Kapitel 77: Ängste

424 33 1
                                    


„Alles in Ordnung?", fragte Hermine leise, wickelte sich das Laken um den Körper und stand auf, musterte ihn.
„Es tut mir so leid.", ein herzerweichender Blick schlich sich auf seine Züge, Schuld und Angst waren in seinen Augen zu sehen.
„Es ist doch nichts passiert", meinte sie aufmunternd, streichelte seine Wange.
„Noch nicht... dieser Ball...", er schluckte, wusste ganz genau, was für eine Art Ball es wäre, „es tut mir leid, dass ich dich immer wieder in so etwas ziehe..."
„Das ist wohl der Preis, den wir für das hier zahlen müssen...", sie hatte keine Ahnung, wovor er eine solche Angst hatte, warum er sich so um sie sorgte, aber das würde sie wohl oder übel in wenigen Tagen herausfinden.

Mit einem aufgewühlten Gemüt zog er sich an, musterte sie und seufzte dann, „die beiden warten... ich muss... gehen.", nahm ihre Hand und hielt sie zwischen seinen, „Ich weiß nicht, ob es besser wäre, wenn du hier bliebest oder wenn du das Haus verlässt und ich dich nachher suche."
„Ich mache das, was dir am liebsten ist", sagte sie leise, „vielleicht gehe ich in die Winkelgasse... zu Fred und George in den Laden..."
„Das wäre vielleicht nicht dumm...", er überlegte schnell, „warte bis wir ein paar Minuten aus dem Haus sind und dann apparier dahin. Ich hole dich da ab, sobald ich kann...", versprach er, „der Zauber fällt von dir ab, sobald du das Haus verlässt...", er strich über ihre Wange, versuchte sie unter dieser Veränderung zu erkennen, schloss die Augen und lehnte seine Stirn an ihre.
„Mach dir keine Sorgen", flüsterte sie, drückte ihm sanft die Lippen auf und lächelte ihn aufmunternd an, als er sich löste.
„Bis später", er nickte kurz, schob dann die emotionslose Maske auf sein Gesicht, um zu seinen Todesserkumpanen zu stoßen und ließ Hermine alleine, die von oben lauschte, ob die Luft rein wäre.

Sie zog sich schnell an, band die schwarzen langen Haare zu einem Zopf, wartete beinahe eine halbe Stunde, bis sie sich irgendwie traute zu bewegen und ging dann vorsichtig, mit ihrem Zauberstab bewaffnet nach unten, fand das Haus komplett leer vor.
Mit einer gehörigen Portion Aufregung im Körper schnappte sie sich ihre Tasche und Jacke und verließ das Haus, huschte so unauffällig wie möglich in die gegenüberliegende Gasse, spürte noch im Laufen, wie sich ihr Körper wieder veränderte und apparierte dann in die Winkelgasse, die mit jedem Mal leerer und düsterer wurde.
Sie nahm die Beine in die Hand und lief die leere Straße entlang zu dem einzigen Lichtblick in dieser dunklen Umgebung.

Ein kleines Glöckchen ertönte, als sie den Laden betrat, zog Fred und Georges Aufmerksamkeit auf sich, „Hermine? Was machst du denn hier?", nahmen sie nacheinander in die Arme.
„Ich war grad in der Nähe und da wollte ich euch natürlich besuchen", sagte sie lächelnd, sah in die leicht angespannten Gesichter der Zwillinge, „was ist los?"
George seufzte, warf einen Blick aus dem Fenster und musterte sie, „geht es dir gut?"
„Natürlich", Hermine lachte leicht, „warum?"
„Die Angriffe häufen sich... die Winkelgasse wird immer leerer... keiner traut sich mehr alleine durch die Straßen...", meinte Fred.
„Und du kommst einfach so mir-nichts-dir-nichts hereinspaziert als wäre nichts...", knüpfte George an.
„Unsere Mine hat offenbar vor nichts Angst... nicht mal, wenn Snape sie nachhause bringt.", Fred grinste, stieß seinem Bruder in die Seite.
„Weil Snape ja auch so angsteinflößend ist...", meinte sie augenverdrehend und lachte.
George und Fred sahen sich fragend an, „kennst du einen anderen Snape?"
„Wenn ihr ihn nicht immer ärgern würdet, wäre er vielleicht auch ein wenig friedfertiger euch gegenüber...", stemmte dabei ihre Hände in die Hüfte und warf den beiden einen tadelnden Blick zu.
„Nicht angsteinflößend, friedfertig...", George schüttelte den Kopf, „man könnte glatt meinen... du magst ihn.", warf Fred ein.
„Ich habe keine Probleme mit Professor Snape", nickte Hermine, es wäre nicht fair sich öffentlich so sehr von ihm zu distanzieren, auch wenn es natürlich auch Risiken beherbergte.

„Da bist du eine der wenigen", scherzte eine weitere müde Stimme an der Tür.
„Wo hast du deinen Wolf gelassen?", fragte Fred schmunzelnd, ging zu ihr, zog sie weiter in den Laden und sah wieder angespannt aus dem Fenster.
„Mein Wolf ist für den Orden unterwegs", erzählte Tonks, ließ sich von dem Zwilling bis zu den anderen bringen und nahm Hermine dann in die Arme, „geht es dir gut?"
Sie nickte, „um mich braucht ihr euch keine Sorgen machen. Wie geht es dir und Remus?", versuchte etwas an den müden Augen abzulesen.
Tonks nahm einen tiefen Atemzug, zuckte leicht mit den Schultern, zwang sich zu einem Lächeln, „wir kommen schon klar."
Dieser Satz war so untypisch für Tonks, dass Hermine sich wirklich Sorgen um sie machte, auch sie wirkte viele Jahre älter, Sorgen und die eine oder andere schlaflose Nacht war an ihrem Gesicht ablesbar.
„Ihr habt ja auch noch uns", lächelte George, stellte sich neben seinen Bruder, „wir heitern euch auf."
„Ohne euch wäre hier einiges trostloser", Tonks sah dankbar über die Zwillinge, die sich in dieser plötzlich ernsten Lage nicht sonderlich wohl und gut fühlten, beide ein wenig erröteten und noch mehr, als Tonks sie nach einander zu sich zog, ebenfalls in die Arme nahm und ihre tränenden Augen versuchte zu verstecken, als sie sich lösten.

Ein wenig ratlos standen Hermine, Fred und George neben Tonks, warfen sich unsichere Blicke zu, bis Hermine die Stille brach, „ich hätte richtig Lust auf Kuchen... hast du noch welchen, Tonks?"
Mit einem traurigen Lächeln nickte sie.
„Dann los!", Hermine verabschiedete sich von George und Fred, ging mit Tonks schnell durch die stillen Gassen zu ihrer Wohnung, die Tonks, nachdem sie sie betreten hatten, wieder doppelt und dreifach sicherte.
Tonks Blick glitt über die Einrichtung, blieb an dem Sessel hängen, den Remus immer für sich beanspruchte, ging zu dem Möbelstück und nahm den leichten Schal, der darauf lag, hielt ihn an die Nase und atmete tief ein und aus, setzte sich dann vorsichtig auf den Sessel.
Hermine sah dieser traurigen Szene eine Weile dabei zu, ging dann um die Couch, setzte sich auf das Polster, „was ist passiert?", fragte sie vorsichtig.

Die junge Frau vor ihr nahm nochmal einen tiefen Atemzug und schien nach den richtigen Worten zu suchen, schüttelte den Kopf.
„Remus ist nicht auf einer Ordensmission... oder?", fragte Hermine wissend, hätte der Orden eine Mission gehabt, hätte Severus darüber Bescheid gewusst.
Tonks hielt sich weiterhin den Schal vor die Nase, fühlte die Beschaffenheit des Stoffs, „nein...", zog die Beine zu sich auf den Sessel und starrte auf den Schal, „nachdem Severus mir die... Botschaft... meiner Tante überbracht hat und ihr gegangen seid, haben Remus und ich darüber gesprochen... für Stunden... den ganzen Abend lang...", sie zuckte mit den Schultern, „er... sagte, dass er das nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könnte... dass er mich in Gefahr brächte, wenn wir zusammenblieben..."

Hermine schluckte, wenn sie ehrlich war, hatte sie mit genau so einer Reaktion von Remus gerechnet, auch wenn sie gehofft hatte, dass er aus diesem ganzen Hin und Her im letzten Jahr etwas gelernt hätte, am Ende litten beide.
„Er liebt mich, aber die Vorstellung, dass mich jemand seinetwegen verfolgen, jagen und töten will... er...", Tonks stockte, ein merkwürdiger Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht.
„Wo ist er?", fragte Hermine leise.
„Ich weiß es nicht", Tonks Stimme brach, die Tränen kullerten schnell über ihre Wangen, „er ist einfach aufgestanden, hat seinen Zauberstab genommen und ist gegangen... ich bin es gewohnt, dass er ein paar Nächte im Monat nicht hier ist.. aber er ist an keinem seiner Plätze, ich hab alles abgesucht. Er ist einfach weg und das macht mir am meisten Angst..", ihre Stimme zitterte, ebenso wie ihre Hände, die sich krampfhaft an den Schal klammerten.
„Ich bin mir sicher, dass es ihm gut geht...", meinte Hermine, versuchte Tonks so ein wenig aufzubauen, „Remus hat es immer irgendwie geschafft.", nahm vorsichtig ihre Hand und drückte sie sanft.
Mit der freien Hand strich sie sich über die Augen, versuchte ein Schluchzen zu unterdrücken, „Remus ist zäh", nickte sie.
„Und ich bin fest davon überzeugt, dass er bald wiederkommt.", schob Hermine nach, schenkte Tonks ein ehrliches, aufrichtiges Lächeln, was sie ein wenig auflockerte.
„Das hoffe ich...", sagte Tonks, band sich den Schal um den Hals und sah zu ihr, „und jetzt essen wir Kuchen."

Die beiden werkelten einige Minuten in der Küche, holten Teller, Tassen und Besteck, kochten Kaffee und gingen mit dem Kuchen und dem Kaffee bewaffnet wieder ins Wohnzimmer, aßen und tranken und lenkten die Gesprächsthemen möglichst weit von Sorgen und Ängsten, sprachen stattdessen über die Erfindungen von Fred und George und wie revolutionär ihre Spaßzauber waren.
„Die beiden können damit wirklich reich werden", merkte Tonks an, „stell dir mal vor, wie viele Aufträge sie hätten, wenn sie ins Ausland exportieren würden."
„Vielleicht werden sie das irgendwann machen", Hermine nickte lächelnd, „ich hoffe es zumindest... mit Standorten in jedem Land... Weasleys Scherzartikel-Imperium."
Tonks lachte, „das wäre wohl genau nach ihrem Geschmack.", dachte kurz nach, „Sirius wäre stolz gewesen..."
Hermine spürte einen kurzen Stich, er fehlte, jeden Tag und sie war sich sicher, dass er Remus den Kopf gewaschen und nach ihm gesucht hätte, egal wie oft Dumbledore ihm gesagt hätte, dass er den Grimmauld Place nicht verlassen dürfe.
„Ich vermisse ihn so", Tonks Augen glitzerten verdächtig, „vieles wäre anders, wenn er noch hier wäre..."
Hermine nickte, „er fehlt mir auch."

Schein und Sein Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt