19 | Cui bono?

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„So wird das nichts", sah Thea den Tatsachen ins Auge. „Wir haben keinen blassen Schimmer, wen Frau Schwab mit der schwarzen Königin meint. Und an der Orchestergrabenfront gibt es auch nichts Neues."

„Vielleicht müssen wir noch ein bisschen warten", sagte ich. Ich merkte jedoch selber, dass es sich nicht besonders überzeugend anhörte.

„Wenn sie bis jetzt nicht gekommen sind, werden sie es auch später nicht tun. Aber wenn du willst, kannst du ja jeden Tag einen kurzen Abstecher in den Lagerraum machen."

„Gut, das wird es fürs Erste hoffentlich auch tun. Aber wie machen wir dann weiter?"

„Wir könnten warten, bis wir über neue Informationen stolpern. Oder hoffen, dass die Polizei den Mörder endlich findet."

Wir sahen uns kurz an. Es war klar, dass das keine Option war. Jemand musste Frau Verdivis ermordet haben und die meisten hätte die Möglichkeit dazu gehabt. Und wenn Frau Schwab anscheinend niemandem von ihren Vermutungen erzählte, würde der Polizei womöglich auch ein wichtiges Puzzleteil fehlen.

„Wenn es ein Serienmörder wäre, würde es uns auf jeden Fall weiterhelfen", überlegte ich.

„Hoffen wir mal nicht."

„Aber sieh es dir mal an: Irgendwann würde ein neuer Fall kommen, mit neuen Hinweisen und neuen Chancen. Du merkst doch selber, dass wir hier nur jeder winzigsten Spur hinterherrennen."

Sie antwortete nicht und fuhr stattdessen mit den Fingern durch den kleinen Wasserstrom, der die Lichtung durchzog. Ich konzentrierte mich auf den Boden und ließ Erde aufsteigen. Frustriert brachte ich sie in verschiedene Formen. Bis sich plötzlich eine weiter veränderte als die anderen. Es sah fast so aus wie die Toilettenkabine, in der ich Frau Verdivis gefunden hatte.

Auch wenn ich künstlerisch nicht allzu begabt war, versuchte ich halbherzig, ein paar Details hinzuzufügen. Erst die Toilette an sich, dann die grobe Form der Leiche. Und dann hatte ich eine Idee.

„Weißt du, was wir uns noch nie gefragt haben?", sagte Thea im selben Moment, als ich „Woran ist sie eigentlich gestorben?" fragte. Sie sank wieder zurück in ihre alte Position, mit einem losen Faden ihrer Shorts spielend. Das nahm ich als Zeichen, meine Idee weiter ausführen zu können.

„Ich meine, jedem ist klar, dass ihr irgendwie das Blut abgenommen wurde", fuhr ich fort. „Aber davor muss sie ja eigentlich schon tot oder zumindest bewusstlos gewesen sein. Das hätte dann der Zusammenprall von Klobrille und Kopf erledigt. Aber was seltsam ist, ist die Position des Kopfes.

Wenn sie gerade auf die Brille aufgetroffen wäre, ließe sich die tiefe Wunde nicht erklären. Wenn sie gegen die vordere Kante getroffen wäre, läge der Kopf nicht auf der Klobrille. Und die innere Kante ist ohnehin unwahrscheinlich. Also muss da noch was anderes sein, was wir übersehen haben."

„Oder der Mörder hat sie aus irgendeinem Grund so platziert."

„Auch eine Möglichkeit", räumte ich ein. „Aber so oder so stimmt da irgendwas nicht. Vielleicht sollte ich einfach mal Frau Schwab fragen gehen, die hat mir ja letzte Woche Hilfe angeboten. Oder ich frage direkt die Polizei. Ob das so zielführend ist, keine Ahnung."

„Ich würde zu Frau Schwab gehen." Thea zwirbelte den losen Faden um ihren Finger.

„Gut, dann mache ich das direkt morgen. Da sehe ich sie ohnehin wegen dieser Extra-Magiekurseinführung."

„Morgen fängt das schon an?"

„Ja. Aber erstmal alle zusammen. Das heißt, Tom, seine Partnerin, Kathi und Frau Schwab." Als ich heute Mittag die Nachricht bekommen hatte, dass ich Kathi als Partnerin beziehungsweise Lehrerin zugeteilt bekommen hatte, hätte ich vor Freude schreien können. Sie schien ziemlich kompetent zu sein.

Der Ruf der ErdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt