26. Nähe

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Vorsichtig lege ich Ren in mein Bett. Es war ein Krampf mit ihm auf dem Arm aufzustehen. Er war zu süß, ich wollte ihn auf gar keinen Fall wecken. Stolz betrachte ich meinen Erfolg.

Sein Körper liegt mit einer cremefarbenen Kuscheldecke, auf der kleine Melonen und Hunde abgebildet sind, eingerollt in der Mitte des Bettes. Nach und nach hole ich auch mein Bettzeug aus dem Wohnzimmer ins Schlafzimmer. Ich rolle mich ebenfalls ein, setze mich aber auf meinen Lehnstuhl, den ich schon vor das Bett geschoben habe. Ich möchte ihn am liebsten nur anschauen. Er sieht so rein und unschuldig aus. Er hat eine wahnsinnig intensive Aura. Solch eine Wärme und Liebe. Manchmal frage ich mich, wie er das geschafft hat. Wie seine Seele so bleiben und auch werden konnte, obwohl er schon so viel mitmachen musste. Seine wahre Familie, die Heime, der Gedächtnisverlust, das er nicht einmal seinen richtigen Namen weiß... Mit Haruko wurde es besser, sicher. Aber dennoch muss es doch verstörend gewesen sein. Ich lächle ihn an. Und jetzt liegt er hier... Ich bin wahnsinnig froh, dass es ihn gibt... und irgendwie den Weg zu mir gefunden hat – oder ich zu ihm. Verrückt.

Winzig kleine Punkte und feine Narben von Kratzern zieren seine blanken Fußsohlen. Haruko und ich vermuten, dass die Punkt-Narben von Zigaretten kommen, wir wissen aber beide nicht, ob sie vor dem Heim oder im Heim entstanden sind. Ren ebenfalls nicht. Mir wird schlecht... Wenn er solche Verletzungen an seinen Füßen hat, welche gibt es noch? Innerlich?

Tanukis wedelnder Schwanz, der im Takt an meine Wade streift, lässt mich wieder etwas in das Hier und Jetzt zurückfinden. „Was ist los?", flüstere ich zu ihm.
„Ist das eigentlich deine Melonen-Decke?" Als wenn er mir antworten könnte.
„Er schläft.", kommentiere ich weiter allein unterhaltend seinen Blick.
Er neigt den Kopf noch etwas weiter zu mir und blickt mich drollig an. Solch winzige Pfoten, so ein winziger Körper. Er kann Ren weder sehen, noch aus eigener Kraft aufs Bett hüpfen oder einen anderen Weg hinauf finden.
„Ausnahmsweise!", flüstere ich genervt zu ihm. „Manchmal bist du wirklich ein echter Sturkopf."
Ich greife in sein fluffiges Fell und versuche einen Körper darin zu finden. Als es mir gelingt, hebe ich ihn auf das Bett. Schwanzwedelnd guckt er zu mir und kuschelt sich an Ren. Ein paar Sekunden später liegt er dösend und eingerollt an Rens Bauch. Einen winzigen Stich versetzt mir meine aufflammende Eifersucht. Ich grinse und schüttle den Kopf, als würde ich mir selbst sagen, wie bescheuert so ein Gedanke war. Auch ich schließe meine Augen.

Als ich das nächste Mal die Augen öffne und aufs Bett schaue, ist nur noch Tanuki und die Melonen-Decke zu sehen. Ein helles grau kommt durch das Fenster hinein. Wie spät ist es? Erst jetzt bemerke ich, dass Ren auf mir liegt.

„Hey...", flüstere ich sanft und streichle seine Haare aus dem Gesicht.
„Wie bist du denn hierher gekommen?"
„Hey...", er murmelt zurück, öffnet aber nicht seine Augen. Er schmiegt seinen Kopf gegen meine Brust. „Nur noch ein bisschen." „Ist es, weil ich nicht ins Bett gekommen bin?, flüstere ich weiter.
„Ich war allein."
„Verzeih, ich wollte dich nicht wecken eben. Du musst ja total erschöpft sein, dass du tagsüber so tief einschläfst. Ist alles okay bei dir?" Ich kraule seinen Kopf, streichle ihm durch die immer länger werdenden Haare. Es steht ihm gut.. Alles steht ihm gut. Egal wie er aussieht. Mein kraulen bewegt sich von seinem Kopf in den Nacken.
„Hmm..." Mein Griff wird fester und ich erhebe mich wieder und lege ihn sanft ins Bett. „Geh nicht...", murmelt er wieder. „Ich finde es hier nicht so gemütlich. Warte kurz auf mich, mein Schatz."

Ren öffnet plötzlich die Augen auf, sie funkeln die Bettdecke an, bei den letzten beiden Worten wurde er auf Knopfdruck rot. Ich lächle in mich hinein. Manchmal überkommt mich so etwas.
Ich verdunkle das Grau, das durch die Fenster herein kommt mit einem Rollo und ziehe zusätzlich noch die Vorhänge zu. Ich schnappe mir mein kleines, batteriebetriebenes Leselicht vom Schreibtisch, schalte es ein und stelle es auf das Nachtschränkchen. Das Zimmer hüllt sich in ein gedecktes gelb - bis orangefarbenes Licht. Das kleine Lichtlein schafft gerade einmal einen kleinen Kegel die Wand entlang, wo es steht, dennoch färbt sich der gesamte Raum in diese Stimmung. Ich liebe dieses Licht. Es erinnert mich an Ren. Ich schaue nochmal ins Wohnzimmer, kurz nach eins in den Mittagsstunden... Ich schalte den Fernseher aus, der immer noch leise im Hintergrund lief und gehe wieder zu Ren und der Melonen-Decke.
Den Stuhl beiseite geschoben, schnappe ich mir den voll weggetretenen Tanuki und lege ihn auf das Stuhlkissen. Jetzt geht es mir besser.
Ich liebe dieses Licht. Ich liebe Ren. Ja, ich lieber sogar diesen Hund.
Ich lege meinen Umhang aus Bettdecke ab und kuschel mich nun auch ins Bett.

„Ich bin wieder da.", flüstere ich.
„Willkommen zurück.", schlaftrunken dreht Ren sich zu mir.
„Schön hast du es uns gemacht, Danke. Ich liebe dich."
„Bist du sehr erschöpft?" Wir liegen nah aneinander, schauen uns in die Augen, die Ren scheinbar kaum mehr aufhalten kann.
„Es ist so nah, oder? So vertraut. Ich fühle mich so wohl mit dir.", sagt er ganz ruhig und mit geschlossenen Augen. „Es ist anders, seit dem wir es... getan haben." Er presst seine Stirn an den Winkel zwischen meinem Hals und meiner Schulter. Ich spüre seinen Atem. „Wir sind freier, finde ich.", sage ich schließlich.
„Wollen wir noch ein klein wenig schlafen und kuscheln?", frage ich.
„Hmm, ja, das wäre schön. Nur ein bisschen." Ich küsse seinen Kopf.
„Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, dass ich eine ganze Zeit lang auf Klappbetten, Pritschen oder auf kalten Böden geschlafen habe. Du machst es mir so schön. Ich danke dir dafür. Ich dachte, ich würde mich im Rudel in der Garage am wohlsten fühlen... und das dieses Gefühl nichts übertreffen könnte. Aber hier jetzt bei dir, so wie jetzt. So nah war ich noch niemandem. Nicht mir selbst, nicht einem anderen. Danke, Haru."
Ich streichle seinen Nacken wieder in einer kraulenden Bewegung, gerne mein lieber Ren. Gerne...
„Haru, bevor wir schlafen, bitte, lass es uns tun, ja? Wir können auch vorsichtig sein. Ich möchte dir noch näher sein... viel näher, näher... und näher..." Seine Worte kommen nur noch gehaucht, vermischt mit Küssen an meinem Hals.

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Hochgeladen am 10.07.16
Nächstes Mal: Offensive, aus Rens Sicht

Super Lovers / Mein Leben mit RenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt