|60|

241 16 5
                                    

...Blade:

Noch etwas erschrocken reagierte ich auf das Zusammentreffen der beiden Zwillinge. Der Eine glich dem Anderen, dennoch waren sie von der Körpersprache und dem Verhalten komplett anders. Ryan wild und stürmisch, sein Bruder hingegen sanft und liebevoll.

Aber alles in einem; sie standen sich nahe und waren vom äusserlichen zum verwechseln ähnlich!

Schweigend ging ich hinter Ramon her und führte Sparky an der Leine mit mir mit. Wir waren durch den Park geschlendert und sie erzählten sich bereits gegenseitig ihre Lebensgeschichte. "Ich wurde von einem Kinderheim ins Nächste gebracht, aber ich hielt es nirgends besonders lange aus, damals bin ich immer abgehauen und wurde zum Straßenkind, aber jetzt mit 18 kann ich mir endlich einen Job suchen und mir eine Wohnung finanzieren." Ryan strahlte richtig und Ramon lächelte leicht. Das sie sich so auf Anhieb verstanden hatte ich nach dem Auftritt vorhin weniger geglaubt, aber jetzt..

"Wenn du Geld brauchst kannst du zu mir kommen, ich hab' genug ich kann dir was geben", doch Ryan winkte ab und bestätigte das er es schon alleine hinbekommen würde. Von den Briefen, soweit ich mich noch erinnern konnte, wusste ich noch das er als Dieb dargestellt worden ist. Also konnte ich mir schon denken wie er sich sein Mittagessen verdiente, er klaut es sich einfach! Sparky hetzte mich immer wieder nach vorne damit ich den Anschluss nicht verlor.

"Blade? Alles okay?" Ramon stand vor mir und hob mein Kinn etwas an, damit ich ihm in die Augen sehen konnte, was ich letztendlich auch tat. Jedes Mal kam es mir so vor als würde ich mich in seinen Bambiaugen verlieren, als würde das funkelnde Braun mich mitreißen, in eine Welt, in der nur wir beide existierten.

"J..Ja. Alles okay", lächelte ich und drehte meinen Kopf von ihm weg. Dabei fiel mein Blick auf Ryan der mich ebenfalls musterte. Schon irgendwie gruselig, wenn es einem so vorkommt als ob er mit seinen Augen jede Stelle meines Körpers begutachtete und ich meine wirklich jede Stelle.

"Du scheinst nachdenklich", flüsterte Ramon mir ins Ohr und ich wurde augenblicklich rot. Nachdenklich? Okay, es stimmte. Ich dachte nach, aber meine Gedanken laut auszusprechen wollte ich dann doch lieber nicht. Sie waren zu....versaut.

"Ähm....ich frag mich nur wie es abgelaufen wäre wenn meine Eltern mich auch in eines dieser Kinderheime gesteckt hätten, anstatt naja...du weist schon." Mit einer Unschuldsmine versuchte ich meinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, was aber nur knapp funktionierte da mein Freund bereits erahnte dass das nicht der eigentliche Grund war, wieso ich nachgedacht hatte.

"Ach Baby sei froh, jetzt haben wir uns und wir sind zusammen", lächelnd griff er nach meiner Hand und verschränkte unsere Finger miteinander, zog mich in die Mitte der Zwillinge und Sparky tänzelte vor uns her.

"Ihr seit süß zusammen", hörte ich Ryan neben mir sagen und ich wurde wieder rot. Eigentlich war er der Erste, der wusste das wir zusammen sind, der erste Junge bei dem Ramon und ich uns zeigten.

"Ähm...danke?", murmelte ich und zog Sparky's Leine an. Wir spazierten aus dem Park in Richtung Landstraße auf ein großes, leeres Feld wo ich unseren Hund von der Leine machte, da er sicher Auslauf brauchte. Auf einer Parkbank ließen wir uns nieder und Ramon platzierte seinen Kopf auf meinem Schoß. Ryan setzte sich neben mich und beobachtete uns erfreut.

~

Gegen Abend hatten wir beschlossen wieder getrennte Wege zu gehen. Ramon und ich nach Hause, da es allmählich kalt wurde und Ryan beteuerte seinem Bruder, dass er noch einen Freund besuchen wollte. Irgendwie tat er mir leid, als Straßenkind bei so einer Kälte eine warme Bleibe zu finden war sicher schwer. Vielleicht hatte er wirklich einen Freund der für ihn sorgte?

"Schatz kommst du?" Ich sah auf. Erst jetzt realisierte ich das Ryan bereits in eine andere Richtung gelaufen ist und Ramon vor mir stand, mich mit sich zog. "Wir sehen ihn ja morgen wieder, komm es fängt an zu regnen."

"Oh", war alles was ich zur Stande brachte. Ich nickte und lief ihm hinterher. Sparky zog nach kurzer Zeit wie verrückt an der Leine und leise vor mich her fluchend wollte ich ihn zurück ziehen, ließ aber durch lautes Gebell die Leine los und fixierte den anderen Hund vor uns. Einen großen Kampfhund, dann auch noch in schwarz und aus dessen Maul Speichel heruntertropfte. Furchteinflössend.

"Zieh deinen Hund zurück", kläffte uns der alte grauhaarige Mann an und deutete auf Sparky der bereits seinen Schwanz eingezogen hatte und ein paar Schritte zurück machte. Ihn schien der große Köter wohl auch nicht gerade ein toller Spielkamerad zu sein. Gerade als Ramon zischend die Leine wieder an sich nehmen wollte schnappte der Köter nach Sparky und erwischte sein Fell, riss daran bis unser Hund heulte und Blut aus seinen Wunden tropfte.

"Hey du Mistköter!", brüllte Ramon versuchte nach dem Hund zu trappen und den verletzten Sparky zurückzuziehen doch als der Pitbull knurrte jagte Sparky los. Über die Straße gefolgt von dem Köter und meinem Freund. Ein lautes langgezogenes Hupen ertönte links auf der Straße, grelles Licht versperrte meine Sicht und ein Schrei folgte Augenblicke später.

"Ramon!", brüllte ich aus Verzweiflung. Tränen rannen mir übers Gesicht und meine Augen brannten wie Feuer. Starr vor Angst um ihn musste ich dabei zusehen wie ihn das Auto erfasste, er mit voller Wucht auf die Windschutzscheibe aufschlug und aus seinem Mund ein ohrenbetäubender Schrei durch die hereinbrechende Nacht hallte. Die Windschutzscheibe zersprang in dutzende kleine Splitter als Ramon mit seinem Kopf darauf aufschlug und ich konnte erkennen, wie er ein paar tiefe Kratzer im Gesicht davon trug. Sein schlaffer und stark blutender Körper rutschte von der Scheibe über die Motorhaube auf die Straße und blieb dort reglos liegen. Endlich konnte ich mich aus meiner Starre lösen und rannte auf Ramon zu. Er hatte seine Augen geschlossen und er versuchte sich vergebens aufzurappeln. Aus seinem Mundwinkel floss ein dünner Rinnsal dunkles Blut das mir auf die Kleidung tropfte als ich ihn an mich ziehen wollte.

"Beweg dich nicht, alles wird gut....wir brauchen einen Arzt!", beruhigte ich ihn und sah den bereits ausgestiegenen Fahrer hilflos an. Der Fahrer zückte sein Handy und wählte den Notruf, dabei konnte ich nichts verstehen als er in das Gerät sprach. Ich widmete mich wieder meinem Freund zu, sein Atmen ging flach, seine Brust bebte und ich hörte das Röcheln das aus seinen Lungen drang.

"Blade?", hörte ich Ramon flüstern und sah zu ihm hinunter. Sein Kopf lehnte an meiner Brust und ich strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht das von Blut nur so überströmt war. Mit letzter Kraft schreckte er seine Hand nach mir aus und berührte meine Wange. "Ich liebe dich." Dann sank seine Hand wieder in meinen Schoß und blieb dort reglos liegen.

"Nein. Bitte Ramon! Verlass mich nicht! Du schaffst das ! Bitte!", wimmerte ich und mir entkamen Tränen, doch als der Krankenwagen eintraf war bereits jede Hilfe zu spät.

I'm InvisibleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt