50. Mikiko

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Mikiko

Ich lehne mich nochmal in meinen Stuhl zurück und stecke mir eine Zigarette an. Gespannt blicke ich auf meine Uhr. Theoretisch müsste er gleich kommen, immerhin war er immer pünktlich und genau. Ich habe ihn nicht mal zu seinem Abschluss gesehen, aber wie denn auch? Immerhin sind sie zu Haruko in die Schweiz geflogen, statt hier die Abschlussfeierlichkeiten zu veranstalten. Haru wollte es so. Er hatte ihn damals überrascht und die Flüge heimlich gebucht. Ich muss schmunzeln und nehme einen weiteren kräftigen Zug und schaue aus dem Fenster. Die beiden sind schon etwas Besonderes.
Wir haben uns schon so lange nicht mehr gesehen..., wenn ich genauer nachdenke, ist es schon vier Jahre her. Damals habe ich hier meine neue Kanzlei eröffnet und alle eingeladen. Ich ziehe ein weiteres Mal an meiner Zigarette und drücke sie in einem kleinen Kristallaschenbecher aus, den ich schnell wieder in meiner geheimen Schublade verstaue. Gut, wir hatten viel Emailkontakt und ab und zu mal telefoniert, aber obwohl uns nur maximal eine Stunde Fahrzeit trennen, waren wir wohl alle zu beschäftigt um uns wirklich zu besuchen. Schade eigentlich. Vielleicht hätte ich doch vor zwei Jahren Harus Angebot annehmen sollen und mit in die Schweiz fliegen sollen. Aber eine junge Kanzlei wie meine, kann es sich nicht leisten zu schließen. Immerhin ist es meine Kanzlei. Ich bin für alles verantwortlich und ich liebe das, was ich tue. Und ich bin gut in dem, was ich tue. Wäre ich also nicht hier, wäre die Kanzlei auch nicht geöffnet.

Ich freue mich sehr, Ren wiederzusehen. Sein Anruf vor zwei Wochen hat mich gefreut. Der Grund und sein Wunsch nach Recherche kam aber doch irgendwie überraschend. Ich weiß nicht, wie das emotional alles ablaufen wird und ich habe auch Angst, ihm von dem zu erzählen, mit dem er mich beauftragt hat. Ich habe Ergebnisse. Natürlich habe ich die. Ich hatte damals als Haruko ihn aufnahm schon ein paar Sachen recherchiert. Den Spuren nochmal nachzugehen, war keine große Aufgabe für mich. Dennoch habe ich nicht so viel herausfinden können, wie wir beide wohl gerne gehabt hätten. Aber es wird helfen. Und ihn weiterbringen mit dem was er vorhat.

Ein kleines Summen an meinem Telefon ist zu hören und reißt mich aus meinen Gedanken. Ich drücke den Annahmeknopf meines internen Telefonsystems. „Ja?", frage ich leicht nervös und lege meine zweite Zigarette zurück in die Schublade, die ich mir gerade anstecken wollte. „Kashiwagi-san, Kaidô-san ist hier. Er wartet nun im Empfangsraum." „Danke, Kishi-san, er darf natürlich reinkommen. Wir sind verabredet.", erwidere ich und lasse den Knopf los. Ich schaue auf die Uhr. Er ist überpünktlich. Bestimmt ist er genauso nervös wie ich, ich weiß noch, als er bei mir war um mir zu erzählen, dass er sich in Haru verliebt hat und welche rechtlichen Konsequenzen das haben könnte. Er war so süß damals. Mein Gott, das ist eine Ewigkeit her. Ich muss erneut schmunzeln. Ich freue mich sehr den kleinen zu sehen. Er war so tapfer damals.

Es klopft und ich stehe direkt auf, zupfe meinen Rock zurecht und mache das Fenster auf, greife mir nochmal ins Haar und lege meine Lesebrille ab. „Komm herein, Ren!", spreche ich laut und deutlich und gehe einen Schritt Richtung Tür und bleibe wie angewurzelt stehen, als sie sich öffnet. „Hallo Mikiko-san. Danke, dass du für mich Zeit hast.", spricht mich jemand an, den ich kaum zu erkennen scheine. Ich gehe ungläubig einen Schritt auf ihn zu. „Hallo... Kleiner?", stottere ich etwas. „Es ist schön dich zu sehen.", strahlt mein Gegenüber mir entgegen und reicht mir die Hand, nur um mich bei meiner Erwiderung zu sich zu ziehen. Ren umarmt mich, wie eine alte, gute Freundin, die er vermisst hat und sich wirklich freut mich zu sehen. Ich erwidere seine Umarmung, obwohl es mir total unwirklich vorkommt, als ich zu ihm hochschaue. „Mein Gott ich erkenne dich kaum wieder. Hättest du Tanuki nicht im Arm, könntest du ein anderer Mensch sein!", ich starre ihn immer noch ungläubig an und löse mich aus der Umarmung. Ich tätschele Tanuki auf sein Köpfchen und deute beide hin zu meiner Sitzecke aus schwarzen Ledersofas. „Ha, oh Gott.", ich schrecke erneut zusammen, als ein großer schwarzer Hund ebenfalls zur Tür hereinkommt und Ren folgt. „Äh~ Hallo...", stottere ich dem Tier entgegen, als dieser mich völlig ignoriert, Ren nachgeht und sich neben ihm niederlässt. Ich stehe im Türrahmen und sehe wie meine Empfangsdame Kishi-san leicht rot zu mir blickt und mich anfeuert, als hätte ich nun einen super Typen in meinem Büro. Sie fuchtelt sich imaginär Luft zu und macht den Daumen hoch und formt mit ihren Lippen ein WOW! nach. Ich verdrehe die Augen, lächele sie kurz an und schließe die Tür.

Als ich erneut zu Ren blicke, kann ich Kishi-san allerdings durchaus verstehen. Sie kennt Ren nicht. Natürlich erzähle ich ihr nicht, welche Klienten bei mir ein und ausgehen und was wir bereden. Das gehört zu meiner anwaltlichen Schweigepflicht und sie bearbeitet ausschließlich Papiere, deren Sicherheitszulassung so gering sind, dass sie diese auch bearbeiten darf. Den Rest erledige ich selbst. Das er quasi zur Familie gehört, weiß sie ebenso nicht. Ich habe meine eigene Kanzlei nicht aufgemacht, um dieselben Sicherheitsfehler wie andere Kanzleien zu begehen. Obwohl sie deutlich jünger ist als ich, habe ich sie aber total in mein Herz geschlossen und wir sind Freunde geworden. Trotzdem. Kein Wort was die Arbeit betrifft.

Er sitzt also nun da. Der kleine und mir bekannte Spitzmischling liegt neben dem großen schwarzen Tier auf dem Boden.
„Sein Name ist Kuro. Haruko hat ihn mir zum Abschluss geschenkt. Er ist ein Wolfshund und ein Rüde aus der Abstammung von Lepton. Faszinierend, nicht wahr? Warum er komplett schwarz ist, wissen wir nicht." Er lächelt das riesige Tier an. „Du hast dich wahnsinnig verändert.", sage ich ungläubig zu ihm und komme langsam auf ihn zu, setze mich auf einen einzelnen Ledersessel. Wir sitzen uns nun gegenüber.
„Ich habe hier Wasser, also... wenn du was trinken magst, bediene dich gerne. Fühl' dich wie Zuhause.", sage ich zu ihm. Immer noch absolut fasziniert von dem Mann, der mir da gegenüber sitzt.
„Du hast dich nicht verändert. Die gleiche starke Mikiko-san, wie damals auch.", sagt er freundlich und schaut mir so tief in die Augen, dass ich verlegen werde und automatisch wegschaue. Mein Gott, was für eine Ausstrahlung! „Nur Mikiko. Und Danke, wenn du das so siehst.", lache ich etwas beklemmt und stotterhaft, schenke mir dann selbst ein Glas Wasser ein und trinke einen großen Zug. Ich möchte eine rauchen. „Wie geht es dir denn so?", frage ich ihn und schaue ihn trotzdem noch nicht wirklich an.
„Gut, Mikiko. Danke der Nachfrage. Ich habe meine Ausbildung und ein Teilstudium abgeschlossen und habe mir jetzt zwei Monate Urlaub genommen um meinen Nachforschungen nachzugehen. Ich habe manchmal das Gefühl, etwas würde mich zurückhalten, obwohl alles so super läuft. Ich habe mich also dazu entschlossen, meine Vergangenheit aufzuklären und meinen Nachnamen und die rechtliche Situation auflösen, zu mir finden, Haru heiraten..."
Ren schenkt sich selbst nun auch ein Glas Wasser ein, während er erzählt.
Ich höre ihm nicht mehr zu, so fasziniert bin ich von ihm.
Als ich ihn das erste Mal getroffen habe, war er ein verängstigter Junge, scheu wie ein Reh. Introvertiert. Klein, große Kulleraugen. Dunkelbraune, zottelige Haare. Und all das war schon eine deutliche Steigerung zu den Fotos, die ich von ihm als Kind kenne. Da wirkte er fast verstört und animalisch. In der Zeit mit Haru und allem, was die beiden durchgemacht haben, auch in der Zeit während des Prozesses gegen Akito, ist er deutlich gewachsen. Geistig und mental. Er ist stärker geworden und war nicht mehr Rehartig. Aber dennoch zurückhaltend. Als er mir seine Liebe zu Haru gestanden hat, ist mir das erste Mal wirklich bewusst geworden, dass er sich immer weiter und stetiger verändert, aber dieser Mann... hat absolut nichts mehr mit dem Ren zu tun, den ich vor vier Jahren das letzte Mal sah.

Er trägt eine schwarze Stoffhose mit schwarzen Lederschuhen, ein schwarzes und eng anliegendes Langarmhemd und eine schwarze Krawatte. In seiner Brusttasche des Hemdes steckt eine Brille mit schwarzem Rahmen. Seine Haare sind etwas glatter geworden. Nicht mehr so wild wie damals. Dadurch wirken sie länger und seriöser. Erwachsener. Seinen Pony hat er etwas aus der Stirn gestrichen. Damals fielen die Strähnen noch wohin sie wollten. In seiner Hand hat er eben noch ein Jackett getragen, dass er beim eintreten vorsichtig über die Lehne gelegt hat. Seine Augen sind immer noch groß und braun, aber er ist deutlich gewachsen. Sein Gesicht ist spitzer geworden, seine Hände sind größer und wirken stark. Er muss einen wahnsinnigen Wachstumsschub gemacht haben. Er ist deutlich größer als ich. Musste ich gerade zu ihm aufschauen... und das er mich umarmt hat! Vielleicht ist er aber immer noch einen halben Kopf kleiner als Haru. Aber mein Gott, was ein Unterschied. Er muss Sport treiben, man sieht deutliche Muskeln unter seinem Hemd, sein ganzes Auftreten und seine ganze Statur sind anders und viel männlicher als damals. Die Pubertät hat sein Bestes gegeben... und wenn ich ehrlich bin, sieht er verdammt heiß aus. Ich kann ihn kaum anschauen. Er könnte ungelogen ein Model sein. Er ist als Teenager joggen gegangen, aber nur davon kann er nic-
Sein Blick trifft erneut meine Augen mit voller Wucht und ich komme zurück ins Jetzt.
-ht...solche Muskeln aufgebaut haben...
„... und weißt du Mikiko, deshalb bin ich hier. Ich hoffe wirklich, du konntest etwas herausfinden. Ich bin sehr gespannt auf deine Recherchen. Es macht mir etwas Angst weißt du? Aber es ist von ungemeiner Wichtigkeit, dass es nun voran geht. Ich möchte nicht mehr länger warten und jetzt bot sich alles an. Ich konnte von meiner Arbeitsstelle frei nehmen und vereinbaren, von unterwegs aus ein paar Dokumente zu übersetzen." Er spricht höflich zu Ende, aber er weiß ganz genau, dass ich nur die Hälfte mitbekommen habe, weil ich damit beschäftigt war, ihn anzugaffen. Ich erröte leicht und schaue wieder weg. Er merkt auch das. Verdammt was ist denn los?!
„Und?" Fragt er erneut höflich und lächelt mich an.
„Entschuldige. Aber ich finde dich wirklich faszinierend!", spricht mein Mund ohne Verbindung zu meinem Kopf. „Es ist erstaunlich, wie du dich verändert hast. Erstaunlich.", wiederhole ich erneut.
„Naja, ich bin halt auch älter geworden. Und gewachsen. Ich glaube das bringt den größten Unterschied. Und dazu kommt, dass wir uns wirklich schon lange nicht mehr gesehen haben. Aber deine Kanzlei hat sich toll entwickelt Mikiko. Ich freue mich für dich. Bei der Eröffnung war hier alles noch etwas kahl. Jetzt ist es gefüllt mit dir, finde ich.", lächelt er mich weiter an. „Das wundert mich aber nicht, du bist immerhin eine Top Anwältin! Und ich bin sehr froh, dich zu haben und zu kennen!" Er legt den Kopf etwas schief. Er ist Haru unglaublich ähnlich gerade. Man könnte fast meinen, er imitiert ihn, aber es ist doch etwas eigenes. Ich könnte weinen, so fasziniert bin ich. Ich bin froh, dass ihm so gut geht.

„Dolmetscher, richtig?", frage ich nochmal nach. „Ja, genau.", antwortet er und trinkt noch einen Schluck aus seinem Glas. Alleine die Bewegung des Glases vom Tisch zu seinem Mund, lässt seinen Oberarm straffer wirken und sein eng anliegendes Langarmhemd beult sich etwas aus. Mein Gott. Ich muss mich ablenken.
„Naja, also Kleiner, kommen wir zum Geschäft. Ich habe bezüglich deiner Vergangenheit nochmal genau nachgeforscht. Aber meine Spur endet in Seattle in Amerika. Sie scheint auch dort zu beginnen. Jedenfalls sind alle roten Fäden mit Seattle verbunden.", beginne ich zu sprechen, immer noch etwas verlegen. Und ihn so zu nennen, soll mir helfen, ihn wieder als den kleinen Ren zu sehen... bitte!

Eine Ernsthaftigkeit tritt in Rens Gesicht und lässt ihn nochmal älter wirken, als er eh schon wirkt im Gegensatz zu dem Ren, den ich kannte. Er lehnt sich zurück, bleibt aber doch aufrecht und stark. Als würde er ein Mantra von Körperspannung bewahren um nicht durchzudrehen. Ich kenne diese Körperspannung irgendwo her. Er wirkt jedenfalls etwas anders als beim eintreten.

Er nickt und ich führe fort.

„Ich würde lügen, wenn Haruko und ich nicht damals schon versucht haben, etwas über dich herauszufinden. Aber als wir festgestellt haben, dass das Heim dich misshandelt haben muss, haben wir es gelassen und wollten einfach nur dich, im damaligen Jetzt, in den Griff bekommen. Haruko wollte das Thema auf sich beruhen lassen und dir ein Leben geben, dass frei von den schlechten Erfahrungen ist. Stört es dich, wenn ich rauche?", erläutere ich weiter und frage ihn mit dem Blick auf das offene Fenster. Ich brauche dringend eine Zigarette. „Solange sie keiner an meinen Füßen ausdrückt, bitte.", sagt er ernst und bringt mein Herz fast dazu, stehen zu bleiben. Meine Augen werden größer und ich stocke kurz. Hat er das gerade wirklich gesagt? „Das sollte ein Scherz sein, rauche, wie es dir beliebt, Mikiko.", sagt er erneut, aber ich bleibe sitzen und wage es nicht mehr daran zu denken, jetzt vor ihm zu rauchen. Ich bin so dumm. Erzähle ich von dem Heim und seinen Misshandlungen und will rauchen.

„Ren...", beginne ich mich zu erklären, aber er nickt mich wieder an, als solle ich einfach fortfahren. Und ich gehorche. Wie seine Hunde.
„Haruko liebt dich wirklich sehr. Es passt eigentlich nicht zu ihr, von Dingen abzulassen, die sie interessieren. Aber sie hat es getan.", führe ich also fort.
„Dennoch habe ich nun auch auf deinen Wunsch die alten Unterlagen wieder herausgeholt. Fakt ist, dass du mit sechs Jahren fast leblos auf einer Straße in Kanada gefunden wurdest, von dem du in das Heim kamst, von dem Haruko dich dann später aufgenommen hat. Fakt ist, dass du nicht wusstest, warum du dort bist und was passiert ist. Du wusstest auch nur deinen Namen, den du sehr verschwommen ausgesprochen hast und dein Alter, dass du mit deinen kleinen Fingern gezeigt hast. Du hast zwei Jahre dort gelebt und wenig gesprochen, wenig, aber auf englisch. Verwaschen mit japanisch. Bis du wohl kaum noch gesprochen hast. Und das war der Punkt, an dem man sich entschlossen hatte, einen Japaner zu fragen. Haruko war ein Begriff in Kanada und sie trat in dein Leben. Es ist sowieso schon komplett verrückt, dass man zwei Jahre lang nichts unternommen hat. Warum findet man einen kleinen, japanisch sprechenden Jungen auf einer Straße in Kanada? Erst als Haruko sich etwas mit dir unterhalten hat, sagte sie, dass dein Name als Ren ausgesprochen wird. Jedenfalls..., keiner hat beobachten können, was damals in dieser Nacht passiert ist. Dennoch konnte Haruko sich an ein Gespräch erinnern, dass sie mysteriös fand. Zwei Mitarbeiter haben sich bei dem Ausfüllen der Aufnahmepapiere darüber unterhalten, dass nun der Junge aus Seattle aus dem Heim entlassen wird, und wer so verrückt sei, so ein wildes Kind aufzunehmen."

Ren schluckt mehrmals kräftig, lässt sich aber nichts weiter anmerken. Tanuki ist allerdings kaum merklich auf seine schwarzen Lederschuhe gekrochen und hat sich um seine Füße geschlungen. „Haruko fand dies ziemlich merkwürdig. Denn in dem Heim war kein Kind aus Seattle und du warst ehrlich gesagt das wildeste von allen. Du wusstest nicht wirklich mit dir umzugehen, zudem war es für sie komisch, dass die Mitarbeiter ausgerechnet dann tuschelten, wo sie doch gerade im Nebenraum dabei war, alle Dokumente zu unterschreiben. Es musste um dich gehen. Also sah ich dieses Gespräch als ersten Anfangspunkt. Seattle. Und ich fragte mich, warum vielleicht doch einige Mitarbeiter etwas wussten und es nicht sagten. Tatsächlich gab es im Seattle Hospital eine Frau, eine Japanerin, Anfang 30, die an einer Überdosis Drogen gestorben ist. Sie hatte in den letzten Stunden Kontakt zu einer Krankenschwester, die in der Patientenakte vermerkte, dass die besagte Japanerin auf dem Sterbebett etwas davon gesagt hatte, dass sie ihren kleinen Jungen... naja Ren, wie soll ich das sagen, sie wollte ihn für Drogen verkaufen. Drei Tage später hat man dich in Vancouver gefunden. Ein japanischer, kleiner Junge. In der Patientenakte stand, dass die Japanerin von einem Allen sprach.", führe ich weiter fort und sehe ein kleines aufblitzen seiner Augen, als ich den Namen Allen sage. „Man könnte meinen, du seist der kleinen Allen... oder Ren. Vielleicht wurde dein Name auch nur als Allen verstanden.", sage ich weiter. Die Polizei in Seattle ist dem nachgegangen, allerdings hatte die Frau keine Papiere bei sich, noch wusste auch nur irgendjemand, wer sie sein könnte. Es gab keine Anzeichen darauf, dass es wirklich so ein Kind gab, noch hat jemand auf die Worte von einer Drogensüchtigen gebaut und die Ermittlungen wurden schlichtweg eingestellt, als sich auch nach ihrem Tod niemand meldete oder eine junge Japanerin, geschweige denn ein Kind, vermisst meldete. Ich habe von einem Kontaktmann allerdings den Namen der Krankenschwester erfahren, die damals die junge Frau betreut hat. Sie heißt Martha Tremblay und ist mittlerweile im Ruhestand. Rate mal wo sie wohnt." Ich nehme einen Schluck von meinem Wasser und traue mich nicht Ren anzuschauen. „In Vancouver, hab ich Recht?", fragt er und streichelt seinem schwarzen Wolf über den Kopf. „Ja, in Vancouver. 30km von der Straße, auf der du gefunden wurdest." Weißt du noch etwas darüber? Hast du mit der Dame gesprochen? Woher weiß dein Kontaktmann ihren Namen? Ist das eine sichere Quelle? Das ist immerhin alles sehr vage.", spricht er zum Kopf seines Wolfes und krault ihn weiter. Er bleibt ruhig. Und er ist schlau.
„Er ist nach Seattle gefahren und hat den Angestellten schöne Augen gemacht. Eine Krankenschwester ist ihm etwas verfallen und hat ihm Akteneinsicht gewährt. Es ist auch etwas Taschengeld für sie geflossen. Jedenfalls habe ich eine Adresse und es ist definitiv die Martha Tremblay, die auch damals in der Akte von der Japanerin unterschrieben hat und der Polizei die Informationen über das Kind übermittelt hat. Ich weiß, dass es vage ist, aber es klingt für mich nicht nach Zufällen.", sage ich. „Mein Kontaktmann hat vor einer Woche bei ihr geklingelt, aber es hat niemand geöffnet. Eine Nummer haben wir nicht. Sie ist nirgends verzeichnet. Vorgestern war er nochmals bei ihr und hat geklingelt- ohne Erfolg. Er musste leider einem anderen Fall nachgehen und heute hatten wir unseren Termin. Ich kann dir die Adresse geben Ren. Vielleicht versuchen wir es zusammen?", schlage ich ihm vor. Denn meine Arbeit ist wirklich nicht so ausführlich, wie ich es sonst könnte. Zwei Wochen sind nicht viel und das, was ich herausgefunden habe, auch nicht wirklich. „Wenn, dann fliege ich alleine." Er schaut mich das erste mal wieder an. Er lächelt. „Ren, falls das wahr ist, und du wirklich dieser Junge bist, dann bedeutet es auch, dass deine leibliche Mutter tot ist.", sage ich ruhig und mitfühlend, das erste Mal wieder in Erinnerung an den kleinen Ren, das Reh. „Ich danke dir sehr für alles. Ich hätte gerne diese Adresse. Und mach dir keine Vorwürfe. Du hast mir schon sehr weitergeholfen. Ich habe immerhin einen Anfangspunkt. Und das ist das Wichtigste um meinem Ziel näher zu kommen." Er hebt seine Hand und zeigt auf seinen leeren Ringfinger, lächelt verschmitzt und streicht sich eine Strähne wieder aus dem Gesicht, die ihm beim Kopf schief legen, in die Stirn gefallen ist. „Egal was passiert auf meiner Reise. Ich will sie allein bestreiten. Ich will endlich die Ungewissheit loswerden und daran wachsen. Okay?"
Haru kann sich wirklich glücklich schätzen, er ist irgendwie noch der Ren den ich kenne, aber irgendwie auch ein verdammt toller Mann geworden.
„Natürlich. Alles, was du willst.", sage ich wie ihm verfallen, und beginne, ihm die Adresse zu notieren. Sowohl die vom Krankenhaus, als auch die, von Martha Tremblay.



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Hochgeladen am 03.09.18
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