30. Schlips und Anzug

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Ren

Ich wühle in meinem Zimmer herum. Ein riesiger Haufen Kleidung stapelt sich vor mir, zu einem Berg, den ich wahrscheinlich nie wieder in den Griff bekommen werde. Mit jedem Kleidungsstück werden meine Gedanken wilder. Aki? Nein. Zu chaotisch. Kiyoka? Nein. Unser Verhältnis ist zu distanziert. Und... nachher will er mir noch Zöpfe flechten und Make-Up auflegen... Juuzen ist nicht da, seine Familie macht einen Ausflug ans Meer, für Familienfotos mit Babybauch. Vielleicht könnte ich Haruko eine Mail schreiben? Sie würde mir bestimmt helfen. Aber ich könnte sie nicht anlügen. Was würde sie wohl denken, wenn ich ihr von mir und Haru erzähle? Juuzen kennt meine Gedanken darüber, er meinte ich solle es auf keinen Fall machen. Ich solle ihm vertrauen... aber verstehen tue ich es nicht. Naja, Haru wäre auch nicht begeistert. Aber würde gerade Haruko uns Probleme machen?

Wenn mir also irgendeiner aus diesem Haushalt helfen kann, dann er. Ich brauche Hilfe. Anders wird das nichts.

Ich klopfe.
„Shima.", sage ich leise. Zu leise. Man, ich bin so nervös. Ich hasse es. Meine Sozialkompetenzen scheinen sich zu verdünnisieren, ich versuche es nochmal. 'Wenn du jemanden um Hilfe bitten willst, musst du es ordentlich und mit einer erhöhten Tonlage am Ende aussprechen und somit als Frage formulieren.' Harus Worte hallen in meinem Kopf nach.
Ich klopfe erneut. „Shima? Ich bin es, ich brauche deine Hilfe. Bist du da?", starte ich einen zweiten Versuch. Das war gut. Das war sehr gut.
Die Tür öffnet sich. „Hi. Ren, du kannst ruhig herein kommen, wir sind schließlich Brüder, oder?" Er lächelt mich an. Ich muss hoch schauen. Mit schlaksiger Figur, in Jogginghose und einem grauen Langarmshirt steht er vor mir. Ein Handtuch liegt um seine Schultern. Kopfhörer hängen um seinen Hals, die zu einem MP3-Player in seiner Hosentasche führen. Sein Zimmer ist hell erleuchtet. Nicht nur das Deckenlicht ist an, auch seine kleine Schreibtischbeleuchtung die ich so mag, ist eingeschaltet. Obwohl es Nachmittag ist und sein Zimmer normalerweise die Abendsonne abbekommt, ist es wegen der dicken Wolkendecke düster draußen. Die Gardinen sind komplett aufgezogen, das Fenster ist geöffnet. Er scheint jegliches Licht einfangen zu wollen. Viele Bücher liegen gestapelt um seinen Schreibtisch, seine Stifte und Papiere sind aber alle geordnet auf seinem Arbeitsplatz sortiert. Mich verlässt der Mut.
„Nein du störst nicht, bitte komm herein." Ich setze mich schweigend auf sein Bett. „Du bist einfach zu lesen Ren. Deine Augen haben den ganzen Raum abgesucht. Du analysierst wahnsinnig viel in nur ganz kurzen Augenblicken."
Ich schweige immer noch. „Es ist heute soweit, oder?" Ich nicke, schaue ihn diesmal bewusst an. „Ja.", sage ich. „Haru ist noch im Café, oder?", fragt er, obwohl er doch die Antwort kennen müsste. Smalltalk also... „Ja, er erledigt ja diese Woche ausschließlich Büroarbeiten, er möchte die Gäste nicht verschrecken,... wegen der blauen Flecken...", versuche ich mitzureden. Auf der Party letzte Woche war es einfach mit Shima zu reden, aber jetzt, wo ich ihn um Hilfe bitten will und wir so ganz alleine sind, ist es nicht mehr einfach. Smalltalk ist vielleicht eine ganz gute Idee.

„Typisch Haru. Ich sehe nichts mehr davon. Seine Haut ist doch wieder so wie immer?", er streift sich das Handtuch vom Nacken, legt es zusammengefaltet über den Stuhl. Er rückt sich die Brille zurecht, greift sich mit den Händen etwas durch die Haare. Zudem hat er klitzekleine Stoppeln in seinem Gesicht... er sieht.. unrasiert aus? Ich glaube ich habe Shima noch nie so angesehen. Ich habe ihn glaube ich generell noch nie als Mann wahrgenommen. Ob er mich und Haru auch manchmal so beobachtet, wie ich ihn gerade? „Oder findest du nicht?", fragt er nochmal. Ich fühle mich ertappt, werde rot. „Äh ja, nichts mehr zu sehen.", bestätige ich.
„Ach ja. Na schau. Alles wird wieder gut. Irgendwann ist der Schreck auch vergessen. Es fehlt nur noch die Gerichtsverhandlung, aber dann können wir weiter ziehen. Das ist sehr wichtig. Man darf sich nicht von der Angst in Beschlag nehmen lassen. Hörst du?", sagt er, in seiner sanften und wie immer ruhigen Art. Das mag ich an ihm. Er ist bestimmt und stabil. Er wäre ein perfekter Rudelführer. Er strahlt die richtige Energie aus. Er ist manchmal so ruhig, dass er gar nicht wahrgenommen wird. Dazu noch mit Aki verglichen, wirkt er wie eine graue Maus. Aber er ist intelligent und stark. Er zeigt es nur nicht jedem. Wer ist Shima eigentlich? Er beugt sich kaum merklich nach vorne. „Also, wobei kann ich dir helfen?"

Als wir in meinem Zimmer stehen, fängt er an zu grinsen. Er kichert fast schon vor sich her, versucht aber, es sich zu verkneifen. Ein Teufelskreis. „Wow. Da muss doch etwas dabei sein?", versucht er zu analysieren, aber kann das grinsen immer noch nicht aus den Mundwinkeln vertreiben.
„Ich bin aufgeregt. Wir hatten noch nie so etwas wie ein Date. Haru will mich nicht sehen. Wir wollen uns erst an der verabredeten Stelle treffen.", sage ich dazu. „Naja, so sollten Dates doch auch sein. Weißt du, was er machen möchte?", fragt er wieder, während er immer noch den Wäscheberg anstarrt.
„Nein. Nicht genau. Er hat mir gerade erst den Zielort und den Namen des Restaurants verraten. Mehr nicht.", sage ich wieder. Als ich Shima wieder bewusster anschaue, kommt das Gefühl vom Frühstückstisch heute morgen wieder hoch.
„Seid ihr wirklich nicht enttäuscht, dass ich euch Haru heute Abend wegnehme? Ich meine, wir hätten auch alle zusammen seinen Geburtstag feiern können. Oder sollen? Aki wirkte etwas unentspannt heute morgen. Ich dachte, wir würden nun offen reden... aber ich habe das Gefühl, er war sauer. Oder gestresst."
„Ja, in der Tat ist das auch so. Aber es hat nichts mit Haru oder dir zu tun. Ihm geht es sehr viel besser nach der Aussprache. Wir haben vorgestern die Punkte für die Klausuren bekommen und Akis waren einfach nicht ganz so gut, wie er es sich erhofft hatte. Nächste Woche leitet sich zudem die neue Phase ein. Jeden Dienstag und jeden Freitag eine Klausur. Da müssen wir nun wirklich an jeder Vorlesung teilnehmen. Man verliert schnell den Anschluss." Ich schaue ihn nochmals genauer an. Eigentlich weiß ich nichts von Shima und Akis Leben. Das erste Mal seit ich hier lebe, finde ich das plötzlich schade. Ich habe Shima immer lernen sehen, Aki hat sich gefreut wenn er frei hatte oder nicht lernen musste... aber sonst habe ich nicht viel mitbekommen. Viermal die Woche arbeiten sie im Café. Aufgeteilt nach deren Studienplänen. So wie es passt. Und sonst? Wer sind die beiden?

Shima reißt mich heraus, als er ein rosafarbenes Shirt hochhält.
„Wo ist das denn her?" Er lächelt. „Aus Kanada. Fumie hat es mir zum Geburtstag geschenkt. Hinten ist ein kleines, weißes Rentier im Nacken.", antworte ich ihm. Ich mag dieses Shirt. „Es passt aber nicht mehr."
„Fumie ist doch die Frau von Rob, richtig? Sie haben Haruko geholfen und dir ebenso, oder? Waren sie eure Nachbarn dort?", fragt er weiter.
„Ja, so könnte man es sagen. Sie waren wie eine Art Großeltern. Sind es.", korrigiere ich mich. Er lächelt. Shima hat sich vor den Wäscheberg gesetzt und schaut sich die Kleidung Stück für Stück an.

„Also so wie ich Haru einschätze, könnte ihm das hier gefallen." Er beugt sich vor und zieht eine Khakigrüne Hose, ein bräunlich bis khakigrünes Hemd, von dem ich vergessen hatte, das ich es überhaupt besitze und eine braune Jacke mit Kapuze und Holzknöpfen heraus.
Ich stehe seitlich hinter ihm. Sehe seinen Hinterkopf, seine Silhouette von der Seite. Er sieht Haru gerade wahnsinnig ähnlich. So schlaksig wie er eben noch im Türrahmen gewirkt hat, wirkt er nun überhaupt nicht mehr.
„Du siehst Haru sehr ähnlich.", kommentiere ich meine Gedanken. „Was? Findest du? Das sagen mir eine Menge Leute in letzter Zeit. Naja, immerhin haben wir den selben Vater."
Shima rückt ein Stück vom Berg weg und hin in meine Richtung. Er dreht sich um und guckt mich aus dem Schneidersitz heraus an. Uns trennt nicht viel, ich stehe direkt vor ihm. „Aber so sehe ich eher aus wie Aki, oder?" Er zieht seine Brille ab und strubbelt sich mit der Hand die Haare ganz wirr. Er lacht. „Äh... ja, schon. So auf jeden Fall." Ich gehe ohne es zu merken einen Schritt nach hinten, was Shima sofort zu registrieren scheint. Er widmet sich ohne Kommentar wieder der Kapuzenjacke, setzt eine Brille wieder auf und streicht sich die Haare glatt.

Ich kann nicht genau sagen, was es war. Aber es war mir zu nah.
„Tut mir leid.", sagt Shima bestimmt. „Ich habe mich wohl etwas verleiten lassen." Er steht auf, legt die Kleidung auf mein Bett.
„Kennst du die Zuglinie zu eurem Treffpunkt?", fragt er mich wieder. „Ja, ich brauche nur hier einzusteigen und dort auszusteigen.", sage ich. „Ja, das klingt nach Haru. Er wird schon dafür gesorgt haben, dass du sicher dort ankommst." „Ja, glaube ich auch." Ohne es zu merken, gehe ich wieder von ihm weg. „Danke für deine Hilfe bei der Auswahl. Ich hatte dieses Hemd ganz vergessen. Und das Braun finde ich gut. Also danke." Ich schaue ihn an.
„Manchmal braucht man eben eine zweite Meinung. Und ich finde es schön, dass du dir Gedanken machst. Du sorgst dich viel um Harus Meinung. Das kann mich nur freuen." Shima steht auf und geht Richtung Tür. „Ich finde es ebenso erstaunlich, dass ihr in die Öffentlichkeit geht, ist ja nicht gerade dein Lieblingsort. Aber ich freue mich für euch.", sagt er nochmals. „Ich lerne dann mal weiter, nachher gehe ich noch duschen. Also wenn du ins Bad willst, kannst du gerne vor." Er streicht sich über die Stoppeln. „Uni ist schon ein anderes Lernniveau. Aber es macht Spaß." Er lächelt etwas, es ist aber anders als gerade.

Als er zur Tür rausgeht und mich quasi stehen lässt, kommt er aber kurz darauf nochmal zurück. „Paktregel... Also ähm ich hoffe, du hast das nicht falsch verstanden. Weißt du, ich war immer nur ein kleiner Bruder. Jetzt dich zu sehen, wie du mich um etwas bittest, lässt mich in die Rolle des großen Bruder versetzen. Ich weiß, wir sind uns noch nicht so nah und alles, aber ich habe mich gefreut, dass du mich gefragt hast. Ich habe mich da gerade etwas abdriften lassen. Als du damals zu uns kamst, war ich glücklich darüber. Und manchmal erinnere ich mich an dieses Gefühl. Aber es ist doch etwas komplizierter, nicht wahr?" Er wirkt unsicher, redet schnell, keine Rudelführerrolle mehr zu sehen. „Tut mir leid Shima. Ich weiß nicht, was dieses Verhalten in mir auslöst. Manchmal überkommt es mich, manchmal nicht. Ich habe den Auslöser für mein Zurückweichen noch nicht gefunden. Manchmal habe ich es sogar bei Haru. Aber da ist es anders... Er bringt mich wieder in die Normalität zurück... Ich habe mich auch gefreut, dass du mir geholfen hast. Viel Erfolg beim lernen." Ich merke, wie ich mich verkrampfe. Wir schauen uns nur an. Er nickt mir zu. „Alles in Ordnung."

Ich lasse mich aufs Bett sacken. Wie anstrengend...
Eine Stunde später, ist alles im Schrank verstaut und ich stehe frisch geduscht und angezogen vor dem Spiegel. Ich betrachte mich selbst, werde augenblicklich verlegen. Wenn ich nur an ihn denke, wird mir anders. Ich fühle mich zwar wohl, aber ich fühle mich Haru noch nicht gerecht. Dieses Hemd mit der Jacke sieht zwar gut aus zusammen, aber bin ich das auch? Gut aussehend? Naja, ich wirke immerhin erwachsener...
'Ein Date ist etwas besonderes, zwei Verliebte, die sich hübsch für einander machen...' Diesmal hallen Juuzens Worte aus der Schule nach. Na gut. Das bleibt so. Ich hoffe, ich gefalle Haru.
Unsere Woche verlief normal. Haru war viel im Büro des Cafés. Irgendwie hatte er Schuldgefühle, weil er seiner Meinung nach unnötig lange im Krankenhaus war und Kiyo, Iku und die Crew alles alleine machen mussten. So kann auch nur Haru denken... Heute ist aber unser Abend. Harus Geburtstag. Ich schaue nochmal in den Spiegel, nehme meine Umhängetasche und gehe nach unten.

Ich höre, wie Shima duscht. Als ich die Treppe herunter gehe, sehe ich einen kleinen Zettel auf dem Küchentisch liegen. „Mach dir keine Mühe, genieße jetzt euren Abend. Ich gehe nachher mit Tanuki eine große Runde, also fahr ruhig schon los und warte auf ihn. S." Ich lese den Zettel laut vor, da Tanuki mich anschaut. Ich spüre in meinem Hals, dass mich diese Zeilen berühren. Danke, Shima... ich streichle Tanuki und wünsche ihm viel Spaß. Vielleicht sind wir uns heute ja doch etwas näher gekommen...

Eineinhalb Stunden dauert die Zugfahrt. Wir fahren extra in eine andere Region circa 180 km von unserer Wohngegend entfernt. Haru möchte Privatsphäre. Es war sein Wunsch, sich frei zu bewegen und zu agieren, er wollte keinem Nachbarn oder Gast aus dem White Fang über den Weg laufen. Oder einem Schulkameraden von mir. Mein Blick schweift permanent durch die Häuser, die Städte, die Lichter, die Felder. Alles scheint in unglaublicher Geschwindigkeit an mir vorbei zu ziehen. Nur die Zeit nicht. Die Fahrt dauert unglaublich lange. Haru sagte, er würde mit dem Auto fahren. Wenn unser Zug dann eine Autobahn überquert, muss ich unweigerlich wieder an ihn denken. Irgendwo muss er bestimmt auch in dem Lichterstrom sein.

An der Shimizu-Station von Shizuoka bin ich endlich am Ziel. Shizuoka ist eine Großstadt mit einer ebenso großen Universität und vielen Bildungsmöglichkeiten. Als er mir gestern endlich verraten hat, wo die Reise hingeht, musste ich direkt danach googlen. Das die Stadt nun an der Südostküste Japans liegt und für viele verschiedene Kulturen bekannt ist, weiß ich... Aber mehr konnte ich nicht herausfinden, da ich bei meiner Recherche gestört wurde. Ich bin so gespannt... Er hat dazu ein Restaurant gefunden, dass amerikanischer Herkunft zu sein scheint. Ich muss etwas lächeln. Er macht sich so viele Gedanken. Nur für mich... Und ich kann mich nicht einmal für ein Hemd entscheiden.

Ich frage mich, ob wir nach dem Essen wohl zurück fahren werden, oder ob er sonst noch etwas geplant hat? Aber ich sollte keine Kleidung mitnehmen. Also denke ich, wir belassen es bei heute Abend.

'Die Treppe des Bahnhofes runter, dann rechts. Dann nochmal rechts auf die Hauptstraße. Nur ein paar Meter geradeaus, und du wirst mich und das Restaurant „Vintage" sehen.'
Ich starre die Treppe an als ich aussteige. Ich freue mich. „Hey kleiner, alles in Ordnung?", ein Mann mittleren Alters von der Bahnhofsaufsicht spricht mich an. „Oh äh ja, natürlich. Danke." Ich versinke im Erdboden. Sehe ich so jung und hilfsbedürftig aus?
Natürlich bin ich durch den Zeitvorsprung dank Shima, viel eher am Restaurant als Haru, welches etwas verwinkelt an einer Kreuzung ist. Das Schild ist weit und groß erkennbar. Es sticht sofort heraus, da es in lateinischen Buchstaben geschrieben ist. Irgendwie sieht es schön aus für meine Augen. Es fühlt sich etwas nach Heimat an, obwohl ich mich in Japan auch wie zu Hause fühle. Bei Haru. Um 20 Uhr wollten wir uns treffen. Nun ist es genau halb acht. Vielleicht kommt er ja auch schon bald?
Ich stelle mich vor das Restaurant und lehne mich an einen Pfeiler. Viele junge Leute verschiedenster Herkunft stehen um mich herum. Einige rauchen, andere warten wie ich, wieder andere finden gerade in Gruppen zusammen und betreten das Lokal. Ich höre auch fremde Sprachen heraus und muss wieder lächeln.

Noch bevor er mich sehen kann, sehe ich ihn. Er kommt aus einer anderen Richtung und ich stehe für ihn in einem toten Winkel. Da ich ihn nur zu gerne anschaue, bleibe ich so stehen. Seine Haare hat er zu einem Zopf gebunden. Er trägt schwarze Schuhe, eine schwarze Stoffhose mit Ledergürtel, ein offenes schwarzes Jacket. Dazu ein blaues Hemd und eine lilafarbene Krawatte. Oh Gott. Ich werde wahnsinnig nervös und verlegen. Einen Anzug? Mit Schlips? Und Zopf? Er sieht wahnsinnig heiß aus. Ich schlage meine Hände vor mein Gesicht und presse meinen Körper gegen den Pfeiler. Mein Herz schlägt bis zum Hals.
„Ist das nicht Natsu-san? Was macht er denn hier? Kao-chan komm schnell. Das ist doch Natsu-san? Er trägt seine Haare anders."
Nur einige Meter neben mir wird eine Gruppe aus drei jungen Frauen unruhig und tuscheln vor sich her. Mein Herz scheint abrupt stehen geblieben zu sein. Natsu-san. Harus Name als Host.
Sie erkennen ihn sofort. Und Haru wollte doch extra so weit weg, ohne das ihn jemand kennt... oh nein. Und Haru kommt genau in unsere Richtung.

„Los geh hin Kao! Das ist deine Chance! Wir waren doch einmal in seinem Laden in Tokio. Sag ihm doch, das du ihn nicht aus dem Kopf bekommst." Die Frauen lachen. Die, die sie Kao nennen hat lange braune Haare mit blonden Spitzen, ein enges Kleid an, eine Zigarette in der rechten Hand. Sie scheint verlegen zu sein. „Da... Das ist doch schon 100 Jahre her. Wir haben uns nur einmal gesehen. Auf dem Klassentreffen der Volleyballgruppe... da waren zig Frauen. Als wenn er mich wieder erkennt." Sie ist nervös. Sie stottert. Sie wird unruhig – und ich werde eifersüchtig. Mein Körper ist trotzdem wie eingefroren und ich kann mich nicht bewegen.
Haru stellt sich an den anderen der zwei Pfeiler, die den Eingang umhüllen. Er schaut sich um. Vielleicht guckt er nach mir. Sollte ich mich verstecken? Nein... Was für ein Blödsinn sich hier zu verstecken. Ich gehe ein Schritt nach vorne –

„N – Natsu...-san?" Diese Kao war schneller. „Du bist es doch, nicht? Also... was für ein Zufall? Bist du mit deiner Freundin verabretet?" Ich werde wütend. Was für eine plumpe Anrede um Informationen herauszufinden.
„Ah. Kao-chan, richtig? Was für ein Zufall. Ja, ich bin verabredet." Mein Herz bleibt wieder stehen. Er kennt ihren Namen. Und dazu noch dieser vertraute Suffix.
„Oh. Achso... Schön. Und wie läuft deine Arbeit als Host? Wie geht es dir so?" Die Frauen neben mir kichern. „Sie muss mehr rangehen. Sie ist doch sonst nicht so schüchtern." Sie machen sich lustig. Haru schaut sich wieder um. Er schaut sie zwar an, aber auch eher durch sie hindurch. „Meine Arbeit, ja. Gut."
Seine Augen finden mich. Er strahlt. Sein Gesicht wird sofort heller und zu einem Lächeln.
„Kao-chan. Ich scheine mein Date gefunden zu haben. Tut mir sehr Leid?" Er wendet sich von ihr ab, kommt mit großen Schritten auf mich zu. Die drei Frauen gucken durch mich hindurch, als würden sie eine Frau suchen, die hinter mir steht. Letztendlich fällt ihr Blick doch auf mich.

„Ah, das muss bestimmt einer deiner Brüder sein." Die braunhaarige lacht nervös auf. Eine der anderen Frauen gibt ihr einen Stoß in die Seite. „Das ist ja echt süß, was machst du denn heute Abend sonst noch so? Wollen wir noch auf einen Drink wo anders hingehen?" Haru ignoriert sie komplett. Als er mich erreicht, nimmt er meine Hand, umarmt mich und küsst mich. „Ren. Hi." Er küsst nicht mich, seinen Bruder. Er küsst mich, seinen Freund. Sein Date. Ich erwidere diesen Kuss nur zu gerne. „Äh? Was – Natsu...-san?" Ich höre ihre Stimme, aber sie scheint beim 'san' zu brechen.

„Wer ist das? Bist du... schwul?" Sie fragt etwas verwirrt und entsetzt in unsere Richtung. Haru nimmt meine Hand und schaut sie an.
„Kao-san", er betont das 'san' mit dem Bedacht, dass er sie eben, bestimmt aus Gewohnheit, noch 'chan' genannt hat. „Mein Name ist Kaidô. Natsu gibt es nicht mehr. Ich bin heute Abend hier, privat. Ich freue mich, dich wieder gesehen zu haben und ich hoffe ihr verbringt ebenfalls einen schönen Abend, aber ich habe heute hier mein Date. Ich wüsste nicht, was dich weitere und intimere Details betreffen. In diesem Sinne, einen schönen Abend euch allen. Wir gehen jetzt rein." Er nickt allen der drei Frauen zu. Ich tue es ihm gleich. Aus Scham nicken die zwei Frauen ebenfalls hastig, diese Kao tut es auch, verzögert, aber sie tut es. „Entschuldige. Ebenfalls." Sie behält den Kopf unten. Mit meiner Größe sehe ich ihr knallrotes Gesicht.

Haru lächelt freundlich und widmet sich dann mir. „Na das fängt ja super an." Er lacht und ich bleibe stehen. „Entschuldige bitte. Jetzt bist du in dieser Situation, dich vor Bekannten erklären zu müssen. Tut mir leid. Ich war zu neugierig um mich besser zu verstecken."
„Ren..." Sein Griff um meine Hand wird schmerzhaft fest. „Das war ein totaler Adrenalinrausch. Es war so befreiend. Das war genial. Also höre auf, dir das zu zerdenken! Sie wohnt nicht bei uns in der Gegend. Wir werden sie sicher nicht wiedersehen. Aber es war schon einmal eine gute Übung dafür, es der ganzen Welt zu erzählen, wenn es soweit ist!"
Ich schaue ihn erleichtert an – und wir betreten das Lokal für unser erstes, richtiges Date.

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Hochgeladen am 17.07.16
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Super Lovers / Mein Leben mit RenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt