30 | In medias res

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„Warum eigentlich gerade hier?", fragte Max mit einem Blick auf die Musikräume.

„Warum nicht?", entgegnete ich. Es sprach eigentlich nichts dagegen. Der Flur war für gewöhnlich wie ausgestorben und somit der perfekte Treffpunkt für konspirative Gespräche.

Max musterte die Türen erneut, dann wandte er sich ab. „Gut, ist auch egal. Ich vermute mal, du hast einen Plan für die Nacht, oder?"

„Eigentlich nicht", erklärte ich gelassen und sah ihn unschuldig an. Bei seinem mehr als zweifelnden Gesichtsausdruck musste ich grinsen. „Aber mir zu erzählen, was du alles weißt, wäre ein guter Anfang."

„Du bist heute ungewöhnlich gut gelaunt." Sein Tonfall war immer noch misstrauisch. Wenn ich ehrlich war, zurecht. Die vorgebliche gute Laune kam am ehesten davon, dass mich gerade alles an Thea verwirrte oder aufregte und ich jetzt das Spiel zu meinen Gunsten wendete. Ich sollte mir vermutlich wirklich einmal Gedanken machen, was das über meinen Charakter aussagte.

Doch jetzt war dafür nicht der richtige Augenblick. Ich hatte wichtigeres zu erledigen. Und bekanntlich war es besser, gut gelaunt zu sein als sich selbst in Gedanken ein Loch zu graben. Max machte es mir mit seiner leichten Art aber auch sehr einfach.

„Ja, und ich bin äußerst gespannt auf die Lösung des Rätsels der Menschheit", sagte ich schließlich. „Also?"

Er seufzte. „Wenn du meinst. Aber leider muss ich dich enttäuschen, so spektakulär ist es nicht. Sie treffen sich jeden Freitag spät abends in der Sporthalle. Beziehungsweise, darunter. Soweit ich es mitbekommen habe, sind um die fünfzehn Leute an diesen Treffen beteiligt."

„Und du weißt wirklich nicht, wer das alles ist?" So sicher, wie er sich mit dem Treffpunkt war, musste er ihn schon etwas länger kennen. Wie konnte es da sein, dass er sonst nichts mitbekommen hatte?

„Auch wenn hier kaum etwas los ist, sie sind äußerst vorsichtig. Was glaubst du, warum ich so lang gebraucht habe, bis ich überhaupt eine Spur hatte?"

Ich zog die Augenbrauen zusammen. „Glaubst du, sie haben irgendwelche magischen Tarnfähigkeiten angewendet? Spätestens wenn irgendwelche Leute auf die Idee gekommen wären, den sechsten Sinn zu verwenden, wären sie leicht aufgeflogen." Normal war es schließlich weniger, wenn plötzlich mehrere Leute in Richtung Sporthalle verschwanden.

„Der sechste Sinn?"

„Eine Art Magiespürsinn", beeilte ich mich zu erklären. „Den wirst du noch kennenlernen. Allerdings erst im dritten Jahr."

Er schien kurz nachzudenken, dann fragte er: „Welche Leute sollten denn überhaupt hier nachts herumlaufen?"

„Wir zum Beispiel." Direkt nachdem ich es ausgesprochen hatte, merkte ich, dass seine Frage berechtigt war. Niemand, der nicht von den geheimen Treffen wusste, würde auf die Idee kommen, den sechsten Sinn einzusetzen. Und dann gab es natürlich noch das kleine Detail, dass ihn die meisten im Schloss nicht einmal anwenden konnten. Die Lehrer, die Leute vom Rat und eventuell noch vereinzelte Drittklässler. Keine besonders große Gruppe.

„Gut, wenn man mal überlegt, wer überhaupt Bescheid weiß und die Geschichte auch noch glaubt, wohl nicht so viele", wandte ich ein. „Aber in Zukunft werden es mehr sein. Thea hat Frau Schwab immerhin von unseren Theorien erzählt. Ich bezweifle, dass sie es auf sich sitzen lässt, auch wenn sie sonst keine Unterstützung vom Rat und ihren Kollegen hat."

„Was hat der Rat dagegen?" Max war sichtlich verwirrt.

Ich hob eine Augenbraue. Eigentlich hätte ich erwartet, Thea hätte ihm auch davon erzählt. Aber so war es auch gut. Im Schnelldurchlauf schilderte ich alle Erkenntnisse, zu denen Thea und ich bisher gekommen waren, auch die, die noch keinen Sinn machten.

Der Ruf der ErdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt