62. Glitzern

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Ren

Mein Blick fährt die endlosen Weiten und entfernten Bergspitzen ab. Haftet auf den schneebedeckten Kuppeln des mal mehr und mal weniger höheren Gebirgszügen. Kaum vorstellbar, dass sich nur wenige Meilen entfernt Seattle als eine riesige Großstadt erhebt. Ich laufe innerlich den Umriss des Spada-Lakes ab und lächele leicht.
Die Luft ist so rein und klar, die vielen Stimmen aus dem Hintergrund scheinen hier oben aus unserer Waldhütte von dünnerer Luft und dieser unendlichen Landschaft geschluckt zu werden.
Erst als eine Tür sich kurz öffnet und wieder schließt, höre ich die Macht an Gelächter und guter Stimmung, Musik, Mikrofonen und wildes Stimmendurcheinander.

Ich lächele breiter, sein Duft überströmt alles.

„Du riechst immer noch so fantastisch wie heute morgen.", sage ich nach vorne in die Weite. Zwei Arme umschließen mich von hinten. „Mhh.. ja. Möglich.", meint Haru sanft und küsst mir in den Haaransatz meines Nackens.
„Was machst du hier so alleine? Ich vermisse Dich.", meint er weiter in kleinen Küssen.
„Mich zog es einfach kurz raus, die Sonne steht gerade so toll und ich konnte nicht widerstehen ein Foto von den Sonnenstrahlen durch diese auftürmenden Wolken da hinten zu machen. Wenn du kurz mit mir hier bleibst, passiert es bestimmt noch einmal."
Kaum ausgesprochen, bricht die Sonne wieder durch die Wolken und lässt den halb im Schatten liegenden See von der einen auf die andere Sekunde aufglitzern. Ein kleiner Windschub verstärkt das Spektakel. Ich höre wie Haru erstaunt auflacht. „Wunderschön, nicht wahr? Es ist der schönste Tag im Leben. Nicht nur, dass es immer so gesagt wird. Es ist wirklich so.", lächle ich und richte mich von meiner angelehnten Position über den Zaun auf, der uns vor der einige Meter entfernten Klippe schützen soll.
Ich drehe mich zu Haru und strahle ihn an.

Er trägt eine beigefarbene Leinenhose, braune Schuhe, ein weißes Unterhemd und darüber ein offenes, sandfarbenes Leinenhemd mit kleinen weißen Nähten. Seine aschblonden, fast silbrig wirkenden Haare, hat er in einem Zopf hinten zu einem kleinen Bun gebunden. Etwas strenger und festlicher als sonst. Einige Haarsträhnen vom Pony fallen ihm trotzdem über die Stirn. Ein braunes Lederband mit seinem titanfarbenen Verlobungsring trägt er als Kette. Ein neuer, weiterer gräulicher titanfarbener Ring mit schwarzem Streifen in der Mitte ziert seinen Ringfinger. Er riecht nicht nur großartig, er sieht auch einfach fantastisch aus. Seine Augen leuchten mich an und das Licht verstärkt die grüne Farbe und die Tiefe seiner Iris immens.
Er lächelt sein liebevolles Haru-Lächeln und umschließt mich nun in eine tiefe, zarte Umarmung und beginnt, mich zu küssen.
Weiche Lippen, ein kleines, lustvolles Ausatmen und ein fester werdender Griff, seine Zunge die ihren Weg zu meiner sucht. Ich erwidere dies nur zu gerne und spüre sofort, wie diese tiefe Leidenschaft für ihn auch bei ihm ankommt. Dieses süße, nur allzu vertraute Ziehen, diese kleinen elektronischen Blitze im ganzen Nervensystem, dieses wundervolle Kribbelgefühl... Ein starkes Ausatmen bringt uns zeitgleich kichernd auseinander und wir drücken uns gegenseitig voneinander weg. Ich funkle ihn an. „Dafür ist später genug Zeit, unser ganzes Leben zusammen haben wir nun Zeit für sowas.", kichere ich weiter. „Mhh... ja.", entfährt es ihm wieder hauchzart, allerdings mit Feuer in den Augen.

Es ist ein warmer, lauer Frühsommerabend im Juni. Die Sonne tanzt mit den Wolken und dem Glitzern um die Wette. Den Spada-Lake haben wir aber nicht einfach so wegen seiner fantastischen Location ausgesucht, sondern weil meine Eltern uns nah sein sollten. Hier, nahe von Seattle im Staate Washington. Hier, wo auch meine Eltern wandern gegangen sind, als ich klein war. Hier, wo mein Vater meiner Mutter seine Heimat und seine Wurzeln gezeigt hat. Ich wünschte, sie könnten all das hier sehen und dabei sein.
Ich blicke auf die Holzhütte, die eigentlich ein kleines Hotel ist und einen schönen Saal als Traulocation anbietet. Ein Saal, in dem heute all unsere Lieben zusammengekommen sind.

Wie in Trance und irgendwie high von all diesen Emotionen und Glückshormonen, springen meine Augen von Haru, auf meine Hand, auf die Location an sich. Meine Erinnerungen vom heutigen Tag, der ja eigentlich noch voll in Gange ist, verschwimmen immer wieder mit dem Hier und Jetzt. Haru lächelt und lässt mich in meiner Trance. Ich merke, dass er mich beobachtet. Er steht leicht am Zaun gelehnt. Ich kann aber einfach nicht in der Realität bleiben und begreifen, dass Träume sich erfüllen... das meine Träume sich erfüllen.

Schwere Regentropfen neigen die Köpfe der vielen dekorierten Rosen und kleine Teiche bilden sich in den Rosenköpfen, die den Außenbereich und den Weg zieren, den wir eben noch entlang gegangen sind. Weiße Blütenblätter bedecken den Weg zwischen den Stühlen, der uns zu unseren zwei Plätzen ganz vorne an den Zaun gebracht hat. Noch immer tropft Regenwasser aus dem weißen Leinenstoff, welcher um den Rosenbogen über unseren Plätzen gewickelt ist. Warmer Duft vom feuchten, nassen Holz der vielen Stühlen davor liegt in der Luft. Aber eine Klarheit und pure Bergluft liegt ebenso in der Luft, die von dem kurzen aber heftigen Regenschauer, der uns erwischt hat, hier her getrieben wurde.
Nichtsdestotrotz und vielleicht sogar gerade deshalb, ist dieser Tag als perfekter Tag für immer in meinen Kopf eingebrannt.

Mitten in unseren Reden hat uns der Regen erwischt, aber all unsere Gäste blieben sitzen, freuten sich über die Abkühlung der ungewöhnlichen Schwüle und Hitze, lachten einfach nur auf. Wir standen einfach da, die Regentropfen perlten uns von der Nase, den Lippen, unsere Augen waren nur füreinander da und wir schworen und gelobten uns alle die Dinge, die wir schon lange haben aussprechen wollen. Die Regentropfen legten uns die Haare näher an die Haut und Harus Leinenhemd legte sich als zweite Haut um seine Muskeln. In einem wunderbaren, regengetränkten Kuss vor dieser unglaublichen Kulisse, habe ich also heute, Haru, meinem großartigen Freund, meinem besten Freund, meinem Verlobten, meinem Ein und Alles das Ja-Wort gegeben. Ein großes Jubeln, vordergründig von Juuzen, Kiyoka und Owen erfolgte zugleich als Antwort auf unsere Antwort zueinander und wie auf Kommando, war nach dem Kuss der Regen vorbei und die Sonne brach durch die Wolken hindurch. Ich werde diesen Moment einfach niemals wieder in meinem ganzen Leben vergessen.

Ich reiche Haru meine Hand. „Unser Typ wird verlangt, komm." Grinsend richtet er sich auf und streicht den Kragen meines Hemdes zurecht. „Wir müssen das Dessertbuffet eröffnen und ich denke, das ein, zwei unserer Gäste irgendwelche Reden vorbereitet haben. Zumindest ist Gonzo-san still geworden und scheint einen Zettel zu studieren. Er ist total vertieft." „Okay, also. Dann mal los, Ehemann." Haru lächelt. Seine Nasenspitze verfärbt sich minimal rot und seine Augen huschen kurz von oben bis unten über mich her. „Mhh.. ja.", flüstert er fast unhörbar und grinsend.


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Hochgeladen am 12.09.2021
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