Kapitel 4

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Ich kam an meinem Ziel an, welches das Zuhause meines besten Freundes war. Da ich des Öfteren zu ihm geflohen war nach einem heftigen Streit, egal ob mit meinem Vater oder einer meiner beiden Schwestern, hatte ich hier Klamotten gelagert.

Sie waren in einem Busch versteckt, der groß genug war, das ich mich dahinter verstecken konnte. Deshalb konnte ich mich in meine menschliche Form verwandeln und hatte einen Sichtschutz vor mir. 

Die Hose samt Shirt hatte ich schnell gefunden, da sie noch am selben Fleck lagen. 

Ich zog mir zuerst schnell die Jeans an und anschließend das Shirt. An Socken hatte ich nicht gedacht, weshalb ich barfuß unterwegs war. Aber das konnte mir egal sein, denn ich hatte ein gigantisches anderes Problem. 

Während ich auf das Haus zuging, kontaktierte ich Finnick über den Mindlink mit welchem das ganze Rudel verbunden war. So könnte man jeder Zeit mit jedem Rudelmitglieder in Kontakt treten.

"Finns? Du bist hoffentlich zu Hause." Das hätte ich vorher fragen sollen. In der Verzweiflung hatte ich das vollkommen vergessen. Die Antwort bekam ich sofort: "Ja klar." Scheinbar hatte ich es geschafft eine feste Stimme zu haben, denn er klang weder besorgt noch beunruhigt.

Keine Ahnung, wie ich so ruhig bleiben konnte. Vermutlich war ich in einem Schock oder wollte es nicht akzeptieren. Vielleicht war es auch beides. 

Als ich die Hintertür erreichte, sagte ich: "Ich betrete soeben das Haus." Er lachte und meinte: "Sehr gut, ich bin auf meinem Zimmer." Leider würde ihm das Lachen bald vergehen.

Ich öffnete die Tür, da dieses Haus praktisch mein zweiter Wohnsitz war. Finns Eltern störte das nie und sie empfanden es sogar als normal, dass ich ein und aus ging, wie ich wollte. 

Ich eilte den Gang entlang zur Treppe und diese hoch. Ich nahm zwei Stufen auf einmal, damit ich schneller voran kam. Trotz meiner kurzen Füße bekam ich es hin, allerdings war das eine Meisterleistung. 

Oben angekommen war die zweite Tür links mein Ziel. Sie war geschlossen, aber da er wusste, dass ich kam, konnte ich diese sofort öffnen. Ein Anklopfen wäre sinnfrei. Mit Schwung öffnete ich diese, betrat den Raum und schloss sie schnell hinter mir.

Finns saß an seinem Schreibtisch und arbeitete am Laptop. Er hob den Zeigefinger und erklärte: "Gib mir nur einen Moment." "Klar." 

Das arme Ding würde den Schock seines Lebens früh genug bekommen. Diese Ruhe gönnte ich ihm, da ich selbst maßlos überfordert war. 

Falls ich tatsächlich ging, musste ich ihn mir einprägen und sehr genau ansehen. Wer weiß, ob ich ihn je wiedersehen würde. 

Er tippte am Laptop und richtete sich gerade seine Brille auf der Nase. Der Nerd liebte die Technik und alles was mit Computern zu tun hatte. Seine verwuschelten braunen Haare wiesen mich darauf hin, dass er den ganzen Tag daran hing. 

Wir beiden hatten auch nur einander als Freunde. Wir waren zu Schulzeiten stets die Außenseiter gewesen. Er als der Streber und ich als die Tochter des brutalen Alphas. 

Gut möglich, dass wir deshalb befreundet waren, da es keine anderen Optionen gegeben hatte. Allerdings war das irgendwie Blödsinn. Wir waren auf einer Wellenlänge und verstanden uns wortlos. Ich wollte mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen, seit ich denken konnte war dieser Mann an meiner Seite. 

Schließlich klappte Finns den Laptop zu und wandte sich an mich. Sein erfreuter Gesichtsausdruck wechselte zu besorgt und verwirrt. Also sah man es mir an, lediglich meine Stimme konnte meine wahren Gefühle verbergen. 

Sobald er die Neuigkeiten kannte, würde ich es nicht mehr schaffen ihm in die Augen zu blicken, weshalb ich zu seinem Bett ging und mich auf die Kannte setzte. 

"Layla, was ist los?" 

Wie sollte ich ihm das bitte sagen? 

Ich holte tief Luft, sah ihn doch wieder an und fing an: "Bleib bitte ruhig und geh das mit mir diplomatisch durch. Ausrasten kannst du später auch noch." 

Er stand von seinem Sessel auf und musterte mich irritiert. Egal mit was er rechnete, aber sicherlich nicht mit den wahren Fakten. Finns kam auf mich zu und ich folgte ihm mit meinem Blick. Man konnte erkennen wie er angestrengt nachdachte. Vermutlich dachte er darüber nach, was wir in letzter Zeit angestellt hatten. 

Kurz darauf setzte er sich neben mich und meinte: "Ok, schieß los. Mir fällt nichts ein." Ich nahm seine Hand und drückte sie leicht. Das gab mir Halt und ihm vermutlich genauso. 

"Finns, ich mache keine Scherze, also stell keine unnötigen Fragen. Und bitte frag mich nicht, warum ich derart gelassen bin. Ich habe selbst keine Ahnung." 

Da ich eine Pause machte, schubste er mich mit seiner Schulter an, damit ich fortfuhr. Ich musste mich räuspern, um überhaupt zu weiteren Worten fähig zu sein. "Mein Vater hat mich verkauft und das an Xavier Blackmoon. Wenn ich bleibe, dann zerhackt die Bestie dieses Territorium." 

Er musterte mich und ich konnte praktisch sehen, wie sein Hirn ratterte. Es dürfte dauern bis die Akzeptanz kam. Vermutlich kam die erst, wenn ich tatsächlich weg war. Sofern Jason das nicht regeln konnte, wofür ich innerlich betete. 

Schließlich fragte er: "Xavier Blackmoon, wie Alpha Blackmoon alias der grausamste Mann weit und breit? Der mächtigste Alpha mit dem größten Territorium, weshalb man es sich nicht mal vorstellen kann?" 

Ich nickte und war vollkommen gefühlstaub. Irgendwie war da nichts mehr in mir. Es war wie eine gähnende Leere in der Wüste, wo nichts außer Sand war und nur alle paar Kilometer ein stacheliger Kaktus wuchs.

Finns fuhr sich mit seiner freien Hand durch die Haare und sah nach vorne zur Wand. Das Unglauben hatte ihm groß ins Gesicht geschrieben gestanden. 

Aber in der nächsten Sekunde schnellte sein Blick zu mir. Er hatte scheinbar eine Idee. Das war ganz mein bester Freund. Sein Hirn arbeitete ständig in Lichtgeschwindigkeit Lösungen aus. Das war wie eine automatische Reaktion von ihm. 

"Layla, wir hauen ab. Wir packen nichts und fahren sofort los." Er stand auf und zog mich an meiner Hand mit sich. Allerdings blieb ich stehen, weshalb er es zwangsläufig tat und sich an mich wandte.

Er sah mich fragend an, weshalb ich erklärte: "Jason und meine Mum reden mit meinem Vater. Vielleicht kommen sie zu einem anderen Ergebnis." 

Ich sah ihm an, dass er dasselbe dachte, wie ich vorhin. Mein verhasster Erzeuger ließ sich von nichts abbringen, das einmal in seinem Kopf war. 

Im Grunde war mein Schicksal längst besiegelt.

Cruel Alpha | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt