13. Gewitter

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Mit drei vollen Tragetaschen thailändischen Gerichten, laufen wir entspannt Richtung Heimat. Was für ein Tag bisher - nein, das ganze Wochenende ist so ereignisreich! Doch fühlt es sich an, als würden wir Entwicklungen eines ganzen Jahres durchlaufen. Zwei Tüten in meiner Hand, eine Tüte in Rens Hand. Unsere freien Hände sind ineinander verschlungen. Es ist kaum jemand auf der Straße hier in den kleinen Gassen, aber gerade ist es mir völlig egal, ob uns einer sieht oder nicht. Scheißegal. Ich grinse Ren an.

„Haru, wir sind gleich Zuhause. Wie wollen wir es angehen?", schaut er nur zurück und zerstört damit mein Mädchen-Grinsen. „Warum gönnst du mir nicht die restlichen 500 Meter? Ich weiß es nicht. Ich gehe spontan an die Sache ran... Wenn es nicht gut läuft, musst du mich heute Abend glücklich machen." Ich grinse wieder breit und Ren guckt beschämt zu Boden. „Allerdings müssen wir einen Weg finden, dich im Zaum zu halten. Gerade auf der Kino-Toilette, hätte uns noch fast jemand erwischt, hätte ich dein stöhnen nicht unterdrückt." Ich schaue ihn wieder an. Sein Blick starr Richtung Boden. Aber er ist ebenfalls am lächeln. Leicht, aber es ist da. Ich grinse wieder bis über beide Ohren. Ren ist zu süß. Ich komme mir vor, wie die Grinse-Katze aus dem Film Alice im Wunderland. So langsam tut es weh. Aber ich kann einfach nicht anders! Seine Haare wirken etwas zerzaust und ich wuschel sie zurecht.

„Okay. Auf in den Kampf.", sage ich selbstbewusst und schließe die Tür auf.

„Mein Gott das wird aber Zeit!", sagt Aki genervt als er uns sieht.
„Hallo, tut uns sehr Leid, wir wurden noch aufgehalten.", meine ich seriös, während Ren kurz erstarrt, als er seine Schuhe auszieht. „Also ähm. Essen?"
Die Szene ruft ein Déjà-vu von Freitag Abend hervor. Wir sitzen wieder hier und es herrscht eine peinliche und bohrende Stille. Aki schaufelt sich das Essen gnadenlos die Kehle hinunter, Shima und Ren tauschen alle paar Nudeln einen besorgten Blick aus und ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. Die Zeit kriecht.
„Aki. Wir möchten etwas mit dir besprechen.", fängt Ren an und tätschelt mir unterm Tisch heimlich meinen rechten Oberschenkel. „Aha. Und was gibt's?", fragt er, als er seine Stäbchen ablegt und sich gesättigt in den Stuhl lehnt. „Also ähm.", beginne ich.

Ich schaue ihn an. Seine braunen Augen sind irgendwie leer.

„Also wie wäre es, wenn wir beide eine Runde mit Tanuki spazieren gehen?" Alle schauen erstaunt zu mir. Shima scheint das für gut zu befinden, gibt er Aki einen Ruck in die Schulter. Ren ist etwas verkrampft. Ich werfe ihm den besten und intensivsten Blick zu, den ich gerade aufrufen kann und sage leise „Vertrau mir." in seine Richtung, ohne dass die beiden es hören. „Ich erzähle dir alles, aber ich glaube es ist besser so.", ich drücke seine Hand unterm Tisch. „Wir müssen etwas raus."

„Meinetwegen.", meint Aki daraufhin monoton.

Langsam ist es komplett dunkel draußen, eine Gewitterfront zieht über unseren Köpfen hinweg und es wird duster und kühl. Die Laternen im Wechsel zwischen und hell und dunkel ist unser Begleiter. Wir schweigen fast die ganze Zeit.
„Weißt du, Aki, ich liebe euch alle wirklich sehr. Heute habe ich mich extrem schlecht gefühlt, weil Shima mir von eurem Abend gestern erzählt hat." Ich bin ruhig und sanft. Akis Augen verengen sich zu Schlitzen.
„Ich bin wirklich sehr traurig darüber, was dir passiert ist. Mir tut das unheimlich Leid, was Yuna-san dir angetan hat. Es tut mir ebenso unglaublich Leid, das ich es nicht gesehen habe. Bitte lass mich kurz aussprechen –", sage ich dazu, weil Aki gerade zum sprechen ausgeholt hatte.
Er schließt den Mund wieder. „Aki, aber ich bin extrem traurig über die Tatsache, dass du nicht zu mir gekommen bist. Ich habe anscheinend als dein Bruder versagt. Ich fühle mich jedenfalls so. Ich habe es ehrlich nicht mitbekommen und dafür entschuldige ich mich aufrichtig. Ich war so abgelenkt mit allem. Mit mir, mit ihm, mit dem Café. Bitte verzeihe mir, dass ich so ein egoistischer Idiot bin!" Ich bin angehalten und neige meinen Oberkörper hinunter und verbeuge mich. Mir tut es wirklich so sehr Leid. Aki schubst mich nach hinten und ich falle rücklings auf eine Mauer, auf der ich zum sitzen komme.
„Du bist ein Idiot."

Langsam beginnt es zu regnen und es grummelt ganz leicht im Hintergrund. Die diesjährige Regensaison kommt mit großen Schritten auf uns zu. Schnell greife ich Tanuki und stecke ihn in meine Jacke. Ren wird mich umbringen, würde es Tanuki später schlecht gehen. Mürrisch guckt der kleine Hund mich an. Guck nicht so, ich bin der einzige Regenschirm weit und breit, denke ich mir und beginne leicht zu lächeln. Ren...
„Ich liebe ihn wirklich, Aki. Nicht als Bruder. Sondern als Mann.", sage ich fast zu leise, denn das Regenprasseln übertönt mich fast. Mittlerweile sind wir beide tropfnass. Mein Kopf ist gesenkt, ich gucke auf den Boden, ich will seine Reaktion gar nicht sehen. Er schweigt weiter. Ehrlich gesagt fühle ich mich gerade nicht wertvoll genug, ihn anzuschauen.
„Er gibt mir etwas, das ich verloren geglaubt habe. Es ist anders als bei Shima und dir... Die Gerüchte stimmen, Aki... Ich wollte dich damit nicht in Verruf bringen oder dich verletzen! Oder dir bewusst Schaden zufügen! Ich habe mich über die Jahre und besonders letzten Monate einfach mehr und mehr in ihn verliebt. Es war erst nur vertraut und geborgen. Aber es wurde anders! Mein Inneres war voll mit einem riesigen Durcheinander aus Schuld, Scham, Wut, Resignation, Lust, Wollen, Zurückhaltung... einfach allem... Ich habe gedacht, ich hätte es im Griff und würde mein äußerliches Leben gut leben! Aber ich war so geblendet, dass ich nicht gemerkt habe, was los ist."

Aki gibt ein komisches Geräusch von sich, ich kann nicht bestimmen, ob es abwertend oder hinnehmend gemeint ist. „Aki ich habe noch nicht einmal darüber nachgedacht, es euch zu sagen, weil ich selbst nicht einmal verstanden habe, was da überhaupt los ist. Ich habe nichts verstanden! Bitte du musst mir glauben.", schreie ich zu ihm hoch. Überzeugend und mit Herz!

Als ich ihn anschaue sehe ich nur noch seinen Rücken, er muss sich umgedreht haben und ist dabei zu gehen. Das Gewitter ist im vollen Gange.

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Hochgeladen am 12.06.16
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