5 | In eadem es navi

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Als wir beide im Bad waren, schloss ich die Tür hinter mir. Dann wandte ich mich zu Thea.

„Erstens: Keiner erfährt, dass ich gestern Nacht weg war." Ich schenkte ihr einen durchdringenden Blick. „Keiner. Auch nicht dein schwarzhaariger Freund."

„Max?" Ihre Stimme klang gleichzeitig unschlüssig und müde.

„Wenn das sein Name ist, ja. Verstanden?"

Sie nickte, ein wenig eingeschüchtert von meinem harschen Tonfall. Sofort tat sie mir leid. Etwas, was ich eigentlich nicht erreichen wollte. Es war gut, wenn sie wusste, wie ernst mir das war. Das versuchte ich zumindest, mir einzureden. Zu viel Rücksicht hätte mich vor einem Jahr fast ums Leben gebracht. Aber damals war die Situation auch eine völlig andere gewesen. Oder?

„Das ist gut." Ich zwang mich, mich zu entspannen und meinen Tonfall sanfter wirken zu lassen. „Warum warst du eigentlich noch so spät wach?"

Sie lachte nervös auf. „Ich schlafe in ungewohnten Betten immer schlecht, was sich aber die nächsten Tage verbessern sollte."

Für zukünftige Ausflüge ein gutes Zeichen. Außerdem war sie wahrscheinlich auch keine der Personen aus dem Orchestergraben. Ob ihre Aussage wirklich stimmte, musste ich allerdings noch näher überprüfen. Noch konnte ich nicht einschätzen, wie gut sie log.

„Das kenne ich", sagte ich.

Sie sah auf. „Wirklich, oder ist das nur eine deiner Strategien?"

Sie war klug. Diejenigen, die sie auf ihrer Seite hätten, könnten sich glücklich schätzen.

„Wirklich. Meine Familie ist das letzte Jahr dreimal umgezogen." Ich stockte. „Für mich wären es eigentlich viermal, wenn man die Akademie dazuzählt."

„Oh. Warum das?"

„Meinem Vater wurde gekündigt, und wir sind quasi den Jobs hinterhergejagt. Erst nach Menden, dann nach Oberthal, und dann nach Wieden. Alles drei mehr oder weniger kleine Dörfchen. Ich hoffe wirklich, das bleibt jetzt dabei." Würde es aber nicht. Zumindest nicht, wenn sich nichts radikal änderte.

„Das tut mir leid. Im Ernst." Diesmal war sie diejenige, die Mitleid mit mir hatte. Sollte sie ruhig. Mitleid war besser als Misstrauen. Auch wenn es damit nicht zu weit gehen sollte.

„Ich glaube, wir sollten jetzt auch langsam schlafen gehen. Nicht dass sich die anderen später wundern, warum wir noch so müde sind", sagte ich schließlich.

Sie legte den Kopf schräg, als wolle sie sagen: Wessen Idee war das, deine oder meine? Doch sie verzichtete darauf, mir das noch deutlicher mitzuteilen und ging stattdessen zur Tür. Kurz bevor wir das Bad verließen, sagte ich: „Dieses Gespräch bleibt unter uns, oder? Ich weiß nicht, wie du es siehst, aber ich muss meine Einschlafprobleme nicht unbedingt mit der Welt teilen."

„Klar."

Bei dieser Antwort lächelte ich und hoffte, es sah nicht allzu zufrieden aus. Ein Problem weniger, um das ich mir Sorgen machen musste.

***

„Sicher, dass du im Unterricht zurechtkommen wirst?", fragte mein Vater besorgt. „Dieses Magie-Zeug ist mir noch nicht ganz geheuer."

Meine Mutter raunte ihm etwas zu, dass ich durchs Telefon leider nicht verstehen konnte. Wie ich sie kannte, war es etwas in Richtung Lass sie doch ihre eigenen Erfahrungen machen, es ist nicht dein Leben.

„Papa, nur ein Teil des Unterrichts geht um dieses Magie-Zeugs. Und das wird schon. Mit der fleischfressenden Pflanze hat es schließlich auch geklappt." Ich sah die Treppe hinunter in die Eingangshalle und erblickte Lukas' helle Haare. „Ich muss Schluss machen, habe noch ein bisschen was zu tun. Hab euch lieb!"

Der Ruf der ErdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt