt. Vielleicht war das ja doch Schicksal, es sollte wohl doch nicht sein.
Trotzdem - ich bin gerade einfach nur enttäuscht und will ins Bett und mich ausheulen. Ich werde ihn nicht wieder sehen. Selbst wenn ich ihm schreiben würde, es wäre nicht das Gleiche.
Ich habe ihn gehen lassen.
Alles meine Schuld. Meine verdammte Schuld.

"Mel?"

Blind blinzle ich die Tränen weg und schaue hoch. Mein Tränenschleier lichtet sich langsam und vor mir steht er. Er sieht aus, als hätte er eine Nacht durchgemacht: tiefe Augenringe liegen unter seinen honigfarbenen Augen und seine Haare sind unordentlich zerstrubbelt. Es juckt mir in den Fingern, sie gerade zu streichen.

"Alex? Aber - dein Flugzeug um 21 Uhr -", stammele ich ungläubig und blicke von der Anzeigetafel zu Alex und wieder zurück.

"Mein Flug geht um 22:06. Welchen Flug meinst du?" Er blickt mich nicht an.

Ich beiße mir auf die Lippe und schaue an ihm vorbei auf die Anzeigetafel. Ich bin ja wohl so behindert! Der Flug um 21:21 geht von Manchester aus. Ich bin einfach zu blöd, um eine einfache Anzeigetafel zu lesen.
Und jetzt denkt Alex bestimmt, ich bin nicht total gestört.

"Mel?", fragt Alex rau und holt mich aus meinen Gedanken.

"Ja?" Mein Herz klopft mir bis zum Hals und ich bin mir unsicher, was ich ihm sagen soll.
Als ich schließlich zu ihm hochsehe, ist schlagartig jede Unsicherheit verschwunden.

"Alex.", sage ich und mache einen Schritt auf ihn zu. In diesem Augenblick will ich ihn einfach nur noch umarmen und dass alles vergessen ist. Aber er weicht abwehrend einen Schritt zurück und blickt mich verletzt an.

"Bist du gekommen, um dich von mir zu verabschieden und zu sagen, was für ein Parasit ich doch bin?", fragt er leise und weicht meinem Blick aus. Wieso hab ich das nur gesagt?

"Nein, Alex.", sage ich verzweifelt und merke wie meine Stimme zittrig wird. Sein Gesichtsausdruck bricht mir das Herz. Wie mache ich ihm das jetzt nur begreiflich?

Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal so kitschig sein würde.
Aber am Ende reichen doch nur drei Worte:
"Ich liebe dich, Alex."

Alex blickt mich einen Moment lang an und als er merkt, dass ich es Ernst meine, huscht ein ungläubiges Lächeln über sein Gesicht.
Ich lächle zurück und seine Augen strahlen mich förmlich an.

Dieselben Augen, in die ich mich schon bei unserem buchstäblichen Zusammentreffen verliebt habe.

Und ich lasse mich fallen.

--------------------------------------
Meine Lieben,
So langsam kommen wir zu einem Ende... :(
Aber nicht traurig sein, es folgt in den nächsten Tagen noch ein Epilog, in dem ihr etwas über die Zukunft von Melanie und Alex erfahren werdet ;)
Ich kann es echt kaum glauben...!!!

xxxxxxxx Junemaya

Der Neue *abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt