Kapitel 30: Aussteiger

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Sie entschied sich dazu nicht aufzustehen.
Sie wollte niemanden mehr sehen, der nicht er war und er kannte ihr Passwort.
Wenn er es wirklich war, dann konnte er auch ohne ihre Hilfe hineinkommen.
Mit diesen Gedanken richtete sie den Blick wieder auf ihr Buch, ein weiteres Klopfen ließ sie Grinsen, sie war in dem Punkt offenbar genauso stur wie er. Sie wartete auf ein drittes Klopfen, versuchte sich auf die Zeilen zu konzentrieren, als eine dunkle verstellte Stimme sie aufschreckte, „warum machst du nicht auf?"
„Weil du mein Passwort kennst.", sie grinste leicht, klappte ihr Buch zu, „Ich möchte, dass du es auch benutzt."
Er schnaubte, „du spielst mit unfairen Mitteln...", meinte er, entlockte ihr damit einen ‚ist-das-dein-Ernst'-Blick, sie schüttelte leicht den Kopf, ließ sich dann vom Bett gleiten und ging zu ihm.

„Darf ich dich umarmen?", fragte sie herzlich, als könnte sie kein Wässerchen trügen.
„Warum fragst du?"
„Ich dachte diese Nähe ist vielleicht zu... naiv für dich.", sie schenkte ihm einen vielsagenden Blick, machte ihm damit mehr als deutlich, dass er wirklich ein wenig überzogen reagiert hatte.
„Ja...", er seufzte leicht, „zu gestern... ich... wollte eigentlich nicht so sein... das... das war alles sehr viel und offenbar sind da die Pferde mit mir durchgegangen.", stammelte er.
„Ist das eine Entschuldigung?", Hermine legte den Kopf schief, überbrückte dann den Abstand zwischen sich und legte die Arme um ihn, das Kinn an seiner Brust suchte sie seinen Blick.
Er nahm einen tiefen Atemzug, streichelte über ihre Wange und ihren Nacken, konnte sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen, was sie natürlich nicht sah.
Sie war ganz anders als er sich immer eingeredet hatte, so offen und liebevoll, mit einer aufkeimenden ironischen und sarkastischen Ader, die ihm sehr zusagte.

„Bleibst du heute ein wenig länger?", sie hätte gerne die gestrige Nacht wiederholt, mit dem Zusatz, dass er bei ihr blieb.
„Ein wenig", er nickte, sie hörte das Schmunzeln in seiner Stimme, lachte ebenfalls.
„Dann komm", sie löste sich ein wenig von ihm, nahm seine Hand, ging rückwärts zu ihrem Bett und zog ihn mit sich, was er mit einem leichten Kopfschütteln kommentierte.
Er dachte gestern, dass sie es heute bereuen würde, dass die Scham und das schlechte Gewissen, dass sie einfach mit einem ihr unbekannten Mann, noch dazu einem Todesser, geschlafen hatte, überwiegen würde, aber auch in dem Punkt hatte er sich getäuscht.

„Hermine... kann ich dich etwas fragen?", er musste es einfach aus ihrem Mund hören, wollte ihre Sicht der Dinge.
Sie krabbelte gerade auf das Bett, klopfte auf ihre linke Seite, damit er sich neben sie legen würde, „du kannst mich alles fragen", sagte sie dabei, lächelte glücklich, als er sich neben sie legte.
Sie schmuste sich vorsichtig an ihn, nahm den wunderbaren Duft auf, der von ihm ausstrahlte, legte eine Hand auf seinen Bauch und zog kleine Kreise auf seiner Robe.
„Hat es dir gefallen?", er war leise, als wollte er, dass sie seine Frage nicht verstand.
Sie stützte sich auf ihrem Ellenbogen ab, musterte ihn mit einem beinahe schon skeptischen Blick, er räusperte sich, „oder... bereust du es?"
Sie musste sich ein Loslachen verkneifen, „du hast Angst, dass ich... diese grandiose und überwältigende Nacht bereue?"
„Tust du es?", wiederholte er angespannt, er wusste nicht, ob sie ihn gerade auf den Arm nahm oder wirklich so darüber dachte.

Hermine zog die Augenbrauen zusammen, schüttelte dabei den Kopf, „nein, natürlich nicht.", ihre Finger krallten sich in den Stoff über seiner Brust, „Wie kommst du auf die Idee?"
Er sagte nichts, sah sie ein wenig beschämt an, „egal was in deinem Kopf umherspukt... ich glaube das war die beste Nacht meines Lebens und ich würde es jederzeit wiederholen, das hab ich gestern schon gesagt.", versicherte sie ihm, hoffte so die Unsicherheiten auszuschalten.
„Ich bin fast 20 Jahre älter... ein Todesser...", er schüttelte wieder den Kopf, als wäre er von sich selbst furchtbar enttäuscht.
„Auf alten Schiffen lernt man Segeln", meinte sie trocken, sein Kopf ruckte zu ihr, „so sagt man bei den Muggeln... vielleicht bereust du es ja. Immerhin hast du mit einem Schlammblut geschlafen."
Als er ‚Schlammblut' hörte zuckte er zusammen, „benutz dieses Wort nicht.", forderte er streng, er wusste welche Auswirkungen das Benutzen dieses Schimpfwortes haben konnte und die Geschichte sollte sich in dem Punkt nicht wiederholen.

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