{46} Just give me a reason

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Just give me a reason, just a little bit's enough,

just a second, we're not broken just bent, and we can learn to love again,

it's in the stars, it's been written in the scars on our hearts,

we're not broken just bent,

and we can learn to love again.


Die Melodie weckte ihn in ihrer Schönheit, ihrer Bedeutung und dem vollendeten Klang des Pianos, sodass er vorsichtig die Augen aufschlug, blinzelte und glaubte, sein Schädel würde jeden Moment in tausend Teile zersplittern.

Leo stöhnte und drehte sich zermartert auf die Seite, presste das weiche Kissen auf seine Ohren und versuchte sich darauf zu konzentrieren, den Schwindel vor seinen Augen in den Griff zu bekommen.

Wo war er? Was war passiert? Und wieso roch alles nach Prada?

Das anhaltende Geklimper aus dem Nebenraum sägte an seinen Nerven. Er kannte das Lied, wusste über seine Länge bescheid und krümmte sich angesichts der Perspektive, dem zerstörerischen Lärm noch über anderthalb Minuten ausgesetzt zu sein. Das akustische Martyrium resultierte in einer Art Jammerreflex, den er nicht unterdrücken konnte, und so versuchte er sich im Kissen festzubeißen und dem Presslufthammer entgegenzuwirken, der in seinem Kopf neue Verbindungen zwischen Reue und dummen Einfällen schuf.

Glücklicherweise blieben seine Schmerzenslaute nicht unbemerkt. Nur wenige Sekunden später verstummte das Klavierspiel und wurde von forschen Schritten abgelöst, die sich seinem Aufenthaltsort näherten. Er lugte vorsichtig unter dem Kissen hervor, erkannte die cremefarbene Tapete und schneeweißen Lackmöbel mit Glastüren, hinter welchen eine alte Violine ausgestellt war. Dieser Ausschnitt kam ihm bekannt vor, er war schon einmal in diesem Raum gewesen. Letzte Woche erst. Und spätestens als der Hall der Schritte erstarb und jemand im Türrahmen neben der Kommode stehen blieb, wusste er, dass er sich unwissentlich in eine ganz katastrophale Lage gebracht hatte.

»Na? Ausgeschlafen, Dummkopf?«

Franna musterte ihn wie einen Laib gammligen Brotes, das sie in der Hoffnung aus dem Supermarkt mitgenommen hatte, man könne es noch essen. Doch das war offensichtlich nicht der Fall. Leo fühlte sich jedenfalls wie mindestens dreimal wieder hochgewürgt.

»Autsch ... Mist ...«, murrte er, ehe der drückende Schmerz in seiner Stirn wieder seine volle Aufmerksamkeit beanspruchte.

»Geschieht dir recht. Unfassbar, wie bescheuert man sein kann. Eigentlich hätte ich dich achtkant rausschmeißen müssen, nachdem du letzte Nacht in die Diele gekotzt hast.«

Was? Er hatte sich übergeben? In Frannas Villa? Wann? Und wie war er hierhergekommen?

Leo wurde mit einem Mal eiskalt. Er erinnerte sich nur schemenhaft an die Ereignisse der vergangenen Nacht. Sie waren essen gewesen, er war mit Kasimir in die Neustadt gefahren, sie waren zweimal falsch umgestiegen ... und danach sah es düster aus.

»Wo ist Kasimir?«

Leo war in seiner Begleitung in den Club gegangen, so weit ließen sich seine Gedanken noch ordnen. Die Art, in der sich Frannas Blick bei Erwähnung seines Namens verfinsterte, ließ ihn jedoch Böses ahnen.

»Nicht hier«, sagte sie knapp. »Ich hoffe, der hat genau so einen Schädel wie du. Was fällt dir ein, mich zu täuschen? Von wegen Kirchbesichtigung, feiern gegangen seid ihr. Ist dir eigentlich klar, in welcher Situation du dich befindest? Dein nächster Auftritt ist am Samstag. Samstag! Das ist in einer Woche!«

All Eyes On Me [1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt