„Du musst dir wirklich nicht die Mühe machen. Ich kann auch mit dem Zug fahren."
Ren sitzt neben mir im Auto. Ich fahre ihn zur Schule.
„Die letzten Tage sind so ins Land geplätschert. Wir haben beide soviel gearbeitet, gelernt und kaum Zeit füreinander gehabt! Ich nehme mir jetzt jede Minute die ich kriegen kann!" Ich grinse, gucke dabei aber nach vorne auf die Straße. „Ich will jede Minute, die ich kriegen kann!", füge ich hinzu.
„Ich liebe dich halt.", grinse ich weiter.
„Das ist furchtbar peinlich. Die denken alle, mein großer Bruder muss mich in die Schule bringen." Er protestiert nur halbherzig. Ich weiß ja, dass er es nicht ernst meint. „Tjaha. Dann ist das eben so!"
Als ich auf dem Eltern-Kind-Parkplatz parke, verdreht er die Augen.
„Was denn? Hier ist eben frei. Wir sind doch eine Familie?!" Ich kichere. Ich bin richtig gut drauf. Langsam neige ich mich zu ihm rüber.
„Keiner in Sichtweite. Bruder.", ich ärgere ihn.
Ich küsse ihn, intensiv. Mit Zunge, meine Hand an seinem Kopf.
Seine weichen Haare zwischen meinen Fingern. Mhh...
„Du schmeckst so gut..."
Er verdreht wieder die Augen und schnallt sich ab, nimmt seine Tasche und steigt aus. Ich tue es ihm gleich.
„Haru. Was machst du?"
„Tja... Dein Lehrer will mich sprechen. Wegen deiner 'Modern Japanese' Hausaufgabe. Er sagte zwar, wir könnten später kurz telefonieren, aber jetzt wo ich schonmal da bin... außerdem kann ich dich so noch ein Stück begleiten. Willst du meine Hand nehmen?"
Ich bekomme als Antwort einen Faustschlag in die Seite. Ren grinst und lacht los. Da ist es wieder. Eine meiner kostbarsten und seltensten Belohnungen. Sein Lachen. Herrlich. Er schaut mich von der Seite an. Was denkt er nun wohl? „Ich liebe dich. Danke. Dafür, dass du existierst. Deine gute Laune ist so erfrischend!"
„Klar kein Problem. Da war Haruko wohl doch für etwas gut!" Als mein Mund sich zu einem Lachen verziehen will, realisiere ich auch schon, wie sehr Ren Haruko liebt. Oh das war ein Fehler - und ich ernte meinen zweiten Schlag in die Seite. Aua.
„Oiii Ren!!!" Eine Stimme kommt von hinten angerannt. Ein Blitz fährt mir in den Nacken, ich erkenne seine Stimme sofort. „Kurosaki Juuzen." Ich verdrehe die Augen. Rens... ja man könnte sagen bester Freund und Klassenkamerad. Eigentlich ist er total nett, aber ich kann es nicht ausstehen, dass er soviel Zeit mit Ren verbringen kann - und ich nicht. „Ouuu stör' ich etwa?" Er guckt mich an und nickt mir zu. „Kaidô-san. Hi."
„Eh jo! Ren, was geht? Heute Mathe! Haste gelernt? Guck mal. Ich hab' neue Ultraschallbilder von meiner Sis! Sie wird so unfassbar süß!" Er hält Ren im Laufen mehrere Ultraschallbilder hin. Auch wenn er fast 17 ist, seine Mutter bekommt nochmal ein Baby. Ren läuft nun in unserer Mitte.
Gott. Er ist noch fröhlicher und quirliger als Ikuyoshi. Die beiden würden sich hervorragend verstehen.
Juuzen ist einen Kopf kleiner als ich, hat leicht blond-orange gefärbte Haare, in einem Undercut geschnitten. Er sieht frech und kess aus. Sein Gesicht passt wirklich zu seinem Charakter. Sein schlimmer Slang vollendet sein Bild. Ich nicke ihm ebenfalls zu. Aber er bekommt schon gar nichts mehr mit. Ich habe nicht bemerkt wie ich Rens Hand genommen habe, aber ich habe sie fest im Griff – und er lässt dies zu. Oh!
„Jo, ist das nicht mega auffällig? Was geht da schon wieder bei euch? Macht ihr jetzt alles öffentlich, oder wie?" Ich höre, wie Juuzen von der Seite in Rens Ohr plappert. Im Flüsterton, dennoch laut genug für mich. Ich will meine Hand lösen, aber Ren hält sie weiter fest.
Ren... Ich drücke sie einmal kurz. Er versteht mich besser, als ich mich selbst. Außer uns ist zwar noch niemand wirklich hier, aber trotzdem wollte ich uns nicht bewusst in die Händchen-Halten Situation bringen. Meine Frage eben war eher ironischer Natur. Wir sind allerdings auch etwas zu früh dran. Nur vereinzelt strömen ein paar Schüler in Richtung Haupteingang der Schule. Die meisten stehen noch hinter dem Parkplatz, auf einem Stück der Allee vor der Schule. Dort gibt es einen kleinen Brunnen und einen Sammelplatz mit Bänken und Tischen. Der Treffpunkt also, noch vor der Schule und vor dem eigentlichen Schulhof. Der Himmel ist zwar grau und wolkenbehangen, noch regnet es aber nicht. Vielleicht könnte man es in dieser Saison 'Sonne tanken' nennen.
Unsere Wege trennen uns vor den Schuhschränken im Eingangsbereich. Juuzen guckt verlegen durch die Luft und reibt Flecken aus seinem Shirt, die nur er zu sehen scheint, als ich Ren zum Abschied wie immer küsse. Er umarmt mich nochmal zusätzlich und flüstert „Bis heute Nachmittag dann." „Ja. Viel Erfolg bei deiner Matheklausur. Ich denke jede Minute an dich." Ich küsse ihn nochmals auf den Kopf.
Ich blicke den beiden nach. Juuzen, der Ren schon im schnellen Schritt neben ihm her gepackt hat, scheint ihm irgendetwas zuzulachen und ins Ohr zu sprechen, er erntet darauf hin auch einen Schlag von Ren. Er kennt uns. Um ihn muss ich mir keine Sorgen machen.
Nach dem Gespräch im Lehrerzimmer, bin ich gerade so pünklich im Café. Iku hat schon alles aufgeschlossen und vorbereitet. Ich zahle ihm genug, denke ich mir, habe aber einen Anflug von schlechtem Gewissen und mache mich umgehend an die Arbeit.
Rens Schule läuft gut. Zu gut. Er scheint fast wirklich unterfordert zu sein und der Lehrer hat mir vorgeschlagen, Rens Stunden zu verlängern, sodass er einen höheren Abschluss, in weniger Zeit erreichen könne. Er wollte mir das ursprünglich am Telefon sagen, um dann mit mir einen Termin für ein Gespräch zu vereinbaren. Ich werde es Ren natürlich vorschlagen, bald macht er immerhin schon seinen Abschluss. Wir haben auch noch nie darüber gesprochen, was er danach machen will...?
Ich arbeite und die Zeit rennt, bald ist es zudem 16 Uhr und ich kann ihn abholen und wiedersehen. Mein Kopf dreht sich. Wieso kann ich das nicht abstellen? Ich bin so abgelenkt! Ja gut, vielleicht bin ich besessen. Aber man lebt nur einmal. Andererseits, ... ist es vielleicht jetzt zu intensiv? Ist Ren glücklich hier? Ist Japan eine Verschwendung für seine Talente? Was könnte er wohl alles schaffen, wenn er bei Haruko in der Schweiz wäre? Und ihrer Forschung? Und ihren Super-Abschlüssen... und ihren Professorenfreunden... und allem... Ich schüttle mich. Mein Handy vibriert und reißt mich aus diesem unglücklichen Gedankenrad.
Von: Kaidô Ren
XXXX006XXX
13:50 Uhr
Haru,
ein Lehrer ist krank und wir haben frei. Sport fällt also aus.
Bitte mache dir keine Sorgen.
Du brauchst mich nicht abzuholen.
Ich nehme den Zug und lerne während der Fahrt.
Tut mir Leid. Ich liebe Dich. xx
Bis heute Abend. Ren
Oh man. Ich starre auf seine letzten Worte. 'Ich liebe Dich. xx' Mein Magen verzieht sich wieder. Mein Herz macht einen Sprung. Ich liebe dich auch, denke ich und drücke mein Handy gegen meine Brust. Ich brauche unbedingt mehr Zeit mit ihm. Es ärgert mich, dass ich ihn nicht holen kann. Das heißt, ich komme nicht hier heraus und muss bis heute Abend warten. Heute ist Freitag... vielleicht haben wir am Wochenende ja wieder etwas Zweisamkeit...?
Ich schlage mir mit meinen Händen an die Wangen und versuche nun endlich nicht mehr zu grübeln, weder in die eine, noch in die andere Richtung und Gott sei Dank vergeht die restliche Zeit wie im Flug. Diesmal nicht, weil ich nur am grübeln bin, sondern wegen einer Gruppe Studentinnen, die herein gekommen ist und fleißig Kuchen, Cupcakes und Getränke bestellt. Iku hat alle Hände voll zu tun. Ich bediene die anderen Gäste und halte die Theke in Schuss. Ohne weiteres Zeitgefühl finde ich mich abends vor Kiyo wieder und übergebe ihm das White Fang. Feierabend!
Es schüttet mittlerweile wieder aus Kübeln und es wirkt stockduster draußen. Kiyo hat mir mit einem winkenden Kuss den Müll in die Hand gedrückt und mich gebeten, diesen noch in den Hinterhof zu tragen. „Klar, kein Problem. Schöne Schicht Kiyo, schönen Feierabend Iku!" Klar, dass keiner bei dem Regen raus will.
„Dir auch, Haru! Knuddel Ren-Ren von mir~". Iku lacht und formt seine Hände zu einem Herz. Kiyo verdreht die Augen und gibt ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. „Tschau ihr Verrückten.", lache ich zurück.
Als ich auf den Hinterhof gehe, flimmert der Bewegungsmelder kurz auf und es wird hell. Als ich den Müll entsorge, freue ich mich zunehmend. Auf alle. Aki, Shima und sogar auf Tanuki, auch, wenn dies vielleicht nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Vor allem aber auf Ren. Ich klopfe meine Hände ab, schließe den Deckel und lächle meine Uhr an. Klasse. Pünktlich. Was soll ich bloß zu Essen machen? Schnellstmöglich und ohne allzu nass zu werden, versuche ich Richtung Tür zu hopsen, als mein Handy klingelt und es mir in meiner tollpatschigen Aktion aus der Hand flutscht und zu Boden fällt. Das Licht im Hof geht aus, während ich auf dem Boden danach taste. Es ist irgendwo unter die Tonne gefallen. Als ich es endlich finde, ist genau wie ich klitschnass...
Ein heftiger und abrupter Schmerz beißt sich plötzlich in mich hinein. Hm? Ich fasse mir an den Kopf und schaue meine Hand an. Ich kann es nicht richtig erkennen? Es ist zu dunkel. Habe ich mich gestoßen? Es regnet zu stark, aber es fühlt sich nasser an als zuvor. Ein zweiter, heftiger Schlag reißt mich vollends zu Boden. „Ahh... oh Gott." Ich stöhne.
Ich liege halb angelehnt an die Mülltonne, mein Blick wird trübe. Ich merke, wie mir zähe und warme Flüssigkeit die Stirn herunter läuft. Ich greife mir ein zweites Mal wie betäubt an den Kopf. „Ah..." Ich glaube ich stehe unter Schock.
Das Licht geht durch den Bewegungsmelder wieder an und ich sehe, wie jemand auf mich zukommt. „Immer noch wach. Interessant." Eine männliche Stimme. Ich höre, wie er ein Klapphandy zusammen schnappen lässt.
Den Kopf zu heben, fällt mir schwer. Mir ist kalt, mir ist schwindelig. Der Schmerz ist voll präsent. Er ist da, umhüllt mich und frisst mich auf. Hände greifen an mein Kinn und zerren mein Gesicht hin und her. Ich kann kaum etwas sehen. Die zähe Flüssigkeit, die ganz bestimmt kein Regen ist, versperrt mir die Sicht. Ich sehe nur Hände, die sich rot färben. Eine dunkle Hose. Dunkle Schuhe. Und Knöpfe, die goldig durch einen roten Schleier zu schimmern scheinen. Knöpfe an seinen Handgelenken. An der Jacke?
Alles wird schwarz.
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Hochgeladen am 24.06.16
Nächstes Mal: Dunkelheit
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Super Lovers / Mein Leben mit Ren
FanfictionRen und ich hatten wieder eine unserer Auseinandersetzungen. Unsere Beziehung ist einfach so kompliziert, meine Gefühle sind komplett durcheinander... oder auch nicht? [Meine Geschichte basiert auf dem Manga 'Super Lovers' von Miyuki Abe. Der Manga...