Kapitel 74: Ordnung schaffen

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„Alles in Ordnung?", fragte er bemüht ruhig, setzte sich ein wenig aufrechter hin.
Hermine fühlte sich wieder einmal so, als wäre ihre Reaktion vollkommen überzogen gewesen.

Natürlich würde er nicht über sie als seine zukünftige Frau reden, dafür kannten sie sich viel zu wenig in diesem Maße, dafür warteten zu viele Gefahren, Strafen und ein gesellschaftlicher Ausschluss auf sie beide.
Nur weil sie bis über beide Ohren in ihn verliebt war, konnte sie nicht davon ausgehen, dass es ihm ebenso ging, dass er, selbst wenn es ihm so ging, daran festhalten und sie dann auch noch heiraten wollen würde.
Es war unfair und töricht ihre Ansichten auf ihn zu übertragen, obwohl sie doch wusste, wie er dazu stand.
„Hermine?", noch unsicherer suchte er ihren Blick, fand ihn schließlich, als sie aufsah, „was hast du?"
Sie schüttelte leicht den Kopf, „nichts", versuchte ein Lächeln zustande zu bringen, was nicht sehr überzeugend war, ging dann zaghaft zum Bett und setzte sich auf die Matratze.
„Wir wissen beide, dass das nicht stimmt...", kommentierte er ruhig.
„Dann hast du ja deine Antwort", schon nachdem die Worte aus ihrem Mund gestolpert waren, taten sie ihr leid.
„Warum willst du nicht mit mir reden?", so leicht ließ er sich nicht abwimmeln, er wollte und musste erfahren, womit er sie offenbar dermaßen beleidigt hatte, dass sie ihn nicht einmal mehr ansehen konnte.
„Weil es keinen Grund gibt...", sie zuckte schwach mit den Schultern.
„Ich denke schon, dass es den gibt und ich würde gerne erfahren welcher das ist.", beharrte er, er würde so lange nicht aufhören zu fragen, bis sie mit der Sprache herausrückte.

Sie seufzte, „ich finde das alles nur so schlimm", fing sie an, sie konnte ihm unmöglich sagen, was ihr wirkliches Problem war, er würde sie auslachen, an ihrer Intelligenz zweifeln, so wie sie es mittlerweile selbst tat, „dass man sich entscheiden muss, ob man das Risiko eingeht mit jemandem zusammen zu sein und dafür vielleicht umgebracht wird oder ob man auf sein Glück verzichtet und dafür sicher wäre...", zuckte erneut mit den Schultern, hoffte, dass ihm diese Erklärung reichen würde.
Sie spürte, wie sich die Matratze leicht bewegte, sah dann zuerst seine Beine, die sich rechts und links neben ihre schoben und spürte dann seine Arme, die sich vorsichtig um sie legten und sie an ihn drückten.

„Egal, wie wir uns entscheiden, am Ende werden wir alle um unser Leben kämpfen müssen...", meinte er leise und ernst, lehnte seine Wange an ihre, „wir könnten alles gewinnen oder alles verlieren."
„Warum sollte man dann auf etwas Gutes verzichten?", fragte sie verzweifelt, dachte dabei an Remus, der ihr stets den Eindruck vermittelte, dass er eine Beziehung vor allem wegen der drohenden Gefahr ablehnte.
„Weil es einen Unterschied macht, ob man nur sein eigenes Leben verliert oder auch das seines Kindes, seiner Eltern oder der Partnerin.", erklärte er ruhig, „Weil man den Gedanken nicht ertragen könnte jemanden zu verlieren, den man vielleicht schützen könnte... es ist diese wahnsinnige Hoffnung in einem, die sagt, dass man in Kriegszeiten niemanden an sich heranlassen sollte, nur damit man nicht für noch mehr Leid verantwortlich ist."

Hermine schnaubte kopfschüttelnd, es machte sie wütend und traurig, dass sich Menschen wirklich über so etwas Gedanken machen mussten, dass einige lieber die Einsamkeit suchten, als jemanden an sich heranzulassen und somit eine weitere Angriffsfläche zu bieten.
Er nahm einen tiefen Atemzug, versuchte ihre angespannte Körperhaltung ein wenig aufzulockern, „denk nicht so sehr darüber nach..."
„Wie könnte man an etwas anderes denken?", fragte sie traurig, drehte sich langsam in seinen Armen um und musterte ihn.
„In dem man sich ablenkt...", er flüsterte an ihr Ohr, belegte ihren Hals mit heißen Küssen, die Hermine nach einigen Momenten vorsichtig unterband.
„Vielleicht kannst du mich einfach nur festhalten heute?", fragte sie traurig, streichelte über seinen Oberarm und kuschelte sich an seine Brust, als er diesen Wunsch mit einem leisen, „natürlich", bestätigte.
Nach einigen Minuten rutschte er mit ihr vor der Brust nach hinten, legte sich schließlich in eine bequeme Position, ohne sie auch nur einen Zentimeter loszulassen.

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