Kapitel 29: Selbstmitleid

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Flitwick sah das nahende Unheil heraufziehen, wollte sich nicht weiter in diese Diskussion einmischen, auch wenn es ihn verwunderte, dass gerade Severus Snape blumig roch, sein üblicher Duft war eher kräuterlich und herb.
Severus schenkte ihr einen bitterbösen Blick, „vielleicht habe ich mich in Ihrem Gewächshaus vergnügt.", säuselte er bedrohlich, beugte sich ein wenig zu ihr, er liebte es einfach sie in ihre Schranken zu weisen und zu schockieren.
Skeptisch drehte sie sich wieder zu ihm, „oder glauben Sie, dass ich mir Duschgel geholt habe, was nach Blumen stinkt?", schob er nach.
„So etwas würden Sie nicht machen, Severus...", redete sie sich und ihm ein, schüttelte den Kopf, diese Annahme war lächerlich.
Ein süffisantes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, „wenn Sie meinen... Sie müssen es ja wissen", strich sich dann gespielt nachdenklich über die Brust, knöpfte den obersten Teil seiner Robe auf, was Sprout mit größer werdenden Augen verfolgte, schob seine Hand in die Robe, strich über den Bauch und zog eine herbeigezauberte kleine Blume heraus, roch an ihr und legte sie dann neben Pomonas Teller, knöpfte seine Robe wieder zu.

Als er die alte Hexe neben sich betrachtete, hätte er laut loslachen können, natürlich war er ein wenig über das Ziel hinausgeschossen, aber so wäre er sie für eine Weile los.
Geschockt und angeekelt stand Sprout auf, verließ hektisch den Tisch und suchte den Weg in ihre Gewächshäuser, um das Ausmaß seiner Verwüstung zu begutachten.
Severus Grinsen ebbte ein wenig ab, als McGonagall ihm einen strengen Blick zuwarf, sie hatte zwar nicht genau mitbekommen, was zwischen den beiden vorgefallen war, aber dass Pomona den Tisch so schnell verlassen hatte und Severus nun so grinste, konnte nichts Gutes bedeuten.
Er wandte den Blick ab, sah wieder auf seinen Teller, bis er McGonagalls Blick nicht mehr auf sich spürte, sah dann wieder zu Hermine, sie stocherte verträumt in ihrem Rührei umher, ihr Gesicht verriet nicht, ob die Gedanken gut oder schlecht waren, ob sie sich gerne an die vergangene Nacht erinnerte, oder nicht.
Für Severus würde der Vorfall gestern unvergesslich sein, das Schönste, was er seit langer Zeit erlebt hatte, auch wenn sein schlechtes Gewissen, seitdem er in der Nacht in seinen Räumen angekommen war, unaufhörlich bohrte.
Er fragte sich, ob er in den vergangenen 20 Jahren schlimmere Sachen getan hatte und da fielen ihm, wenn er ehrlich war, eine ganze Menge ein, aber nichts davon hatte je eine solche Auswirkung gehabt, wie das, was er mit Hermine erlebt hatte.
Er hatte ihr nicht wehgetan, das würde er, seit er sie wirklich kannte, nie wieder wollen, nicht wirklich, nicht einmal mehr mit Worten, auch wenn es hier und da immer noch passierte.
Aber das große Problem, was die ganze Zeit über im Raum stand und immer wieder einen faden Beigeschmack hinterließ, war die Tatsache, dass er sie im Dunkeln ließ über seine wahre Identität, ihr vielleicht vorspielte jemand zu sein, der er niemals sein konnte, sein würde?
Hatte er vielleicht nicht nur sie belogen sondern vor allem auch sich selbst?
Sich vorgemacht, dass er besser sein könnte als er war, so gut, dass er ebenso wertvoll war, wie sie, oder zumindest in diese Richtung kam?

Er presste die Kiefer aufeinander, wandte den Blick vom Gryffindortisch ab, enttäuscht von sich selbst, nicht nur davon enttäuscht, dass er so weit über die Stränge geschlagen war, sondern vor allem, dass er sich jede Art von Glück so sehr zerdachte, dass am Ende nichts mehr als Zweifeln blieben.
Zweifel, die wieder und wieder Löcher in seine Seele fraßen.
Es reicht!, zischte er sich selbst zu, wie er es hasste in Selbstmitleid zu versinken und rumzujammern wie ein kleines Kind.
Er war ein erwachsener Mann, der mit den Konsequenzen seiner Taten zu leben hatte und genau das würde er tun.

Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob er sich, verließ still und heimlich den Lehrertisch und lief schnell in seine Privaträume, verpasste dabei nur knapp Professor Sprout, die mit einem beruhigten Lächeln zurück in die Große Halle kam, Filius Flitwick sah neugierig zu ihr.
„Wo ist er denn hin?", fragte Pomona fast schon enttäuscht und auch ein wenig erleichtert.
„Snape?", fragte Filius, sah sich verwundert um, „Gerade war er noch da... dieser Mann ist einfach wie Rauch... kaum zu fassen.... Was ist denn nun mit Ihrem Kräutergarten?"
„Alles in Ordnung...", winkte sie lächelnd ab, „Severus hat manchmal einen sehr bedenklichen Humor."
Der kleine Zauberer schmunzelte, „haben wir nicht alle unsere kleinen Macken?"
„Bei den einen sind sie kleiner, bei den anderen größer", stimmte Sprout zu, führte dann ihr so überstürzt-unterbrochenes Frühstück, fort.

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