51 | Manus manum lavat

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Ich hob die Hand und klopfte.

„Ja?", erklang Lorenzos Stimme und schickte einen Schauder meinen Rücken hinunter. Warum nochmal tat ich das hier überhaupt?

Ich öffnete die Tür und blickte in den Raum hinein. Niemand bis auf Lorenzo befand sich darin, ich hatte Glück gehabt. Glück, dass die Person, die ich nach seiner Zimmernummer gefragt hatte, auch wusste, dass er alleine war. Zeugen des ganzen Dramas konnte ich nun wirklich nicht gebrauchen.

Als er mich erkannte, verdunkelte sich sein Blick. „Ach, du bist es."

Der genervte Unterton war deutlich herauszuhören und ich wäre fast umgedreht. Doch nachdem die Stimmung in meinem Zimmer arktisch kalt und die Matheklausur heute zu einem Katastrophe geworden war, musste ich irgendetwas Produktives tun. Und zwar, bevor mich das Magietraining komplett in ein Loch schlechter Laune stürzte.

„Ja, ich", erwiderte ich einfallslos und schloss die Tür hinter mir. Ich wartete, bis mein Herzschlag sich ein wenig beruhigt hatte, dann sagte ich: „Hör zu, es tut mir leid. Ich habe mich absolut scheiße dir gegenüber verhalten."

Er hob eine Augenbraue. „Wann genau meinst du? Im Musikraum? Oder in der Bibliothek? Oder wann anders?"

Ich hasste seine Spielchen wirklich aus tiefstem Herzen. Früher hatten sie mich nur genervt, mittlerweile trieben sie mich zur Weißglut. Dennoch sagte ich: „Die ganzen letzten zwei Monate. Ich weiß, dass ich total überreagiert habe. Allerdings war es auch nicht fair von dir, mich vor dem Musikraum derart zu überraschen."

„Siehst du, genau das ist es. Du schiebst die Schuld von dir weg. Dabei bin ich nicht derjenige, der jemanden grundlos mit seiner Magie angegriffen hat."

Ich sah ihn wortlos an. Irgendwo hatte er recht. Aber immerhin war ich nicht diejenige, wegen der fast eine gesamte Familie getötet worden wäre. Oder diejenige, die die Ursache für ein äußerst unschönes Erlebnis war.

Er seufzte. „Aber ich will mal nicht so sein. Wir wollen das hier glaube ich beide vom Tisch haben. Also, Entschuldigung angenommen. Ist sonst noch irgendwas?"

Ja, und zwar, dass ich ihm seine Art fürchterlich gerne heimzahlen würde. Auch wenn sie es mir leichter gemacht hatte, indem er die Sache schnell von der Bühne gehen ließ. Auch wenn ich wusste, dass Letzteres absoluter Eigennutz war.

„Du hast mich letztens nach der Geheimorganisation gefragt", sagte ich.

Ein Stück des Genervten in seinem Blick wandelte sich zu Neugier um. „Ja?"

„Was weißt du darüber?"

Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme. „Warum sollte ich dir das erzählen?"

„Was weiß ich, du hast mich doch gefragt."

„Vor mehr als einem Monat."

Ich verdrehte die Augen. „Und?"

„Und da du ja nicht bereit warst, mir zu helfen, habe ich das, was ich wissen wollte, selber gesucht."

Das machte es komplizierter. Warum hatte ich das nicht eingeplant? Anstatt mich damit zu beschäftigen, meine Wut und die verstörenden Erinnerungen in einer dunklen Ecke meines Gedächtnisses zu verstauen, hätte ich lieber mal genauer über meinen Plan nachdenken sollen.

„Das bedeutet, du weißt, was die Geheimorganisation ist, was ihr Ziel ist und wer dazugehört?"

Er lächelte. „Womöglich."

„Danke für diese konkrete Antwort. Dann geh ich jetzt einfach wieder."

Ich drehte mich auf dem Absatz um und öffnete die Tür.

Der Ruf der ErdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt