Kapitel 1: Eine schreckliche Begegnung

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Es war dunkel und kalt als Severus von einem weiteren Todessertreffen zurück nach Hogwarts kam.
Der Knall, der beim Apparieren entstand, hallte über die ruhigen Ländereien, irgendwo in der unmittelbaren Nähe bekundete ein Uhu sein Unbehagen über die Störung zu dieser späten Stunde.

Der Cruciatus steckte ihm noch in den Knochen, der Dunkle Lord war, wie so oft während der letzten Treffen, ungehalten gewesen, hatte alles und jeden für etwas bestraft, was niemand der Anwesenden in der Hand hatte.
Er würde sie früher oder später in seiner Wut umbringen, dessen war sich Severus sicher, aber dann wäre das ganze Spiel endlich vorbei.
Er würde die Belastung nicht mehr aushalten müssen, nicht mehr ständig wachsam sein, nicht mehr lügen und spionieren, nicht mehr eine unbezahlbare Schuld versuche zu begleichen.
Er wäre endlich frei und so sehr er sich vor dem Tod fürchtete, so sehr sehnte er sich auch nach der Erlösung.

Abgelenkt von seinen eigenen morbiden Gedanken betrat er das Schloss, nach diesem vermaledeiten Treffen hatte er unbequemer Weise auch noch Aufsicht.
Er hatte den alten Mann für verrückt erklärt und ihn gewarnt, dass eine Menge Hauspunkte abgezogen, wenn er jemanden erwischen würde.
Dumbledore ließ sich von seiner Drohung nicht im geringsten aus der Fassung bringen, er hatte in den letzten Wochen andere Gedanken gehütet, war beinahe schon gefesselt und vollkommen eingenommen von einer anderen Sache, die natürlich wieder etwas mit dem Wunderjungen Potter zu tun hatte.

Wütend rannte er mit wehendem Umhang und gezückten Zauberstab durch die dunklen Gänge des Schlosses, er hoffte, für die Gesundheit der Schüler, dass er niemanden finden würde, obwohl er dann seinen Frust loswerden könnte.
Gerade als er scharf um eine Ecke bog, hörte er schnelle Schritt, die in dieselbe Richtung liefen, „Stehen bleiben!", bellte er.
Der recht zierliche Körper in einiger Entfernung vor ihm fror auf der Stelle ein, drehte sich dann langsam um, vielleicht ist heute doch mein Glückstag, dachte er zynisch.
Ausgerechnet die Musterschülerin der Gryffindors Hermine Granger schlich sich gerade aus der Bibliothek, sah ihn an als hätte sie einen Geist gesehen.
„Auf die Erklärung bin ich gespannt", zischte er böse lächelnd, näherte sich ihr schnell und erkannte eine tiefsitzende Panik in ihren Augen, mehr Panik als sonst.
Todesangst, um genau zu sein, so hatte sie ihn noch nie angesehen.

Sie zog in Sekundenschnelle ihren Zauberstab und attackierte ihn mit einem nonverbalen Zauber, den er um ein Haar nicht abwehren konnte und ihn ziemlich ins Strudeln brachte.
„Granger!", er versuchte sie zu entwaffnen, aber sie konnte ihn zu seinem Erstaunen abwehren, verwandelte den Boden vor ihm in einen rutschigen Schleim und rannte dann weg, als wäre der Dunkle Lord persönlich hinter ihr her.
Mit einem Schwenker seines Zauberstabs war der Boden wieder schleimfrei, er rannte hinterher, nahm einen Geheimgang und kam vor ihr in einem anderen Gang wieder heraus, konnte sie nach einer kurzen Verfolgung schnappen, entwaffnen und ungehalten an die Wand schleudern, was sie mit weiterer Panik und einem Keuchen hinnahm.
Sie versuchte sich mit allen Mitteln von ihm zu befreien, geriet immer weiter in Angst und Schrecken, das konnte er ganz deutlich in ihren Augen lesen.

„Lassen Sie mich gehen", schrie sie, schlug und kratzte ihn, versuchte ihn von sich zu schubsen, schlug ihm sogar ins Gesicht.
Die Wucht des Schlags wurde durch etwas gedämpft, was er völlig vergessen hatte: seine Todessermaske.
Kein Wunder, dass sie sich so verhält, sie denkt du bist einer von ihnen..., ich bin einer von ihnen..., „hör auf zu schreien du dummes Mädchen", giftete er, drang mit seinem Blick tief in ihre Augen, versuchte sie so ein wenig zu beruhigen, was ihm nur mäßig gelang, „ich werde dir nichts tun.", was sie nicht wirklich zu interessieren schien.
Er zauberte sie stumm, hielt ihr zusätzlich noch die Hand auf den Mund, „hör mir zu!", fordert er streng, „Dir passiert nichts! Wir sind auf derselben Seite, verstehst du das?"

Hermine hatte das Gefühl ihr Kopf würde explodieren, jetzt da ihre Stimme verstummt war und nicht einmal ihre Gedanken schrien, prasselte alles auf sie ein, Tränen rannen über ihre Wange, tropften auf die fremde Hand an ihrem Mund.
„Hör auf zu weinen", meinte er unbeholfen, löste langsam seine Hand von ihrem Mund und strich ihr noch unbeholfener die Tränen von der Wange, fixierte sie mit diesen schwarzen Augen, die sie wie ein schwarzes Loch aufzufressen schienen.
Diese Augen, sie näherte sich diesem gefährlichen Mann immer weiter, seine Augen waren ein Mysterium, welches ihr auf eine unangenehme weise sehr bekannt vorkam.
„Du gehst jetzt auf schnellstem Weg in deinen Gemeinschaftsraum und du wirst niemandem von dieser Begegnung erzählen, hast du mich verstanden?", er musterte sie mit aufmerksamen Augen, sein restliches Gesicht war versteckt.
Sie nickte leicht, nahm einen tiefen Atemzug, Severus gab ihr langsam ihren Zauberstab wieder, löste die Stummschaltung und nickte leicht.
„Wer sind Sie?", fragte sie gehaucht, klammerte sich an ihren Zauberstab, als würde ihr Leben davon abhängen, was vermutlich auch der Fall war.
„Geh.", seine Stimme, die sowieso schon verzerrt war, wurde noch eine Oktave tiefer.
Sie sah ihn noch einmal an, ging dann langsam rückwärts, ließ den Mann im Todesser-Outfit nicht aus den Augen und rannte dann wie der Wind zum Gryffindorgemeinschaftsraum, als sie hinter in einen anderen Gang bog.

Kaum war sie außer Sichtweite ließ er die angehaltene Luft aus seiner Lunge entweichen, lehnte die verhüllte Stirn an die Steinmauer, wie konntest du vergessen deine Maske abzulegen Severus?
Er hätte sich selbst verhexen können, wo waren seine Gedanken gewesen?
Hätte er nicht Granger gefunden sondern Potter wäre das Ganze vermutlich nicht so glimpflich abgelaufen, sie war lenkbar, vertraute auf das Gute in Menschen, was auch der Grund war, weshalb sie ihm überhaupt zugehört hatte und er setzte seine ganze Hoffnung darin, dass sie nichts von der wahnsinnigen Begegnung erzählen würde, ansonsten müsste er ihr die Erinnerung daran nehmen, warum er das nicht von Anfang an in Erwägung gezogen hatte, war ihm schleierhaft.
Er sah sich prüfend um, von einem weiteren Schüler gesehen zu werden konnte er sich nicht erlauben. Dass Granger ihn gesehen hatte, würde er Albus sagen müssen, eine weitere Sache, auf die er gerne verzichtet hätte, zog sich dann mit einem Zauberstabschwenker die Maske vom Gesicht, wechselte die Robe mit seiner Alltagsrobe, führte dann mit noch schlechterer Laune seine Aufsicht fort.

Hermine war mittlerweile an ihren Räumen angekommen, nuschelte mit einem pochenden Herzen das Passwort und sprang beinahe durch die Tür nur, um dann in einem Affentempo ins Badezimmer zu rennen, sich umzuziehen und in ihr Bett zu springen.

Sie konnte sich nur schlecht beruhigen, was war das gerade?
Ein Todesser in Hogwarts?
Ein Todesser, der sie einfach so gehen ließ?
Ein Todesser, der auf ihrer Seite stand, auf der guten Seite?
Der ihr nichts tun würde?
Mach dich nicht lächerlich, Todesser können nicht gut sein... vielleicht ist das ein perfides Spiel... aber wer würde in das Schloss kommen? Es ist durch Schutzzauber gesichert. Wenn Harry recht hat und Draco zu den Todessern gewechselt ist... aber Dracos Augen sind grau... hellgrau... diese Augen waren Schwarz, vermutlich wie seine Seele...., sie schluckte, sie hatte Glück im Unglück gehabt.
Sie zog die Decke über ihren Kopf, verdrängte die Tränen, die sich wieder einen Weg bahnen wollten und versuchte zu schlafen, was in wirren Träumen endete und ihr die Erholung des Schlafes raubten.

*

Mit einem panischen „NEIN!", wachte sie am nächsten Morgen auf, saß, schnelle Atemzüge nehmend, kerzengerade im Bett, sie war noch nie so froh über einen eigenen Schlafraum zu verfügen, wie jetzt.
Nur langsam beruhigte sie sich, erinnerte sich immer wieder daran, dass sie sicher in ihren vier Wänden in ihrem Bett saß und ihr nichts passieren würde.

Nachdem ihr Herz wieder einen normalen Rhythmus angeschlagen hatte, stand sie auf, lief mit einer leichten, Nervosität-bedingten, Übelkeit ins Bad und versuchte sich, soweit es ihr möglich war, auf den kommenden Tag vorzubereiten.
Sie zog sich schnell aus, stieg in ihre Dusche und wusch den Schreckensschweiß von sich, versuchte ihre Gedanken auf ein anderes Thema zu fokussieren.
Das heiße Wasser tat ihrem angespannten Körper nach dieser Nacht gut, sie schäumte ihre Haare ein, wusch ihren Körper, wickelte sich dann, als alles abgewaschen war, in ein Handtuch und machte sich daran ihre Locken zu trocknen und in Form zu bringen.
Als sie getrocknet, angezogen und bereit war den Gemeinschaftsraum zu betreten, nahm sie ihre Tasche und ihren Umhang und schlüpfte durch eine kleine Verbindung in den Gryffindorgemeinschaftsraum, in dem schon wieder reges Treiben herrschte.
Ginny sah Hermine, die schon wieder in ihren Überlegungen gefangen war, zuerst und begrüßte sie mit einem skeptischen Blick.

„Alles in Ordnung?", fragte sie besorgt, Hermine sah so aus, als wäre sie von einer Herde Hippogreif überrannt worden.
Verwirrt sah sie zu ihrer Freundin, schüttelte leicht den Kopf, „ich... hatte einfach nur einen merkwürdigen Traum.", sie dachte an die Begegnung in der Nacht, konnte das wirklich passiert sein?
Sie hatte vermutlich nur geträumt, wie wahrscheinlich war es, dass irgendein Todesser durch Hogwarts spaziert, ausgerechnet auf sie trifft und sie tröstet?
Sie erinnerte sich an seine Berührungen, er hatte sie erst hart gegen die Wand gedrückt, sie hatte seine Wut und seinen Zorn gespürt, dann hatte sich etwas an ihm verändert.
Er hatte ihre Angst gespürt, er hatte sie getröstet, auf sie eingeredet und ihr versichert, dass er ihr nichts tun würde, er hatte sogar die Tränen von ihrer Wange gestrichen.
Würde ein grausamer Mörder und Verräter so etwas machen?

Er hat mich angesprochen... er wusste wer ich bin..., das konnte nicht in Wirklichkeit passiert sein, sie musste es geträumt haben.
Ginny hatte sie die ganze Zeit über gemustert, konnte ihr förmlich beim fieberhaften Nachdenken zusehen, „kommst du denn gleich mit zum Frühstück?"
„Mhm... ja, ich hol noch eben meine Sachen...", meinte sie fahrig, suchte hilflos im Gemeinschaftsraum umher.
„Meinst du die Sachen, die du in der Hand hast?", Ginny zeigte auf die Tasche, Hermine sah fragend an sich herunter, sah dann beschämt wieder hoch und nickte, „Das war wohl ein wirklich sehr merkwürdiger Traum..."
„Der merkwürdigste, den ich je hatte...", stimmte Hermine zu, strich sich fahrig über das Gesicht, wurde dann von Harry abgelenkt.

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