{60} Belüge mich, pt. 2

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»Lass los, verdammt«, sagte Kasimir und versuchte vergeblich, sich Francescas Griff zu widersetzen, während sie ihn forsch die Treppen herunterzerrte. »Er ist noch nicht fertig ...«

Sie antwortete nicht, drehte sich nicht einmal nach ihm um. Was ging hier vor sich? Was fiel ihr ein, ihn während des Vorspiels aus dem Saal zu schleifen?

Kasimir hatte Hemmungen, sich gegen ihren Zug zu stemmen, zudem übte sie einen üblen Druck auf sein Handgelenk aus, der erst nachließ, als sie das Foyer erreicht hatten. Als er sich endlich befreien konnte, blieb ihm keine Zeit für eine Nachfrage. Francesca drängte ihn an die Wand hinter der Treppe, packte ihn an den Schultern und presste ihn grob dagegen.

»Du wirst mir jetzt sofort sagen, von wem diese blaue Jacke ist«, fuhr sie ihn so aufgebracht an, dass es ihm die Sprache verschlug. Mehr als ein klägliches »Was?« brachte er nicht zustande.

»Die Jacke, mit der du hergekommen bist. Die gehört Dawid, richtig? Und wage es nicht, mich anzulügen.«

»Fass mich gefälligst nicht an«, gab er zurück und schob sie von sich. »Was geht dich das an?«

»Eine Menge, also antworte. Was ist zwischen euch gelaufen?«

Kasimir wusste nicht, wie ihm geschah. Er war in Gedanken noch immer bei Leonhards Auftritt und nun löcherte ihn dieses Weib mit impertinenten Fragen, die er nicht im Geringsten einzuschätzen wusste.

»Wovon redest du?«

»Du bist nach der letzten Runde mit ihm ins Hotel gegangen, stimmt's? Was ist dann passiert?«

»Woher weißt du ... zur Hölle, was willst eigentlich von mir?«

»Hast du mit ihm geschlafen?«

»Was?«, erwiderte er gereizt. »Deswegen hast du mich aus dem Raum gezerrt? Was glaubst du, was Leo jetzt denkt? Was, wenn er sich verspielt und ...«

»Der kommt zurecht«, sagte sie um Beherrschung bemüht. »Er hat um Welten besser gespielt als Paula. Aber es geht jetzt nicht um ihn, klar? Ich will, dass du dich zusammenreißt und deinen blöden Stolz beiseiteschiebst. Antworte auf meine Frage. Das ist wichtiger für dich als dieser beschissene Wettbewerb.«

Die Härte ihrer Worte ließ ihn innehalten. Dazu kam ihr Blick, in dem so viel mehr lag als Wut und Arroganz. Was war das, Sorge?

»Und wenn es so wäre?«, zischte er abweisend.

Das Klacken einer Tür hielt sie von einer Erwiderung ab, kurz darauf hörte Kasimir die Stimme seiner Schwester, die seinen Namen rief.

Francesca trat einen Schritt auf ihn zu, sodass ihm kaum mehr Raum zum Atmen blieb.

»Antworte mir.«

Das Funkeln in ihren Augen wühlte ihn auf, doch er dachte nicht daran, auch nur einen Zentimeter zur Seite zu weichen.

»Wofür hältst du mich eigentlich?«, flüsterte er finster. »Ich habe mir seine Klamotten geliehen. Mehr nicht.«

Daraufhin erklangen Schritte über ihren Köpfen. Francesca bedrängte ihn zunehmend, als wolle sie die letzten Sekunden vor Cecilies Eintreffen nutzen, um die Wahrheit aus ihm herauszupressen. Vergeblich. Als Cecilie in die Mitte des Foyers getreten war und sich ratlos umsah, ließ sie widerwillig von ihm ab und wandte sich um.

»Wir sind hier.«

Kasimir hätte nicht erwartet, seine Schwester einmal so perplex dreinblicken zu sehen. Allerdings hatte es auch nie in seiner Absicht gelegen, in flagranti mit einer übertemperierten Italienerin unter der Treppe erwischt zu werden.

All Eyes On Me [1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt