sixty-two

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Mir war nicht klar ob ich es realisierte bevor ich es bemerkte oder ob ich es selbst nachdem ich es bemerkte nicht realisieren und wahrhaben wollte. Der Fakt das die Kugel nicht ins leere gegangen war. Der Fakt, dass obwohl Minho sich beeilt hatte uns da raus zu kriegen, nicht schnell genug war um alle von uns heile zurück zu bringen. Sie hatte nicht ihn getroffen. Gottseidank, eine Kugel in einem Monat war auch zumutbar genug. Ich spürte die Erleichterung, welche mich noch erreichte, bevor wir überhaupt wieder Waldboden unter den Füßen hatten. Als dies nämlich der Fall war, wich mein Augenmerk auch kurz zu Seungmin. Auch er schien unversehrt. Somit wusste ich nicht ganz ob ich mir nun einen Schluss zog und so an die Antwort auf meine Frage kam, wen die Kugel nun getroffen hatte, oder ob ich es bemerkte weil ich einen merkwürdig starken Rückstoß verspürte, als ich auf meinen Füßen nur für wenige Sekunden zum stehen kam. Vielleicht aber war es auch der Schmerz, das Kribbeln oder das Blut welches ich an mir kleben spürte, welches mir alles andere als schonend beibringen zu versuchte, dass ich derjenige war der diesmal bemitleidet werden durfte. 

Ich erkannte nicht sonderlich viel um mich herum, offen gesprochen drehte sich ab dem ersten Moment im Wald für mich alles. Der Rückstoß sorgte dafür, dass ich einige Schritte zurücktaumelte um das auszugleichen wofür er stand und daraufhin nicht allzu lange auf meinen Beinen stehen konnte. Mein Blick suchte Minho, welcher ebenso wie Seungmin, schneller als ich zu bemerken schien, was Sache war. Ich glaubte das meine Naivität darauf zurückzuführen war, dass ich es nicht hatte kommen sehen. Weder die Kugel, noch den Tod. Doch ich hatte das Gefühl das das eine auf das andere folgte. So war es schließlich fast immer. ,,Jisung!", rief Minho als er nicht nur erkannte was los war, sondern es auch noch realisierte. Zeitgleich stürmte er auf mich zu und schmiss sich beinahe neben mir auf seine Knie. Kurz schaute er an mir herunter und versuchte sein angsterfülltes Schlucken, als er ausfindig machen konnte wo die Eintrittsstelle war, zu unterdrücken. Ich merkte sofort das es nichts Gutes verheißen konnte, hatte aber weder die Kraft, noch die Überwindung dazu, selbst nachzuschauen, wo es mich erwischt hatte. Womöglich würde man jetzt davon ausgehen, dass ich es spüren müsste, doch ich tat es nicht. Es fühlte sich an, als würde mein Körper versuchen die Katastrophe abzuwenden indem er mir den Schmerz betäubte und mich müde machte. Dies war aber sicherlich bloß eine Nebenwirkung des Blutverlustes.

,,Hol Chan.", befiehl er dem jüngeren diesmal nicht spaßend. Kurz blickte er den andern schockierten an und fügte laut und auffordernd hinzu: ,,Mach schon!" Als der Beauftragte mit schnellen Schritten verschwand und Minho und mich zurück ließ, setzte sich besagter hinter mich und schien sich, so wie ich es vermutete ohne es selbstständig zu sehen, an einen Baum zu lehnen, mich von hinten zu stützen und mich vorsichtig so abzulegen, dass ich mit meinem Rücken an ihm lehnen konnte. Dabei spürte ich seinen schnellen Herzschlag und seine Arme, welche mich noch etwas weiter an ihn drückten. Sein Kopf befand sich etwas links von mir, da ich auf seiner rechten Brustseite mit meinem Hinterkopf unterhalb seines Kinnes lehnte. Seine rechte Hand fuhr mir durch die Haare, seine linke versuchte unauffällig und vorsichtig das Blut zu stoppen, welches mich verließ als hätte es schon Jahre darauf gewartet. Ich spürte seine Hand auf meinem Oberkörper und wusste wie schlecht es demnach für mich aussah. Mein Gehirn versuchte mich davon abzubringen daran zu denken, was gerade in meinem Körper alles schief ging. ,,Jisung.", murmelte Minho leise und beinahe so, als wäre es eine Aussage, welche nur mit Bedacht gesagt werden durfte, ,,alles wird gut, ja?" Mit dem beenden seiner Worte spürte ich seinen warmen Atem, gefolgt von einem langen Kuss, welchen er mir auf meinen vorderen Haaransatz gab. Ich lächelte leicht und das, obwohl ich wusste das die Worte alles wird gut nur von Leuten verwendet wurden, welche sich selbst davon überzeugen mussten, dass es gut gehen würde, vor dem Hintergrund das es mit großer Wahrscheinlichkeit alles andere als gut gehen würde.

Dankbar für seine Nähe, ließ ich meinen Kopf seitlich etwas nach links rollen und erreichte damit, gemütlicher und mittiger an ihm zu lehnen. ,,Wir hätten gehen sollen bevor die Zeit weiter gelaufen ist, ich hätte es verhindern müssen-" ,,Shh.", unterbrach ich ihn nur vorsichtig und spürte die Hitze in meinem Kopf ansteigen, sobald ich redete, ,,mach dir nichts vor, du hättest mich nicht aufhalten können. Ich hätte Seungmin nicht zurück gelassen." Meine Worte schwankten immer wieder zwischen einem leisen Flüstern und einem einzigen Raunen, doch Minho schien es zu verstehen. ,,Du bist so ein Idiot.", stellte er keinerlei vorwurfsvoll und eher traurig fest, brachte mich damit dennoch dazu meine Mundwinkel kurz in die Höhe wandern zu lassen. Ich hatte das Gefühl er wollte noch etwas ansetzen, tat es jedoch nicht. Stattdessen blieb es kurz still und ein kurzer Blick nach oben verriet mir, dass er weinte. Nicht viel, es war eine kleine Träne welche seine Wange herunter kullerte, gerade als ich hochschaute. Der Anblick brachte mein Herz zum schmerzen. Langsam und nur mit einem erschöpften zittern schaffte ich es meine linke Hand an seine rechte Wange zu legen, sodass er nach rechts zu mir herunter schaute. Unsere Blicke trafen sich. ,,Du darfst nicht weinen.", verbot ich ihm und wischte mit besagter Hand vorsichtig die eine Träne davon. ,,Warum nicht?", fragte er nur und schien damit zu kämpfen zu haben den Damm an Tränen nicht brechen zu lassen. ,,Ich habe dich noch nie weinen sehen.", bemerkte ich leise und mit all der Sorge, welche mir zugänglich war in meinen Augen, ,,ich sehe dich viel lieber lächeln." Und tatsächlich erreichte ich mit meinen Worten ein Zucken seiner Mundwinkel in die Höhe. Es war gezwungen, aber er tat es für mich. 

,,Halt noch ein bisschen durch.", flehte mich der Braunhaarige leise an und drückte meinen Kopf mit seiner rechten Hand sachte etwas näher an sich, ,,Chan kommt gleich und dann macht er das wieder gut." ,,Minh-" ,,Nein, ich will gar nichts hören.", unterbrach er mich und blinzelte ganz oft hintereinander in der Hoffnung einen Anstoß von Tränen wegblinzeln zu können, was ihm nicht gänzlich gelang, ,,ich will nur das du noch etwas durchhältst." Ich versuchte aus zwei Gründen nicht gegen ihn anzukommen. Zum einen hoffte ich natürlich ebenso, dass Chan kommen und helfen würde und zum anderen wollte ich ihm die Hoffnung nicht nehmen, selbst wenn sie mich mit jeder vergehenden Sekunde mehr und mehr verließ. Ich wurde einsichtig auf das mir bevorstehende und ich begann damit es zu akzeptieren, selbst wenn es gegen jeden erdenklichen Überlebenstrieb der menschlichen Natur sprach. ,,Ich-" ,,Jisung!" ,,Ich liebe dich.", setzte ich dennoch fort und erkannte wie der Schimmer in seinen Augen weich wurde, nachdem ich ausgesprochen hatte. ,,Ich dich doch auch.", murmelte Minho leicht verzweifelt und setzte einen erneuten und diesmal kurzen Kuss auf meine Stirn, ,,aber es gibt keinen Grund mir das jetzt zu sagen, du wirst nicht sterben." Es war schon wieder dieser Wille sich selbst zu überzeugen, welcher mir bewies, dass er tief in sich drin nur nicht akzeptieren wollte, dass Seungmin Chan nicht schnell genug finden konnte. Dieser Wille, welcher von alles wird gut zu du wirst nicht sterben umschlug und eigentlich bedeutete nichts wird gut und du wirst sterben. Zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit.

,,Ich weiß.", log ich über mein Gefühl hinweg und schenkte ihm mit letzter Kraft ein Lächeln, ,,alles wird gut, richtig?" Er nickte leicht und akzeptierte meinen Kuss, als ich mit meiner Hand etwas ungeschickt dafür sorgte, dass er mit seinem Kopf näher zu mir herunter kam und meine Lippen gefühlvoll auf seine legte. Mit dem schließen meiner Augen währenddem unsere Lippen miteinander verbunden waren, wurde mir jedoch bewusst, dass es für ein erneutes öffnen zu spät war. Ich ließ nicht, so wie es in den meisten Erzählungen immer hieß, einfach los. Ich hing an meinem Leben. Mehr als es mir lieb war. Somit würde ich es eher so beschreiben, als würde mich etwas Unterwasser drücken und nicht ablassen, während ich versuchte einen klaren Kopf zu behalten und mich zu wehren. Doch es funktionierte nicht. 

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Dieses Kapitel war aber ein Ritt-

Ich weiß selbst nicht ganz was ich davon halten soll, da es so kitschig ist. Aber irgendwie mag ichs trotzdem ^^'

Danke fürs lesen!

next to time - MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt