Kapitel 26: Verlangen

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Selbst mit der Maske sah er sie skeptisch an, „das ist schwer zu erklären... ich hab meinen Freunden gesagt, dass ich Kopfschmerzen hab."
„Aber du hast keine...", führte er aus.
„Nein", sie schüttelte den Kopf, hatte fast schon ein schlechtes Gewissen, dass sie ihre Freunde angelogen hatte, „ich wollte einfach meine Ruhe haben und nicht gestört werden.", erklärte sie.
„Nicht gestört werden... und nun sitze ich hier."
„Ich...", sie schluckte, „ich wollte alleine sein, weil ich gehofft habe, dass du wiederkommst."
„Deswegen gehst du vorher duschen?", seine Stimme vibrierte, das war das, was er hatte hören wollen und auch gleichzeitig das schlimmste, was sie hätte zugeben können.
Sie war ihm verfallen, ganz eindeutig, er hätte alles mit ihr machen können und so, wie sie vor ihm saß, legte sie es fast drauf an.
Aber er konnte nicht einmal zu 100% sagen, wer wen verführte, er sie, sie ihn oder beide gegenseitig.

Hermine seufzte, was machte sie hier?
Sie biederte sich ihm beinahe schon an, auch wenn die Vorstellung ihm langsam wirklich näher zu kommen über die Maßen reizvoll war, die Tatsache, dass sie ihn nicht kannte und dementsprechend auch eigentlich nicht vertrauen konnte oder sollte, schob sie dabei immer wieder ganz tief in eine verstaubte Ecke.
Sie zuckte nur mit den Schultern, wandte verlegen den Blick ab, „vielleicht wollte ich gut für dich riechen..."
„Das tust du immer.", gestand er leise.
Severus...hör auf damit!, er seufzte innerlich, „du solltest dir ein wenig mehr anziehen.", er sah nach unten, der Morgenrock war ein wenig hochgerutscht, gab einen kurzen Blick auf ihre umwerfenden Oberschenkel frei.
Sie schüttelte leicht den Kopf, „also ein Todesser wie du es bist, ist mir noch nie untergekommen...", sie stand auf, kramte in ihrem Schrank nach einem Pyjama, ging mit ihm ins Badezimmer und zog sich um.
Vielleicht will er das nicht sehen, weil du nicht ansprechend bist für ihn... vielleicht steht er eher auf... verruchteres, überlegte ihre Kopfstimme.
Sie hielt sich die Hand vor die Stirn, diese Aktion war so peinlich, was hatte sie sich dabei nur gedacht?
Nicht viel und nun musste sie die Schmach der Ablehnung ertragen, versuchte die Situation wegzulächeln und kam gespielt gut gelaunt wieder aus dem Badezimmer.

Er saß immer noch an Ort und Stelle, war froh und dankbar, dass sie sich so leicht hatte überzeugen lassen.
Er war kein Mann, der viele Angebote dieser Art bekam, aber wenn er sie bekam, dann nahm er sie auch dankbar an und ging ihnen nach; doch hier konnte und wollte er nicht nachgeben.
Sie drehte sich vor ihm um die eigene Achse, „ist es so recht?", fragte sie provokant, was ihm ein Lächeln ins Gesicht drückte und ein Lachen aus seinem Mund drang, Hermine sah ihn erstaunt an.
„So ist es genau richtig.", er nickte, schloss ein wenig erleichtert kurz die Augen, dankte still und heimlich dem Heiligen Salazar.

Hermine setzte sich neben ihn, sie fühlte sich ein wenig vor den Kopf gestoßen, war sie wirklich so unansehnlich?
„Warum bist du hier? So reizvoll, wie du gesagt hast, kann ich ja offenbar nicht sein...", fragte sie nach kurzer Zeit, wenn er ihr nicht näher kommen wollte, was wollte er dann?
Vielleicht doch nur Informationen von ihr bekommen, die seinem Herren helfen würden? Skeptisch sah sie ihn an, musterte ihn, versuchte unter dieser Maske in seinen Augen irgendeine Regung zu finden, die ihr zeigen würde, dass sie sich fürchterlich getäuscht und er gelogen hatte.

Er sagte nichts, er wusste nicht, warum er wieder bei ihr war, doch, er wusste es, aber das wollte er sich und ihr nicht eingestehen.
„Warum?", wiederholte sie, er vermied es weiter sie anzusehen, sie stand auf, stellte sich nah vor ihn und versuchte seinen Blick einzufangen.
Als er ihr immer noch nicht in die Augen sah, ging sie noch einen Schritt zu ihm, stellte sich zwischen seine Beine, legte ihre Hände an seine Schultern.
Endlich sah er zu ihr, ihre Berührungen schickten Stromschläge durch ihn, ihr Blick war intensiv und strotzte nur so vor Wut und Verlangen.
Verlangen, dass sich nicht nur auf ihn richtete, sondern vor allem auch auf die Wahrheit.
Er krallte seine Hände in die Hose seiner Knie, musste sich davon abhalten seine zitternden Finger ihren Körper erkunden zu lassen.
„Ich meine...ist es... doch deine Aufgabe mein Vertrauen zu gewinnen? Oder mich abzulenken?", sie musste es einfach fragen, hatte allerdings Angst vor seiner Reaktion und wenn sie ehrlich war auch vor seiner Antwort, obwohl sie nichts über Harry bisher verraten hatte, was nicht schon alle wussten.

„Das hat nichts mit dem Dunklen Lord zu tun.", sagte er wahrheitsgemäß.
„Also bist du nicht als Todesser hier?", sie war immer verwirrter.
„Nein... er würde mich vermutlich dafür foltern... wenn nicht umbringen, wenn er davon erfahren würde...", er schnaubte leicht, dass sein bester Mann Interesse für ein, in seinen Worten, Schlammblut hegte und ihr sogar einige Dinge verriet, das wäre ein Verrat sondergleichen.
„Warum trägst du dann die Maske?", sie verstand ihn absolut nicht, er war nicht in seinem Auftrag hier und trotzdem trug er seine Uniform, immer wieder.
Er schluckte, „weil... ich dir nicht gestatten kann zu wissen, wer ich bin, versteh das doch endlich.", das konnte er wirklich nicht und er wollte auch nicht, dass diese Art von Zweisamkeit, die die beiden teilten, endete.
„Wäre das wirklich so schlimm?", ihre Hände lagen immer noch an seinen Schultern, bisher hatte er keine Anstalten gemacht diese Berührung zu unterbinden.
Er nickte nur, Hermine schob ihre Finger langsam zu seinem Hals, hoch zu seinem Gesicht, strich über die eiserne Maske, die kalt auf seinem Gesicht thronte.
„Es wäre schlimm", er nickte leicht, griff an ihre Hände und zog sie sanft von seiner Maske, sie sollte dieses Versteck nicht mögen, nicht gut finden und vor allem nicht akzeptieren, obwohl sie die Einzige war, die es tat, zumindest in diesem Ausmaß, „vor allem für dich."
„Warum lässt du mich das nicht selbst entscheiden?", sie wollte ihre Hände aus seinem Griff befreien.
„Hermine", sein Bariton vibrierte an ihrem Brustkorb, er schüttelte nur den Kopf, „bitte."

Er hatte sie das erste Mal bei ihrem Vorname genannt und es fühlte sich irgendwie wirklich gut an, er hatte so ein Talent Worte bedeutungsvoll auszusprechen und zu betonen, was in Hermine eine Gänsehaut auslöste.
„Es ist so unfair, dass du mich so sehr kennst und ich von dir fast nichts weiß.", meinte sie traurig, ihr Blick schlug ihm fest in den Magen, sie hatte ja recht.
Vielleicht wäre der Schock weniger groß, wenn sie es selbst herausfinden könnte... sie ist intelligent und pfiffig... du müsstest ihr nur ein paar weitere kleine Hinweise zukommen lassen, ein paar Brotkrumen und sie würde den Weg finden..., überlegte die Kopfstimme.
Den Weg ins Hexenhaus... in ihre persönliche Hölle, aus der es kein Entrinnen mehr gibt..., warf sein Gewissen dazwischen, heizte die innere Diskussion weiter auf.
Er drückte sanft ihre Hände nach unten, ließ sie dann los, stand auf und ging an ihr vorbei, nahm tiefe Atemzüge, knackte mit den Fingern.
In solchen Situationen würde er seine Nasenwurzel massieren, aber die Maske entzog ihm diese Möglichkeit, wie so vieles in seinem Leben.

„Du willst mir nicht sagen wer du bist... schön, akzeptiere ich... du willst offenbar auch nicht, dass ich dich irgendwie anfasse... du... willst nicht, dass ich wenig anhabe, was mir sagt, dass du nicht daran interessiert bist, mich irgendwie anzufassen... aber warum du trotzdem immer wieder hier bist, willst du mir auch nicht sagen.", fasste sie zusammen, hörte sich dabei wirklich sauer an, „Was willst du von mir? Ich hab eine Erklärung verdient!"
Das was sie sagte entsprach nur der halben Wahrheit, aber es war besser, wenn sie so dachte, wie sie dachte, er seufzte, „ich..."
„Du willst doch Zeit mit mir verbringen, oder?", sie ging einen Schritt zu ihm, sie spürte seine Zurückhaltung, seine Verwirrung, sie war ebenso verwirrt.
„Sonst wäre ich nicht hier.", er zuckte mit den Schultern.
„Weißt du mit wem ich Zeit verbringe?", sie trat in sein Blickfeld, drehte ihn vorsichtig am Arm zu sich, „Mit meinen Freunden... mit Menschen, die mir vertrauen und denen ich vertraue. Wie kann ich dir vertrauen, wenn du dich mir nicht öffnest? Wenn du mir nichts sagst? Wenn du jedes Mal zwei Schritte rückwärts läufst, wenn ich einen Schritt auf dich zukomme."
„Du kannst mir nicht vertrauen", was sollte er sonst dazu sagen?
Sie konnte es nicht und wenn sie es tun würde, würde das in einer Katastrophe enden.
„Was machen wir dann mit dieser Situation?", unschlüssig sah sie ihn an, eine unaushaltbare Spannung baute sich zwischen ihnen auf.
Er konnte ihr keine Antwort geben, er wusste nicht, was er sagen oder machen sollte, er war gefangen in diesem Moment.

Als er ihr selbst nach einigen Minuten keine Antwort geben konnte, ließ sie ihn los, drehte sich enttäuscht um, sie hätte ihn rausschmeißen müssen, diese merkwürdige und sinnlose Verbindung kappen und nie wieder an ihn denken dürfen, aber sie konnte nicht und sie wollte auch nicht.
Anstatt einer sich öffnenden Tür zu hören, hörte sie leise Schritte, die zu ihr kamen, nah hinter ihr stehen blieben, aufgeregt wartete sie, fühlte in sich, er musste ganz nah hinter ihr stehen, seine Wärme erreichte sie immer mehr, sie schluckte.

Hatte sie nicht genau das gewollt?
Dass er ihr näher kam?
Dass er sie womöglich noch berührte und diese Distanz überwand?

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