Kapitel 88: Kein guter Mensch

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„Du hast keine Motive in dem Ganzen.. du befolgst Anweisungen... schon dein ganzes Leben lang.", sie legte den Kopf schief, „Ich frage mich nur warum... warum kann er das alles von dir verlangen?"
Er ließ zitternd die Luft aus seinen Lungen, „das kann ich dir nicht sagen...warum fängst du wieder von diesem Thema an?", flüsterte er, suchte beinahe schon flehentlich nach Vergebung in ihren Augen, „Verlang das nicht von mir... bitte."
„Hast du jemanden getötet?", sie konnte es nicht so stehen lassen, sie konnte nicht wieder in Unwissenheit leben, sie wollte sich nicht wieder mit einer notdürftigen Erklärung abgeben, wenn sie nun schon so nah an des Rätsels Lösung gekommen war.
Severus schloss die Augen, natürlich würde sie ihn nicht einfach so davon kommen lassen, sie wollte endlich wissen, was das alles rechtfertigte, vielleicht war es die gerechte Strafe für ihn, „nein... etwas schlimmeres...", er war im Grunde nicht besser als Wurmschwanz, den er bis aufs Blut verachtete.
Vielleicht war genau das der Grund, warum er ihn so verachtete, weil er ihn an sich selbst erinnerte, auch, wenn er nicht mit vollem Bewusstsein seine Freunde verraten hatte, er hatte nicht gewusst, dass es sich um Lily und ihr Kind handelte, er wollte einfach nur dem Dunklen Lord beweisen, was für ein loyaler und aufrichtiger Anhänger er war und dafür ging er, im wahrsten Sinne, über Leichen.

Hermine schwirrte nach dieser, in den Raum geworfenen, Aussage der Kopf.
Was könnte noch schlimmer sein, als jemanden zu töten?
Ihre Gedanken sprangen von einer Ecke in die nächste, verursachten immer mehr Chaos in ihrem Kopf, bis sie ihm schließlich genau die Frage stellte, nach deren Antwort sie so verzweifelt suchte.
„Was ist schlimmer als jemanden zu töten?", ihr blieben beinahe die Worte im Hals stecken, so sehr fürchtete sie sich vor der Auflösung.
Er schluckte, „jemanden zu verraten", löste seine Finger von ihren und stand mit gesenktem Kopf auf, er wollte flüchten, wollte von dieser Situation fliehen, aber der Anstand hielt ihn davon ab und so stand er einfach unschlüssig im Raum, wartete auf ihre Anklage.
„Aber... das war vor vielen Jahren, oder nicht?"
„Vor sehr vielen Jahren", nickte er, „als ich die Ansichten des Dunklen Lords für eine kurze Zeit geteilt habe."
Zu hören, dass er wirklich für einen Moment seines Lebens eine genauso verschrobene Denkweise hatte, schmerzte sie ungemein, er hätte sie in früheren Jahren gehasst, hätte ihr vielleicht sogar den Tod gewünscht, der Hass auf ‚Schlammblüter' wie Voldemort die Muggelgeborenen nannte, wurde schon damals geschürt.

„Glaubst du denn nicht, dass man Menschen verzeihen sollte? Dass Menschen eine zweite Chance bekommen sollten?", wollte sie mitfühlend wissen.
Wieder schnaubte er, Vergebung, eine noble Denkweise, er hatte über die Jahre feststellen müssen, dass dieses Konstrukt hauptsächlich ein Gedankenspiel war und überaus schwer in die Realität umzusetzen, „glaubst du Black, Lupin und Potter Junior haben Pettigrew verziehen, dass er seine Freunde verraten hat?"
„Das kann man doch nicht miteinander vergleichen...", meinte sie kopfschüttelnd, ging etwas näher zu ihm, schob sich langsam in sein Blickfeld, dass er nichts sagte, machte sie ein wenig nervös, „und... selbst wenn... anders als Pettigrew hast du dich auf die richtige Seite gestellt.."
„Und deswegen töte ich den vermutlich einzigen, der Potter noch beschützen kann...", ein freudloses Lachen drang aus seinem Mund, er drehte sich langsam zu ihr, musterte sie für einen Moment, „du bist so... unverdorben und barmherzig...", strich ihr mit dem Daumen über die Wange.
„Du bist kein schlechter Mensch", wiederholte sie bestimmt, hielt seine Hand fest an ihrer Wange, „du bist nicht schlecht, weil du vor vielen Jahren einen Fehler begangen hast, du bist nicht schlecht, weil du das ausführst, was man von dir verlangt... weil du das tust, was niemand von uns tun könnte...", langsam sammelten sich Tränen in ihren Augen.
„Aber ich bin auch kein guter Mensch", hielt er leise mit einem schmerzhaften Ausdruck auf dem Gesicht dagegen, legte den Kopf schief, als die erste Träne über ihre Wange lief.

Kopfschüttelnd nahm sie einen tiefen Atemzug, „nein... das bist du nicht... aber vielleicht kann man das in dieser Welt auch gar nicht mehr sein...", schob ihre Hände dann langsam über seinen Oberkörper und ließ sie auf seiner Brust ruhen, „egal, was du getan hast, das ändert nicht meine Meinung über dich."
„Das kannst du nicht sagen, wenn du nicht weißt, was ich getan habe..."
„Es spielt im Grunde keine Rolle, Severus... du hast dein Leben lang genug Buße getan...", flüsterte sie, „und du tust es noch. Was kann man noch von dir verlangen?", zuckte dabei mit den Schultern.
Im Grunde hatte sie recht, er hatte jahrelang für eine falsche Entscheidung bezahlt, hatte stillschweigend die Aufträge von Dumbledore angenommen, der seine Schuld immer wieder für seine Zwecke ausnutzte.
Wann würde das Ganze ein Ende nehmen?
Wenn Dumbledore tot wäre?
Wenn der Dunkle Lord tot wäre?
Oder wenn Severus selbst sein Leben gab?

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