26 | Vide, cui fidas

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Als ich in Zimmer zweihundertzehn zurückkam, waren alle meine Mitbewohnerinnen da. Ich sah auf mein Handy. Zwei Stunden waren vergangen, seit ich es verlassen hatte. Ein kurzer Blick über den Raum verriet mir, dass die Stimmung nicht die beste war. Leonie war dabei, das Chaos auf ihrem Schreibtisch zu verschlimmern, Tina brütete über ihrem Tablet und Thea saß zusammengekauert auf ihrem Bett. Ihre Augen waren gerötet.

„Wo warst du?", fragte Tina. In ihrer Stimme schwang ein anklagender Unterton mit.

„Ich musste hier raus, habe Kathi getroffen und mich verquatscht", sagte ich wahrheitsgemäß.

Tina stieß die Luft aus. „Gut, für dich also auch nochmal die Zusammenfassung der Ergebnisse. Vermutetes Mordmotiv ist Wut wegen Diskriminierung, ist aber noch nicht ganz klar. Bisher ist auch nichts von der Polizei oder den Lehrern durchgesickert, außer, dass die Leiche wieder blutleer war. Daher denken jetzt alle, es wäre ein Serienmord, obwohl die ja normalerweise von einer einzigen Person begangen werden. Ansonsten haben auch Sarahs Freunde nie mitbekommen, dass sie so etwas geplant hat. Es ist einfach aus dem Nichts passiert."

Plötzlich erschöpft ließ ich mich auf mein Bett fallen. „Danke."

Noch mehr Informationen, noch mehr Details, die ich mir irgendwie merken musste. Vielleicht wäre etwas wie Theas Notizbuch doch keine schlechte Idee. Auch wenn die ziemlich schnell entwendet werden konnten.

Mein Handy vibrierte. Kurz hatte ich keine Motivation, dann sah ich doch drauf. Die Nachricht kam von Thea.

Ich schaute erstaunt in ihre Richtung. Sie blickte zurück, ihr Ausdruck unheilverkündend. Ich entsperrte das Handy und las die WhatsApp.

Wir wussten es.

Meine Finger verharrten über dem Bildschirm. Es brannte mir auf der Zunge, nach dem Ausgang ihres Telefonats zu fragen. Doch da drängen es nur noch schlimmer machen würde und wir noch andere Probleme hatten, ließ ich es. Stattdessen dachte ich über die drei Worte nach, die sie mir geschickt hatte. Dann fing ich an, zu tippen.

Wir müssen die Organisation finden, die dahintersteckt. Tina hat recht, es war ein Serienmord. Oder so in der Art.

Theas Antwort kam fast sofort.

Wir sollten Frau Schwab Bescheid sagen.

Auf keinen Fall.

Ich konnte nicht einmal richtig darüber nachdenken, da hatte ich es schon abgeschickt. Das war die katastrophalste Idee, der ich heute begegnet war. Sie war sogar fast noch schlimmer als die mit dem Musikraum.

Es sterben Menschen. Wir können das nicht zurückhalten, allein schon aus moralischen Gründen, schrieb sie zurück. Ich konnte ihren vorwurfsvollen Tonfall beinahe hören.

Wir fliegen von der Schule, wenn sie herausfindet, wie oft wir gegen die Schulordnung verstoßen haben, hielt ich dagegen.

Dann sag ich eben, dass ich es alleine war. Ich habe ohnehin nicht mehr viel Zeit.

Wenn das so war, konnte sie sich ihre Chancen, zurückzukommen, komplett abschminken.

Schlechte Idee. Wir finden die Organisation, dann reden wir eventuell mit Frau Schwab. Bevor sie uns überhaupt was davon glauben wird, brauchen wir Beweise.

Wenn es nur das ist... Du hast sie gesehen, das reicht.

Es ist nicht nur das. Wenn wir nicht nur mit einem Verdacht ankommen, sondern direkt mit einem Beweis, dass diese Organisation dahintersteckt, überlegt sie sich das mit dem Rausschmeißen vielleicht noch.

Der Ruf der ErdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt