18 | Pars pro toto

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Geistesabwesend ließ ich meinen schwebenden Erdhaufen verschiedene Formen annehmen. Welche, wusste ich nicht so genau. Allerdings war es auch kaum wichtig. Wichtig war eher, eine Lösung für das Orchestergrabenproblem zu finden. Seitdem Thea und ich das erste Mal in dem Instrumente-Raum gewartet hatten, hatte ich ihm noch an vier weiteren Abenden alleine einen Besuch abgestattet. Doch es tat sich rein gar nichts. Außer vielleicht, dass Tina mittlerweile ziemlich misstrauisch wurde.

Genau eine Woche war nun seit dem Mord vergangen. Genau eine Woche, in der wir kaum etwas herausgefunden hatten. Die Bücher waren in Hinsicht der schwarzen Königin keine Bereicherung gewesen. Auch wenn ich zugeben musste, dass ich meins trotzdem ganz interessant gefunden hatte. Es lag immer noch neben meinem Bett und das, obwohl ich es schon beendet hatte.

„Das war es dann für heute", schallte plötzlich Frau Schwabs Stimme über die Wiese. „Räumt bitte noch eure Sachen weg, wir sehen uns dann morgen wieder."

Ich schreckte auf, meine Erde blieb in Form einer Mauer in der Luft hängen. Die Stunde war schon vorbei? Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, dasselbe noch einmal mit Steinen zu wiederholen. Das würde ich dann wohl auf der Lichtung nachholen müssen.

Während ich die Materialien zurück zur Mauer trug, schweiften meine Gedanken schon wieder zu dem geheimen Treffen ab. Es war klar, dass sie sich früher immer im Orchestergraben getroffen hatten. Also hatten sie entweder den Ort verlegt oder kamen in größeren Abständen dorthin als gedacht. Beides suboptimal für unsere Zwecke. Aber vielleicht hatte Thea ja irgendeine Idee, wie-

„Annalena und Tom, bleibt ihr bitte noch kurz hier?"

Erneut zuckte ich zusammen. War irgendetwas passiert? Hatte ich etwas falsch gemacht? Ich blickte hinab auf meine Materialien, doch die waren vollkommen unbeschädigt. Und es schien mir auch niemand besonders viel Aufmerksamkeit zu schenken, nicht einmal Tom. Hatte Frau Schwab also Wind von meiner stetig wachsenden Sammlung an Regelbrüchen bekommen? Aber was hatte Tom dann damit zu tun?

„Haben wir irgendein Problem?", fragte ich letzteren.

„Kann sein." Er schenkte mir einen kurzen desinteressierten Blick und sah seinen Freunden nach.

Dann eben nicht. Ich würde es ohnehin in ein paar Sekunden erfahren, denn Frau Schwab kam direkt auf uns zu. Leider konnte ich aus ihrer Miene nichts lesen. Ich fing an, auf meiner Unterlippe herumzukauen.

„Um direkt zum Punkt zu kommen", sagte sie, als sie bei uns angekommen war, „habt ihr beide großes Potential in Magie, das in diesem Kurs verschwendet wäre. Wahrscheinlich habt ihr selber gemerkt, dass ihr die Aufgaben wesentlich schneller als alle anderen löst. Deshalb wollte ich euch anbieten, ab nächster Woche in den Magiekurs des zweiten Jahrs zu wechseln."

Meine Augen weiteten sich. Zweites Jahr? Warum so plötzlich? Und wie sollte das überhaupt funktionieren?

Tom schien ebenfalls Fragen zu haben. „Und was ist mit den restlichen Fächern? Ein Kurswechsel würde alles durcheinanderbringen."

„Die Stundenpläne müssen ohnehin verändert werden, nachdem wir nun einen langfristigen Ausfall im Kollegium haben. Das wird also das kleinste Problem sein. Es wird sich womöglich sogar einrichten lassen, dass ihr größtenteils in denselben Kursen bleibt, in denen ihr jetzt seid."

„Die Zweitklässler sind viel weiter als wir", hielt Tom dagegen.

„Ihr werdet zusätzliche Unterrichtsstunden erhalten, in denen ihr den Stoff aufholt. Allerdings bezweifle ich, dass euch das besonders große Schwierigkeiten bereiten wird. Es wird anstrengend werden, aber es wird sich lohnen. Sowohl für euch als auch für eure Magie."

Der Ruf der ErdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt