42 | Credula res amor est

67 8 3
                                    

Irgendetwas hielt mich wach. Ich konnte nicht genau sagen, was es war, hatte aber ein vages Gefühl, dass sehr viele Dinge mit einspielten. Vor allem Dinge, die heute passiert waren. Alles in einem betrachtet fühlte es sich an wie der Anfang vom Ende.

Also starrte ich in die Dunkelheit. Durch die halb zugezogenen Vorhänge fiel ein Streifen düsteres Licht ins Zimmer und ließ es in einem kalten Grauton aufleuchten. Auch wenn ich die Möbel und ihre Position auswendig kannte, fühlte es sich heute bedrohlich an. Vermutlich wegen genau der Sache, die mich mit offenen Augen im Bett liegen ließ und die sich wie ein kleiner Parasit anfühlte, der sich langsam durch meinen Körper fraß.

Auf der anderen Seite des Zimmers raschelte eine Decke. Das plötzliche Geräusch ließ meine Nackenhaare aufstellen. Doch es konnten nur Tina oder Thea sein. Leonie schlief diese Nacht nicht in unserem Zimmer, nachdem sie am Abend umgekippt war.

Erneut hörte ich das Rascheln. Gefolgt von leisen Schritten. Tina, die auf die Toilette musste? Direkt im nächsten Moment stellte sich meine Theorie als falsch heraus.

„Kann ich dazukommen?", wisperte Thea.

Ich hinterfragte erst gar nicht, wie sie sich so sicher sein konnte, dass ich noch nicht schlief. Wortlos machte ich Platz und quetschte mich so gut es ging an die Wand. Dieses Bett war eindeutig nicht für zwei Personen gebaut.

Thea rollte sich auf der Matratze wieder ein, ihre kühle Haut streifte meine. Sie hinterließ ein leichtes Kribbeln. Auf der Stelle meldete sich auch Nervosität. Sie war einfach so gekommen. Hatte das was zu bedeuten? Oder bildete ich es mir nur ein?

Schließlich gab ich das Überlegen auf und fragte wenig einfallsreich: „Du kannst auch nicht schlafen."

„Wie du siehst."

„Wegen was ist es bei dir?"

Sie streckte sich wieder aus. Offenbar hatte sie ihr Vorhaben, zu schlafen, längst aufgegeben. „Leonie. Na ja, nicht nur. Aber zu großen Teilen. Wie konnte sie sich den ganzen Stress nur antun?"

„Hat sie doch selber erzählt, ihre Familie. Das kann einem ganz schön zusetzen. In Italien hatte ich mal einen Freund, der genau dasselbe Problem hatte. Aber er hat es nicht auf Leonies Weise gelöst, sondern sich stattdessen einmal durch den gesamten Drogenkatalog probiert, bis sein Vater davon Wind bekommen hat."

„Und wie ist es weitergegangen? Mit deinem Freund, meine ich."

„Nachdem seine Familie Bescheid wusste, war erstmal Schluss mit dem ganzen Zeug. Er hat glücklicherweise gerade noch so die Kurve gekriegt. Aber seit ich in Deutschland bin, habe ich nicht mehr viel gehört."

„Hm", machte Thea. Ihr Tonfall verriet schon, dass sie unglaublich gerne mehr wissen würde. Doch ich wollte das Thema lieber nicht weiter vertiefen. Das würde nur zu schwierigen Situationen führen.

„Wenn Leonies Zusammenbruch nur ein Teil der Gründe war, was ist der Rest?", fragte ich also.

„Der Rest..." Ich konnte förmlich vor mir sehen, wie sie auf der Unterlippe herumkaute. Dann drehte sie sich weiter von der Bettkante weg. „Während ich weg war, hat sich so viel verändert. Leonie, Max, sogar du. Es ist, als wäre ich nicht drei Monate, sondern ein ganzes Jahr weggewesen."

„Es ist ja auch viel passiert."

„Eben." Sie klang leicht aufgebracht. „Ihr habt mir quasi von einer Theatervorstellung erzählt, nachdem sie stattgefunden hat. Irgendwie habe ich von allem etwas gehört, aber den Gesamteindruck verpasst."

„Dafür bist du doch jetzt wieder hier", versuchte ich, sie aufzuheitern. „Die drei Monate werden im Endeffekt nichts sein."

„Vielleicht hast du Recht. Aber jetzt ist es wirklich seltsam, wie ihr wie selbstverständlich von Dingen redet, die ich im Detail nicht mitbekommen habe. Das ganze Drama um Lorenzo beispielsweise."

Der Ruf der ErdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt