4. Konfrontation

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„Haru." Meine Augen weiten sich augenblicklich, mein Herz beginnt zu rasen und meine Augen weiten sich wie auf Knopfdruck. Knöpfe, die nur er kennt. Ich atme tief durch. „Ren." Meine Stimme klingt so ruhig, als würde ich bei der leistesten Bewegung ein scheues Reh verschrecken... Langsam drehe ich mich zu ihm und schaue ihn an, Tanuki läuft hinter ihm. Die Namen des anderen zu nennen... Vielleicht steckt doch ein bisschen Japan in mir, so intim wie das hier angesehen wird. Ich liebe es, seinen Namen zu sagen.

„Ich kann so nicht schlafen.", sagt er schüchtern. „Ich lag auch wach. Wie spät ist es?", frage ich immer noch ruhig. „Gleich zwei Uhr nachts.", antwortet er wieder immer noch in der Tür stehend. „Was ist zwischen uns? Ich halte das nicht aus... Der Tag war eine Katastrophe." „Komm her, können wir uns hinlegen und einfach nur sein? Bitte Ren, ich bin so alleine, bitte. Komm her." Ich klinge verzweifelt. Tatsächlich bin ich es auch...

Ren kommt ins Bett, er schmiegt sich an mich, so selbstverständlich, als würden unsere Körper nichts anderes kennen, nie etwas anderes gemacht haben. Sein Kopf liegt an meiner Brust, er riecht vertraut und ist warm. Meine Gedanken kreisen, mein Körper reagiert, ich verkrampfe mich, ich könnte weinen. Alles zur selben Zeit.

„Ich will nicht streiten, ich ertrage das nicht.", meine ich ruhig.
„Ich auch nicht. Ich stehe aber zu dem was ich gesagt habe. Ich verstehe unsere Situation nicht." Er klingt immer noch schüchtern. Allerdings ist da wieder sein Ehrgeiz und sein Selbstbewusstsein, das zwischen den Zeilen aufblitzt. Er kuschelt sich weiter an mich ran und ich weiß , dass seine Gedanken sich auch kreisen müssen. Sein Griff um meine Hüfte wird fester, als würde er mich nie wieder los lassen wollen. Immer die gleichen Themen und Sorgen... Ihm entkommt ein leises schluchzen. Ich antworte ihm mit einem ebenso festen Griff meinerseits, küsse ihn auf den Kopf. „Ach Ren..."

Tanuki bellt mich mit einem vorwurfsvollen Ton an. Ich sehe aus meiner Perspektive gerade mal seine Ohren und Augen. So klein er auch ist, so groß ist sein Beschützerinstinkt für Ren. Er versucht für ihn zu kämpfen und beruhigt sich nicht. „Tanuki... Schh, wir bekommen das schon hi-" Noch bevor ich meinen Satz beenden kann, öffnet sich die Tür von meinem Zimmer.

„Haru, was ist hier los. Warum ist Tanuki nicht- ?" Shima steht in der Tür, seine Augen weiten sich.
Er sieht das Ren halb auf mir liegt, er sieht auch meine Kleidung auf dem Stuhl, er sieht, dass ich also nur in Boxershorts schlafe. Ich sehe seine Blicke auf uns ruhen, er wird von der Laterne draußen angeleuchtet. „Verzeihung, macht nicht so einen Lärm. Tanuki. Komm." Die Tür geht zu - hat ihn das nicht gestört?! Müsste es nicht unnormal sein, so mit seinem Bruder im Bett zu liegen? Was ist nur los? Ich verkrampfe mich weiter.

„Shima denkt sich nichts mehr.", sagt Ren ruhig. „Was?", entfährt es mir lauter, als ich es wollte.
„Er hat ein Gespräch zwischen mir und deinem Barchef mitbekommen."
„R - Ren..., mit Kiyo?"
„Er hat mich von oben bis unten begutachtet, mich letztens im Café dann beiseite genommen und mir gesagt, er hätte uns beobachtet, dass das alles zwischen uns nicht normal sei. Sich zu küssen zum Beispiel, auch vor anderen. Selbst wenn es nur zur Begrüßung und zum Abend ist. Hier in Japan würden die Leute so eine Offenheit und Umarmungen falsch deuten. Ich solle mich wie ein Bruder verhalten und meinen Platz kennen. Ich sagte ihm, ich sei nicht dein Bruder. Wir seien auch nicht blutsverwandt! Dass ich nur auf Harukos Wunsch von euren Eltern adoptiert wurde. Damit wir eine Familie werden!
Aber das wusste ich lange Zeit nicht einmal... Zudem sagte ich ihm, er soll sich nicht mehr einmischen, wenn er keine Details kennt." Ren holt so tief Luft, als hätte er sich einen Marathon vom Herzen geredet.

Ich weiß nicht, was ich sagen soll... Unglaublich... Mein Herz klopft bis an meinen Hals.
„Ich wusste nicht, dass du uns so verteidigen musstest. Soll ich mit ihm reden? Keiner kennt Details. Nur wir kennen unsere Details. Es tut mir so leid..." Ich atme tief durch, eine Pause kommt und ich höre, das ihm still die Tränen laufen.
„Ren. Es ist kompliziert." Meine Stimme bricht etwas. Ständig haben wir diese Gespräche, immer das gleiche Thema. Seit Monaten, nein Jahren. Für mich...? Schon so viel länger als für ihn. Selbst ich finde es verwirrend, obwohl ich mir nichts zu schulden kommen lassen habe. Oder doch?

„Ich verstehe nicht was kompliziert ist, ich verstehe nicht wo das Problem ist. Du hast mir selbst beigebracht das es nicht kompliziert ist. Jedes Gefühl sei okay und gut, wenn es ehrlich ist." Meine Gedanken rasen weiter. Ich habe ihm auch nicht alles erzählt. Bewusst nicht und dazu noch aus egoistischen Gründen. Ich weiß, dass wir nicht blutsverwandt sind, aber rechtlich gesehen sind wir Brüder. Unsere Umstände und unsere Geschichte ist nicht einfach. Im Gegenteil...

„Haru, ich bin bald 17 Jahre!", wird er lauter als könnte er meine Gedanken lesen.
„Ja eben. Du hast noch so viel Leben vor dir."
„Ich will aber nur ein Leben mit dir!", richtet Ren sich auf. Sein Kopf ist direkt vor meinem. Seine Lippen nur ein paar Zentimeter von meinen entfernt. Normalerweise bin ich derjenige der sich annähert. Aber das Blatt hat sich gewendet - und meine Probleme sind größer denn je.

Rens Körper ist so warm, ich spüre seine Atmung auf meiner Haut. Er hat sich aufgerichtet und liegt nun wirklich auf mir. Seine Hand stützt auf meinem Handgelenk, als würde er mich festhalten wollen.
„Haru, bitte. Ich möchte dir nahe sein. Ich möchte dich spüren, mehr noch als das, was wir jetzt schon haben. Ich möchte dir noch näher sein als andere. Ich weiß, dass du anders darüber denkst, aber bitte... da ist so viel mehr zwischen uns... Bitte schlaf' endlich mit mir. Ich bin bereit, ich will dich. Da ist doch so viel mehr... Sag es doch endlich, gib' es zu."
Mein Körper reagiert nur allzu gut auf diese Worte, hatte er sie schon öfter gehört in der letzten Zeit.

„Mein Gott immer dieses Thema. Warum willst du das so unbedingt? Reicht dir nicht das, was wir haben? Weißt du überhaupt, in was für eine Situation du mich bringst?"
„Du als Gastgeber in deinem Café umarmst die Kundinnen, streichelst ihre Hände, einige bekommen einen Kuss auf die Wange. Ich will das mache Dinge an dir nur mir gehören, ich will, das ich Seiten an dir kenne, die nur ich kenne. Ich will, das du mir gehörst."

„Tsk. Ren..!! Ich gehöre schon längst dir! Warum siehst du das nicht? Es ist was anderes im Café und war anders in meiner Arbeit als Host - es ist nur eine Art Dienstleistung! In Japan ist das sehr beliebt. Sie kommen extra her um Aufmerksamkeit zu bekommen. Gerade weil hier alle so verklemmt sind. So habe ich hier alles finanziert... Aber alle wissen, das meine Familie immer vor geht, alle wissen auch, das ich dir gehöre. Das ist so offensichtlich. Jeder Blinde kann wahrscheinlich sehen, dass sich meine Gefühle komplett drehen und ich mehr von dir will. Warum erwecken wir wohl schon so viel Aufmerksamkeit?" frage ich ihn. „Bin ich dir peinlich? Meinetwegen darf es jeder wissen! Sag es allen! Oder bin ich dir nicht attraktiv genug für dich? Der kleine "Bruder", der kleine Junge, der gerade erst entdeckt hat was sexuelle Gelüste sind? Ist es, weil ich keine Frau bin? Ist das dein Problem? Was genau ist dein Problem? Willst du keinen Mann?"

Ren schaut mich bedrohlich an. Ich kann nicht mehr.

Ich wechsle die Position mit Leichtigkeit, ich bin nicht nur deutlich größer sondern auch stärker.
Glaubt er wirklich, er könnte mich festhalten? Ich liege nun über ihm und halte ihm die Handgelenke, über seinem Kopf zusammen, mit nur einer Hand fest. Mit der anderen streichle ich über sein Gesicht. Seine Gesichtszüge, seine Haut. Seine Haare. Mit den Berührungen Richtung Nacken, verfärben sich seine Wangen rot. Das Restlicht im Raum reicht, um das zu erkennen. Ihm gefällt was ich tue. Er streckt sich mir entgegen und will mich küssen, doch ich weiche ihm aus, küsse lieber seinen Hals. Ich fahre mit meiner Hand langsam seinen Körper entlang und streichle seinen Oberschenkel und seine Hüfte.
Mein Körper ist voll mit Adrenalin. Mir ist heiß, ich atme schwer, mein Blut strömt nur in eine Richtung. Ich senke mich etwas auf ihn herab, sodass Ren spüren kann, was gerade mit mir geschieht. Ich schaue ihm in die Augen, so intensiv wie er es immer tut.

Langsam beuge ich mich vor und küsse ihn. Seine Lippen sind so weich und zart, seine braunen, gerade fast schwarz wirkenden wilden Haare fallen zurück aufs Kissen und legen seine Stirn weiter frei, die letzte Strähne streiche ich ihm vorsichtig aus dem Gesicht. Unsere Zungen vereinen sich, erst sanft, dann fordernd, Ren ringt nach Luft. Ich löse mich von seinen Lippen, beiße sanft an ihnen und küsse seine Brust, sein Shirt mit einer Hand nach oben gezogen.

„Haru! Stop." Seine Stimme klingt ernst.
„Reicht dir das nun das als Antwort? Das ich dir gehöre?", frage ich ernst zurück.
„Sag mir wo das enden wird, rede endlich mit mir. So will ich das nicht mehr! Ich will es mit Worten wissen, ich will wissen, was du denkst und will wissen, warum wir uns immer im Kreis drehen. Rede endlich mit mir! Ich will wissen, was genau in deinem Kopf vorgeht! Du bist ja völlig durcheinander! Voll mit Gedanken! Ich mag einfach gestrickt sein, aber selbst ich höre dein Chaos bis hier draußen!" Er wehrt mich ab und schmeißt mich quasi auf den Boden der Tatsachen.

Meine Lust ist wie im Schlag verflogen. Der Wecker zeigt 2:46 Uhr, ich setze mich auf. Ren liegt noch da, zieht sich schamvoll sofort das Shirt wieder runter und versteckt seine Erektion. Als wenn ich das nicht schon alles gesehen und bedient hätte.

Ich fasse mich kurz und rede ins Leere, es trifft mich ein Schlag und nun weiß ich, dass ich mich nicht mehr davor drücken kann alles auszusprechen. Und vor allem was ich aussprechen muss.
„Ren, egal was von jetzt an ist, ich habe Angst, ich werde etwas verlieren. Die Angst, dich zu verlieren. Und ich habe das Gefühl, das ich dir etwas nehmen werde. Ich habe nur versucht, das alles hinauszuzögern." Ich drehe mich zu ihm, sodass er mein Gesicht sehen kann – meine Tränen laufen unaufhaltsam.

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Nächstes Mal: Erste Berührungen

Super Lovers / Mein Leben mit RenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt