25 | Nulla vita sine musica

74 9 5
                                    

Es herrschte Totenstille. Frau Schwab nickte einmal in den Saal hinein und drehte sich um. Schnell, fast schon hastig verließ sie den Raum wieder. Der schweinsäugige Mann, anscheinend vom Rat, hetzte ihr hinterher.

Erst dann begannen die Gespräche wieder. Die ersten Schüler sprangen auf, in ihren Gesichtern ein breites Spektrum an Emotionen. Von sensationslüstern bis ängstlich war alles dabei. Manche fingen wieder an, Neuigkeiten auszutauschen, andere überlegten tatsächlich, nach Hause zu fahren. Einem Mädchen ein paar Plätze weiter liefen sogar stumme Tränen über die Wangen. Ich kannte sie, sie war eine gute Freundin von Sarah, die auch heute in der Turnhalle dabei gewesen war.

„Das klingt nach ernsten Problemen", stellte Tina irgendwann fest, ihr Blick schon wieder auf einer Liste in ihrer Notizapp.

„Allerdings", stimmte Leonie zu. Sie erhob sich. „Ich muss kurz zu den Leuten aus dem Schülerrat, tut mir leid."

Als sie sich durch die Sitzreihe zum Gang quetschte, erklärte auch Tina: „Ich gehe mal zu dieser Fragestation. Ich schreibe euch, wenn es Neues gibt."

Ich nickte und stand ebenfalls auf. Dann sah ich zu Thea. „Gehen wir auch? Oder möchtest du noch bleiben?"

Sie schüttelte den Kopf. Immer noch war sie sichtlich in Gedanken versunken.

Aus dem Saal herauszukommen, war einfacher als gedacht. Die meisten blieben, auch wenn der Großteil nicht direkt auf Frau Collet und Herrn Emerson zustürmten. Folglich leer war es auch auf dem Weg zurück ins Zimmer.

Sobald sich die Tür hinter uns geschlossen hatte, biss sich Thea auf die Unterlippe. Ich spürte förmlich, wie sie aufplatzte und sich Blut unter ihren Zähnen sammelte. Instinktiv holte ich mit meiner Magie aus und verschloss die Wunde. Thea warf mir einen leicht aufgebrachten Blick zu. Ich runzelte die Stirn.

„Was ist los?"

Sie setzte sich auf ihr Bett, wo all ihre Anspannung abfiel. Nun hob und senkte sich ihre Brust in einem schnellen Tempo. Sie bohrte die Finger in die Matratze.

Ich hockte mich neben sie. „Ist es wegen dem Mord?"

Sie sah mich mit glänzenden Augen an. „Sie werden mich nach Hause holen."

Ihre Eltern. Thea hatte sie vor ein paar Monaten einmal als Helikoptereltern bezeichnet. Und wenn sie mich sogar zu einem unfassbar teuren Dinner einluden, nur um zu sehen, mit wem ihre Tochter befreundet war, war es kein großer Schritt, sie von der Schule zu nehmen.

Theas Atem wurde immer unregelmäßiger. Sie blinzelte, doch ihre Augen waren genauso feucht wie zuvor. Bloß nicht weinen, schoss es mir durch den Kopf. Ich wusste nicht, wie ich sie dann trösten könnte.

Aber all das Wunschdenken brachte nichts. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis die Tränen kamen. Unbeholfen umarmte ich sie. Was es nur noch schlimmer zu machen schien. Eigentlich hatte ich das Gefühl, ich sollte besser irgendetwas sagen, doch mir fiel nichts helfendes ein. Wahrscheinlich hätte jeder Versuch ohnehin nur zur Verschlechterung der Situation geführt. Also hielt ich sie einfach, bis die Tränen versiegten.

Gerade als ich mich jedoch wieder etwas zurückziehen wollte, schmiegte sie sich näher an mich an. Ich spürte ihr Zittern überdeutlich. Nicht mal eine Minute verging, bis sie erneut anfing zu sprechen.

„Sie wollten mich schon nach dem ersten Mord zurück nach Norwegen holen." Die Worte waren leise, zerbrechlich. „Da habe ich es gerade noch geschafft, es ihnen auszureden. Aber jetzt, wo es schon der zweite ist und es auch noch einen Schüler getroffen hat..."

Sie verstummte. Ich schloss für einen Moment die Augen, blitzschnell nach Lösungen suchend. Viel gab es nicht.

„Und wenn du für eine kurze Zeit mitmachen würdest? Und dann einfach zurückkommst, wenn sich die Situation und deine Eltern beruhigt haben?", schlug ich vor.

Der Ruf der ErdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt