Kapitel 25: Ein perfider Plan

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„Es ist übrigens gut, dass du schon so früh wach bist", fing er an, „gleich ist das nächste Training... und ich brauche wirklich deine Meinung! Niemand beobachtete so genau wie du.", Harry setzte seinen Hundeblick ein.
„Harry... ich hab eigentlich echt keine Lust darauf...", seufzte sie, ihr eigentlicher Plan war es, sich den ganzen Tag im Zimmer zu verkriechen, zu lesen, zu hoffen, dass er schnell vorbei ging und Er dann am Abend bei ihr klopfen würde, aber Harry wäre nicht Harry, wenn er ‚keine Lust' als Ausrede akzeptieren würde.
„Bevor du dich wieder den ganzen Tag in deinem Zimmer verkriechst oder Hausaufgaben machst, kommst du mit!", er setzte einen mahnenden Blick auf, der Hermine sehr an Dumbledore erinnerte und noch mehr, als Harry seine Brille auf die Nasenspitze gleiten ließ und dann darüber linste, ganz so wie Dumbledore es sehr oft tat.
„Na gut... dann komm ich mit..", sie verdrehte lachend die Augen, ließ sich von ihren Freunden mit zum Quidditch-Feld zerren und verbrachte mit ihnen den ganzen Tag dort.

Am Abend gingen die Freude, nach einem anstrengenden Tag in die Große Halle, auch wenn Hermine die eigentlich meiden wollte. Die Begegnung mit Snape am Morgen und die stechenden Blicke, die er ihr zugeworfen hatte, hatten ihr wirklich gereicht.
Ginny und Harry hatten schon den ganzen Tag versucht herauszufinden, was mit ihr los war, so still hatten sie Hermine selten erlebt und dass es nur an Snapes Blicken lag, konnten oder wollten sie nicht gelten lassen.
„Ich hab den ganzen Tag schon Kopfschmerzen... eigentlich fing das schon in der Nacht an... vielleicht sollte ich Madame Pomfrey nach einem Trank fragen. Noch so eine Nacht halte ich nicht durch.", erfand sie, sah gespielt leidend zu ihren Freunden, wobei das Leiden nicht einmal völlig ausgedacht war, aber wenig mit ihrem Kopf zu tun hatte.
„Bestimmt weil du immer so viel über deinen Aufgaben hängst, nicht mal beim Training kannst du damit aufhören...", warf Ron ein, stopfte sich den Mund mit Reis voll, Ginny und Harry schüttelten den Kopf, Hermine ließ das Ganze unkommentiert so stehen.
Sie ließ den Blick durch die Halle gleiten, Dumbledore schien nachdenklich auf seinen Teller zu starren, McGonagall erzählte ihm gerade irgendetwas, dem er nur halbherzig zuhörte, Professor Sprout unterhielt sich angeregt mit Professor Flitwick und der in schwarz gekleidete Mann am Ende des Tisches wurde von Professor Slughorn zugetextet.
Snape schien ebenso gedankenverloren zu sein, wie Dumbledore, ob sich die Gedanken der beiden um dasselbe drehen?
Vielleicht hatte Dumbledore ihm eine erneute Moralpredigt gehalten. Dass er so in sich gekehrt war, war höchst untypisch für Snape, zumindest in der Öffentlichkeit der Großen Halle.

Als hätte er ihre Gedanken gehört sah er auf, geradewegs in ihre Augen, sein Ausdruck wechselte von nachdenklich zu angespannt, beinahe schon wütend.
Er zog die Augen zu Schlitzen, sie hatte das Gefühl in einem Kältestrom zu sitzen, so, wie er sie ansah, konnte nicht lange den Blick halten und sah wieder auf das Holz vor ihr, spürte seinen stechenden Blick aber weiterhin im Nacken, sodass sie schließlich, mit der Ausrede, ihre Kopfschmerzen hätten sich verschlimmert, vorzeitig den Tisch verließ.
Severus massierte seine Nasenwurzel, er wollte sie eigentlich nicht so böse ansehen, aber als er ihre Augen sah und dachte einen Hauch von Mitleid in ihnen zu sehen, hatte er Angst sich selbst zu verraten.
Er müsste heute Nacht wieder zu ihr, er wollte es auf eine andere Art wieder gut machen, wenn schon nicht als Professor, dann wenigstens als Todesser, auch wenn das völlig abwegig klang.

Hermine war nach oben gerannt, stürzte in ihre Räume, was hatte sie Snape nun wieder getan?
Was war nur sein Problem?
Warum war an einem Tag so freundlich und am nächsten so böse, unnahbar, fast schon hasserfüllt?
Was hatte sich in 24 Stunden, in denen er sie kaum gesehen hatte, verändert?
War es jetzt schon verboten über ihn nachzudenken?
Oder war es nur für sie verboten, weil sie nicht zu seinem Haus gehörte?
Und selbst wenn, hatte er ihre Gedanken spioniert?
Hatte er wirklich seine Fähigkeiten angewandt, um herauszufinden, was in ihr vorging?

Wenn er das getan hatte, dann hatte er vermutlich auch noch einiges anderes gehört und das würde höchstwahrscheinlich bei Dumbledore landen, er würde sie zu sich zitieren, sie würde den Ärger ihres Lebens bekommen und könnte sich den Abschluss höchstwahrscheinlich abschminken.
Sie seufzte, wenn sie sich weiter in diese Gedanken und Sorgen steigern würde, würde sie wirklich bald einen Schmerztrank für ihre rauchenden Gedankenwindungen brauchen.
Kopfschüttelnd lief sie ins Badezimmer, nahm eine lange ausgiebige Dusche und versuchte diese nervigen Gedanken zu ertränken.
Als sie der Meinung war genug geduscht zu haben, stieg sie aus der Nasszelle, wickelte sich in ein Handtuch und massierte gedankenverloren die Pflege in ihre Haare, lief dann wieder in ihre Räume, setzte sich auf das Bett und ließ sich nachhinten sinken, starrte an die Decke, schloss dann ein wenig verzweifelt die Augen.

Warum war alles nur so furchtbar kompliziert?
Warum konnte sie sich nicht einfach nur auf die Schule konzentrieren, ihre Aufgaben so gewissenhaft wie all die Jahre zuvor erledigen?
Warum musste stattdessen ein ihr unbekannter Todesser ihre Gedanken einnehmen?
Warum ließ sie sich immer wieder so von Snape verwirren?
Es war zum Haare raufen.
Ein strenges Klopfen zog ihre Aufmerksamkeit auf sich, war Er es?
Oder vielleicht war es wieder Snape, der ihr eine weitere Standpauke halten wollte, obwohl sie nichts getan hatte, um seine Wut zu schüren.

Ihr Herz pochte und bollerte, sprang wild gegen ihren Brustkorb, sie stand schnell auf, schnappte sich noch ihren Morgenmantel, öffnete dann die Tür und stand Madame Pomfrey gegenüber.
Ihre Enttäuschung darüber war greif- und sichtbar.
„Miss Granger, das ist das erste und letzte Mal, dass ich Ihnen persönlich einen Schmerztrank bringe. Wenn Sie sich krank fühlen, dann kommen Sie zu mir.", die Medihexe drückte ihr die Ampulle in die Hand und stiefelte dann recht beleidigt wieder in Richtung Krankenflügel.
Perplex sah Hermine ihr hinterher, wer hatte ihr aufgetragen den Trank zu bringen?
Auch wenn sie bei ihren Freunden gejammert hatte, dass sie schon seit Stunden Kopfschmerzen hatte, sie wäre niemals wirklich in den Krankenflügel gegangen, es diente eher als Ausrede.
Kopfschüttelnd schloss sie die Tür, zog das Handtuch von ihrem Körper und brachte es zurück ins Bad, zog den Morgenrock ein wenig enger um sich und wollte sich gerade wieder auf das Bett legen, als es erneut klopfte.
Genervt riss sie die Tür auf, „Was ist denn noch?", stand sich eben jenem gegenüber, den sie eigentlich unbedingt sehen wollte, „Oh...", piepste sie danach.

„Komme ich... ungelegen?", der maskierte Severus musterte sie, dieser Satin-Morgenmantel und ihre aufbrausende Art wirkten überaus reizend auf ihn, wenn er noch ein wenig Anstand besitzen würde, würde er jetzt gehen, aber er blieb vor ihr stehen, seine Augen glühten.
Er hatte extra gewartet bis Poppy weit genug entfernt war, hatte er sie zuvor mit deutlichen Worten zu ihr geschickt.
Die Gryffindors hatten sich recht laut und besorgt über ihre Freundin unterhalten, dass sie offenbar fürchterliche Kopfschmerzen hatte, wenn sogar die Medihexe involviert war, würde ihre Geschichte sehr viel glaubwürdiger erscheinen und niemand würde an diesem Abend zu ihr kommen.
Niemand bis auf Severus, der somit einen schon beinahe perfiden Plan aufgestellt hatte.
Aber wofür?
Warum hatte er es so minuziös geplant?
Was wollte er erreichen?
Warum sollten sie unbedingt ungestört bleiben?
Dass sie nun in diesem Outfit vor ihm stand, vereinfachte die ganze Sache überhaupt nicht.

„Ungelegen...", hauchte sie, „überhaupt nicht.", sie ging einen kleinen Schritt zurück, er betrat ihre Räume, schloss die Tür ohne sie aus den Augen zu lassen.
„Keine Umarmung?", fragte er, versuchte das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken.
Ein erleichtertes Lächeln huschte über ihre Lippen, er wollte sie offenbar trotzdem noch irgendwie berühren und wenn es nur eine Umarmung war.
Sie überbrückte den kleinen Abstand, legte ihre Arme um ihn und drückte sich an seinen Körper.
Sie war furchtbar aufgeregt, das spürte er, ihre Brust hob und senkte sich schnell, ihre Herz klopfte so laut, dass er es hörte und fast ein wenig lachte. Seine Hände schmiegten sich an ihren Rücken, strichen über den sanften Stoff des Morgenmantels und stellten fest, dass sie absolut nichts darunter trug, zumindest nicht obenrum, was ihn nun ebenso aufgeregt werden ließ.
Wenig später ließ Hermine ihn los, „setz dich", sie zeigte auf ihr Bett, schluckte, hypnotisierte ihn fast mit ihrem intensiven Blick.
Er kam ihrer Aufforderung nur zu gern nach, auch wenn sein Gewissen ihn dafür wieder einmal verurteilte.
Sie setzte sich recht nah neben ihm, war so froh und dankbar, dass er gekommen war.

„Was hast du da in der Hand?", fragte er dunkel, sie hatte sich schon so sehr an diese verzerrte Stimme gewöhnt, auch wenn sie sich immer wieder fragte, wie er sich wohl ohne diese Verzerrung anhörte und ob sie jemals die Chance bekam ihn, ohne zu hören, geschweige denn zu sehen.
Verwirrt sah sie nach unten, „oh... einen Schmerztrank..."
„Hast du Schmerzen?"
„Nein..."

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