Kapitel 76: Eine von uns

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In den vorherigen Bildern war ihr nie aufgefallen, dass das Mädchen mit den roten Haaren grüne Augen hatte, aber in diesem letzten sah sie es ganz deutlich, strahlend grüne Augen und einen Blick, der sie mit einer inneren Wärme füllte.
Verwirrt sah sie auf, die Gedanken sprangen wie wild durch ihren Geist, sie sah erneut auf das Foto und stockte, als es ihr wie Schuppen von den Augen fiel.

Severus hatte sich in das Wohnzimmer geflüchtet, das Handtuch hatte er magisch gegen einen Pyjama getauscht, er war nicht darauf vorbereitet gewesen Hermine die Wahrheit über seine Verbindung zu Lily zu erzählen, er hatte nicht damit gerechnet, dass diese eigentlich schönen Erinnerungen wieder aufkämen und ihn derart ins Straucheln brachten.
Warum hatte er nur so eine Angst davor die Wahrheit zu sagen?
Es konnte wohl kaum daran liegen, dass es ein weiteres gelüftetes Geheimnis wäre, oder?
Sie wusste schon so viel von ihm und über ihn, dass es im Grunde keine Rolle mehr spielte, sollte er meinen.
Aber trotzdem war da eine Art von Furcht in ihm, vielleicht war es die Sorge, wie sie darauf reagieren würden, wenn sie irgendwann einmal herausfände, dass Severus seine langjährige beste Freundin verraten hatte, die Frau verraten hatte, von der er so lange Zeit überzeugt war, dass sie die Liebe seines Lebens war, für die er sein Leben beinahe komplett aufgab und nur einen Befehl, eine unentschuldbare Schuld versuchte wieder gutzumachen.
Es war die Sorge, was sie dann, wenn sie es wüsste, über ihn denken würde.
Was sie sagen würde, wenn sie seine größte Schuld erfahren würde.
So vollkommen in den Gedanken vertieft bemerkte er gar nicht, wie viele Minuten verstrichen, bis eine sanfte Stimme ihn wieder ins Hier und Jetzt zog.

„Es ist Lily...", sagte sie leise, musterte ihn, wie er immer noch angespannt auf dem Sessel saß und sein Hirn zermarterte, „Harrys Mutter, oder?"
Severus senkte den Blick, Lily im Zusammenhang mit Harry und Mutter zu hören erzeugte immer noch einen faden Beigeschmack in ihm.
„Oder?", wiederholte sie fordernd.
„Ja", er nickte, nahm einen tiefen Atemzug, „das ist Lily."
Hermine seufzte, besah sich das Foto und dann ihn, legte den Kopf schief und ging vorsichtig zu ihm, setzte sich genauso vorsichtig auf die Lehne des Sessels und schob das Bild langsam in sein Blickfeld, „ich wusste nicht, dass du sie kanntest... ich meine, ich wusste, dass ihr im selben Jahrgang wart... aber ihr wart Freunde.."
Er schnaubte, „kaum zu glauben, was? Lily Evans, Gryffindormusterschülerin, Vertrauensschülerin mit mir... befreundet...", schnaubte erneut abfällig, „zumindest bis zum fünften Schuljahr... wenn es nach Potter und Black gegangen wäre, wäre diese Freundschaft schon im ersten Schuljahr erloschen."
Es fühlt sich für Hermine irgendwie merkwürdig an zu wissen, dass Harrys Mutter und Severus in ihrer Kindheit miteinander befreundet waren, es schien überhaupt nicht zusammen zu passen, auch wenn die Bilder etwas völlig anderes bewiesen.
„Wo habt ihr euch kennengelernt?"
„Die Evans sind hier hin gezogen als ich ungefähr sieben Jahre alt war... die erste Zeit hab ich es vermieden mit ihr zu spielen... ihre große Schwester Petunia war wie eine Anstandsdame... sie hat sie nie aus den Augen gelassen und schon als Kind hatte sie diese anklagende und abwertende Art an sich. Schon damals war sie stolz auf ihre ‚perfekte Normalität'... dabei war sie einfach nur sterbenslangweilig.", Petunia hatte wirklich nichts von der Leichtigkeit ihrer Schwester, schon damals war ihm klar, dass sie eifersüchtig war, auf alles, was Lily ausmachte, ihre Schönheit, ihre Herzlichkeit, ihre Intelligenz, ihr Können und vor allem ihre magischen Kräfte, auch wenn weder Lily noch Petunia davon etwas wissen wollten, Lily war einfach zu gut, sowohl für ihre Schwester, als auch für Severus und vor allem für James Potter.

„Ich habe den Eindruck, dass du nicht viel für Harrys Tante übrig hast", bemerkte Hermine schmunzelnd, versuchte die verbissene Stimmung ein wenig aufzulockern.
„Genauso viel, wie sie für mich übrig hatte", bestätigte Severus, sah, nach einem tiefen Atemzug, das erste Mal zu ihr, „entschuldige... ich erinnere mich nicht gerne an diese Zeit.", auch wenn er das aus völlig anderen Gründen nicht tat, als Hermine dachte.
Sie streichelte über seine Schulter, „ich wollte dir nicht zu nahe treten... ich fand die Bilder nur so schön. Es ist so interessant für mich mehr über dich zu erfahren... ich hoffe, du nimmst mir das nicht übel."
„Das hätte mir durchaus bewusst sein müssen, du bist nun einmal ein furchtbar neugieriger Mensch...", ein trauriges, schuldbewusstes Lächeln huschte über seine Lippen, nicht nur, weil er sie vorhin so angegangen war, sondern weil er ihr wieder nicht die ganze Wahrheit sagte, aber das würde er niemals können.
„Nur bei Sachen, die mich wirklich interessieren", verteidigte sie sich schmunzelnd.
„Ich interessiere dich also wirklich", zog dabei eine Augenbraue hoch.
„Über die Maßen", stimmte sie flüsternd zu, näherte sich langsam seinem Gesicht und gab ihm einen langen, aber vorsichtigen Kuss, den er gerne erwiderte.
„Kommst du wieder mit nach oben?", fragte Hermine, als sie sich langsam von ihm löste.
Er nickte lächelnd, sah nochmal auf das Bild in ihrer Hand, „ich weiß, du würdest nie etwas sagen... aber-"
„Harry wird davon nichts erfahren", versprach sie aufrichtig, gab ihm das Bild zurück, „komm", nahm seine Hand und nickte in Richtung Treppe.

Schein und Sein Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt