{10} Andare in bestia, pt. 3

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»Excusez-moi, Madame«, beteuerte der Maître des Restaurants. »Es wurde leider keine Reservierung auf den Namen Vielli im Register eingetragen.«

»Das macht nichts«, erwiderte Francesca. »Ich habe eben gesehen, dass ein Pärchen den Laden verlassen hat, also steht ein Tisch für zwei bereit, nicht wahr?«

»Pardon, diesen Platz haben wir in einer halben Stunde für einen anderen Gast reserviert ...«

»Ist dieser Gast ein Weltklasse-Pianist?«

Oh nein, nicht schon wieder. Leo vergrub die Hände in den Taschen und wäre am liebsten hinter dem Kleiderständer verschwunden. Jedes Mal dieselbe Nummer. Francesca kannte keine Gnade, wenn es um die Erfüllung ihres Willens ging.

»Comment, s'il vous plaît?«

»Im Gegenzug für den freien Platz biete ich Ihnen eine Kostprobe der herausragenden Fähigkeiten eines mehrfach ausgezeichneten Klaviertalents. Leonhard Valentin wird Ihnen ohne Vergütung ein Stück auf Ihrem Steinway darbieten. Das ist eine Chance, die sich vermutlich nie wieder ergibt.«

»Wer, Madame ...?«

Jetzt war die Zeit zur Flucht gekommen. Leo scannte den Raum nach einem Unterschlupf ab, in welchem er sich für die nächsten zehn Minuten verkriechen konnte. Leider nicht schnell genug. Francesca packte ihn am Ärmel seines Sakkos und zerrte ihn an ihre Seite. Dem Herrn vor ihnen schien ein Licht aufzugehen.

»Ah oui, Sie kenne ich! Ich habe ein Plakat an der Semperoper gesehen .... Mon dieu, es wird sich gewiss etwas einrichten lassen. Vielleicht setzen Sie sich erst einmal, ich werde mich um die gebuchten Herrschaften kümmern.«

»Na bitte«, raunte Francesca Leo ins Ohr. »War doch kein Fehler, deine schnuckelige Visage auf das Banner drucken zu lassen.«

»Und ob«, widersprach er und sah sich zwischen den Tischen um wie ein Reh auf weiter Flur. »Du missbrauchst mich dauernd für deine niederen Zwecke. Auch wenn ich dir zur Abwechslung möglicherweise dankbar bin.«

Dieses Mal gelang es ihm, als Erster den eben geräumten Platz am Panoramafenster zu erreichen und ihr den Stuhl vorzuziehen, ehe sie sich plump darauf niederließ. Dieses Verhalten passte überhaupt nicht zu ihrer eleganten roten Abendrobe, den mühevoll gedrehten Locken und dem sanften Schimmer, in welchem ihr Make-up das Gesicht erstrahlen ließ. Sie war ein ebenso sonder- wie wunderbares Geschöpf, dass Leos Herz immer einen Sprung machte, sobald sie ihn mit ihren grünen Augen kritisch musterte.

»Was du nicht sagst?«, erwiderte sie und wartete, bis er sich ihr gegenüber niedergelassen hatte. »Lag nicht in meinem Ermessen, dir eine Freude zu bereiten. Darf ich fragen, was dir daran so gefällt?«

»Ich glaube, ich habe jemanden gesehen, den ich kenne«, sagte Leo und beugte sich zu ihr hinüber. »Jemanden, den ich seit Jahren wiedertreffen wollte.«

»Kein Mädchen, hoffe ich?«

»Nein. Ein übler Ganove.«

»Wie bitte?«

»Haha, keine Sorge«, meinte er und drehte sich zur Eingangstür um. Soeben betraten die beiden Kellner den Gastraum. Sein Blick heftete sich sofort an den abwesend wirkenden Jungen. »Ich denke, du wirst sehen, was ich meine. Spätestens, wenn ich in die Tasten haue, wirst auch du ihn wiedererkennen.«

All Eyes On Me [1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt